Pionierarbeit für Mikrokredite in Höngg

Mikrokredite sind als zinsgünstiges Finanzierungsinstrument vor allem aus Entwicklungsländern bekannt. Doch auch in Zürich existiert diese Form der Finanzierung.

Arbeitsplätze wie dieser in Bangladesch werden oft mit Mikrokrediten  finanziert – ein Modell, das auch in der Schweiz Fuss fasst.
Ruedi Winkler, Präsident des Vereins «Go! Ziel Selbstständigkeit».
Nadine Auer, Geschäftsführerin des Vereins Go!.
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In Entwicklungsländern weiss man, was in der Ersten Welt mancherorts vergessen scheint: Wirtschaftliche und soziale Entwicklung sind eng verknüpft. Unter den dortigen KMU-Betrieben spielen Ein-Personen-Unternehmen die tragende Rolle, doch gerade solche Kleinstunternehmen gelten bei traditionellen Banken nur selten als kreditwürdig. Hier springen Mikrokreditunternehmen ein. 1976 initiierte Muhammad Yunus in Bangladesch ein Programm, aus dem später die «Grameen-Bank», übersetzt «Dorf-Bank», hervorging – 2006 erhielten Yunus und seine Bank den Friedensnobelpreis «für ihre Bemühungen um eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung von unten», wie das Nobelpreiskomitee schrieb. Das Modell ist ein Erfolg, auch ausserhalb der Dritten Welt –, in Zürich leistet der Verein «Go! Ziel Selbstständigkeit» Pionierarbeit.

Breites Zielpublikum

Anlässlich der Eröffnung eines mitfinanzierten Unternehmens in Höngg lud der Verein vergangene Woche zu einer Pressekonferenz, um über seine Tätigkeit seit Februar 2009 zu informieren. In dieser Zeit wurden über 400 Anfragen behandelt, 100 Personen besuchten Informationsveranstaltungen. «Die Zielgruppe für Mikrokreditempfänger sollte vom Sozialhilfeempfänger bis zum Hochschulabsolventen reichen», führte Ruedi Winkler, bis Ende 2000 Leiter des Arbeitsamts der Stadt Zürich und heute unter anderem Präsident des Vereins Go!, aus. Die Praxis bestätigte diese Annahme: Die Anfragen kommen aus allen Schichten und Branchen. 35 Prozent aller Anfragen kamen von Personen, die bereits selbständig sind und ihren Betrieb erweitern wollten. Rund ein Drittel kam von Angestellten und 20 Prozent von Arbeitslosen. Der Rest verteilte sich auf Hausfrauen, Studierende, IV- oder Sozialhilfebezüger.

Aus 400 wurden 17 – Abklärung klärt vieles

Gemeinsam war ihnen allen, dass die wenigsten ein Budget oder gar einen Businessplan erarbeitet hatten und ihren Finanzbedarf nicht abschätzen konnten. Dies bestätigten die drei an der Pressekonferenz anwesenden Jungunternehmer aus eigener Erfahrung. Erst die Beratung durch Go! habe ihnen zu einer realistischen Planung verholfen. 17 Kredite wurden so letztendlich bislang vermittelt, total 376 000 Franken ausbezahlt. 16 der damit gegründeten Firmen sind laut Nadine Auer, Geschäftsführerin des Vereins Go!, auf gutem Weg. «Dass diese Zahl im Verhältnis zu den Anfragen relativ klein ist, liegt nicht an zu hohen Hürden», erläutert Auer. Doch sei es oft der Fall, dass Interessenten mit sehr vagen Geschäftsmodellen in die Beratung kämen, um dann selbst festzustellen, dass ihre Idee zu wenig Boden habe. Nur bei sehr wenigen habe man ein Nein aussprechen müssen, oftmals weil Schulden aus der Vergangenheit einen realistischen Neustart erschwerten oder weil sich noch in der Planungsphase andere Möglichkeiten oder Veränderungen in den Biografien der Antragsteller ergaben. Auch dies zeigt auf, von welch zentraler Bedeutung die Beratung durch Go! ist. Und: Diese Beratung endet nicht mit der Vergabe des Kredits, sondern erst mit dessen vollständiger Rückzahlung. Zudem vermittelt der Verein ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren, die ihre Erfahrungen – sei es als Selbständige oder aus dem Management von Firmen – einfliessen lassen.

Teil eines Netzwerks

So betrachtet ist Go! Teil eines Netzwerks im Wirtschaftsraum von Zürich – als der sich der Verein explizit versteht. Zum engeren Kreis gehört die Zürcher Kantonalbank (ZKB) als Partnerbank, die das Kreditmanagement übernimmt und für Go! einen Sicherungsfonds von 250 000 Franken sponserte, den Go! sogleich wieder der Bank verpfändete – sollten Verlustgeschäfte entstehen, sind sie durch den Fonds gedeckt. Die Stadt Zürich kommt für die ersten drei Betriebsjahre für ungedeckte Betriebskosten von bis zu 945’000 Franken auf. Warum aber ist Go! nicht selbsttragend, schliesslich wird an den Krediten Geld verdient? Ruedi Winkler präzisiert: «Auch im Ausland ist nur das sogenannte Micro financegeschäft solcher Organisationen selbsttragend, die Beratung und Betreuung der Kreditnehmer bleibt eine ungedeckte Dienstleistung von Non-Profit-Organisationen, die auf Unterstützung von Sponsoren und der öffentlichen Hand angewiesen sind.» Go! vermittelt Kredite bis maximal 40’000 Franken. Der Go!-eigene Businessplan sieht ab dem nächsten Jahr die Vergabe von jährlich 30 zusätzlichen Krediten vor – Auer geht davon aus, dass dies erreicht wird. Winkler betont als Ökonom: «Investitionen haben einen hohen Multiplikatorwert und sind damit besonders wirksam.» Es ist eben tatsächlich auch hier wie in Entwicklungsländern: Wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist eng verknüpft.

Weitere Informationen unter www.gozielselbststaendig.ch