Permanenter Lausalarm

Wer schulpflichtige Kinder hat, kennt das Problem: In Wellen wird man immer wieder informiert, dass im Schulhaus Kopfläuse aufgetreten seien und man soll doch sein Kind untersuchen und entsprechend handeln. Seit 2015 die «Laustante» den städtischen Sparmassnahmen zum Opfer fiel, haben diese «Lausalarme» zugenommen, so das Empfinden.

Die Suche nach Läusen mit dem Lauskamm – doch nur das geübte Auge sieht, wonach es sucht.

Kopfläuse begleiteten bereits die Urahnen der Menschheit. Vor etwa 5.6 Millionen Jahren teilten sie sich auf in zwei Gruppen: Die eine spezialisierte sich auf Affen und die andere, Pediculus humanus, auf den Menschen, den sie seither begleitet. Ebenso lange bekämpft der Mensch die lästigen Passagiere: Lauskämme fand man bereits bei den Ägyptern als Grabbeigabe, und ältere Generationen der Neuzeit mögen sich erinnern, dass sie einfach eine Kopfrasur bekamen, allenfalls gefolgt von einer Abreibung der Kopfhaut mit Petrol. Der Lauskamm gilt heute noch als effizientestes Mittel im Kampf gegen den lästigen Parasiten, vorausgesetzt, man kämmt die Haare drei bis vier Wochen lang alle paar Tage aus. Einfacher sind Behandlungen mit Kopflausmitteln, einem Shampoo, dessen Inhaltsstoffe toxisch auf das Nervensystem der Laus wirken. Das Problem: Häufig vergehen vier bis sechs Wochen, bis ein Kopflausbefall erkannt wird, und mit grosser Wahrscheinlichkeit hat man in dieser Zeit bereits andere Personen angesteckt.

Harmlos und nicht wählerisch, aber lästig

Kopfläuse zu haben, hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun. Typischerweise werden sie bei engem Körperkontakt übertragen, wie er, nebst im privaten Umfeld, eben auch in Kindertagesstätten und Schulen vorkommt. Hingegen sind – entgegen der gängigen Meinung – Kopfkissen, Haarbürsten, Kuscheltiere, Mützen und ähnliches, so hat eine australische Studie gezeigt, als Übertragungsweg kaum von Belang. Und Kopfläuse sind definitiv auch kein soziales Problem, denn der Winzling sucht sich seinen Wirt nicht nach sozialer Herkunft oder Bildung aus: Blut ist Blut, und einzig davon lebt er, wenn er sich alle zwei bis vier Stunden davon ernährt. Ohne Blut überlebt er kaum länger als einen Tag. Weibliche Kopfläuse leben bis zu 30 Tage und legen in dieser Zeit bis zu 100 grau-braune, unscheinbare Eier, am liebsten hinter den Ohren, an den Schläfen oder im Nacken der Geplagten. Nach acht Tagen schlüpfen neue Läuse. Zurück bleiben die besser erkennbaren leeren, weisslichen Eihüllen, bekannt als «Nissen». Auf den Stich der Laus, respektive auf deren Speichel, reagiert der Mensch mit einer Immunreaktion: Es entsteht eine kleine, juckende Schwellung. Das Jucken wird mit Kratzen bekämpft, die Kopfhaut wird beschädigt und es können sich im schlimmste Fall kleine Entzündungen entwickeln. In einigen Entwicklungsländern sind Kopfläuse als Überträger von Fleckfieber und Fünf-Tage-Fieber bekannt, diese Krankheiten sind in Europa jedoch sehr selten, und Kopfläuse gelten hierzulande deshalb nicht als Überträger von Krankheiten.

Die weggesparte «Laustante»

Wer schulpflichtige Kinder hat, kennt das Problem: In Wellen wird man immer wieder über einen «Lausalarm» informiert, dass im Schulhaus Kopfläuse aufgetreten seien und man soll doch sein Kind und auch den Rest der Familie mit dem Lauskamm nach Läusen und Nissen absuchen und, wenn lebende Kopfläuse gefunden werden, entsprechend handeln. 2015 wurde im Rahmen der städtischen Sparmassnahmen die Lausfachfrau, früher «Laustante» genannt, quasi selbst Opfer des «Lauskamms». Bis dahin konnte eine Schule bei Lausverdacht die Lausfachfrau des Schulärztlichen Dienstes in eine Klasse bitten, wo sie vor Ort die Kinderköpfe auf Läuse untersuchte. Die Ergebnisse teilte sie den Kindern schriftlich zuhanden der Eltern mit, welche dann die Behandlung starten sollten. Seit 2015 bietet der Schulärztliche Dienst nur noch in einer Praxis an der Langstrasse, telefonisch oder vor Ort, eine individuelle Beratung für Kinder und Eltern durch eine Lausfachfrau und einen Schularzt an. «Dort», so Claude Hunold, Direktor der Schulgesundheitsdienste, «können sich Eltern informieren und sich auch konkret am Kopf ihres Kindes zeigen lassen, wie sie Läuse erkennen sowie behandeln können und sollten». Bei Bedarf bietet die Beratungsstelle auch Unterstützung für Schulen bei Elternabenden zum Thema sowie Schulungsangebote für das Schulpersonal.

Hat der Lausbefall zugenommen?

Seit 2015 die Lausfachfrau den Sparmassnahmen zum Opfer fiel, haben die «Lausalarme» – subjektiv gesehen – zugenommen. Phasenweise nahmen sie gar inflationäre Züge an, mit der Folge, dass sich Eltern nicht nur aufregen, sondern im dümmsten Fall genau das tun, was die Alarme gerade nicht wollen: sie ignorieren sie. Die Schule Vogtsrain kennt das Problem gut. Früher hätten die Klassenlehrpersonen direkt die Lausfachfrau organisiert, heute laufe das über sie als Schulleitung, sagt Heidi Zandbergen, da die Schülerinnen und Schüler oft auch klassenübergreifend und in den Horten gemeinsam unterwegs seien. So habe auch sie subjektiv das Gefühl, dass es im Vogtsrain leider oft Läuse gebe. Sie würde es sehr begrüssen, würde die Lausfachfrau wieder eingeführt und die Sache professionell und gründlich angehen. Gemeinsam mit dem Elternrat habe man sich schon viele Gedanken gemacht, wie mit dem Problem umgegangen werden könnte. Eine Möglichkeit wäre, Eltern oder Mitarbeitende zu Lausfachleuten ausbilden zu lassen und einzusetzen, wie das z.B. in den Niederlanden in einigen Schulen geschehe. Doch fanden einige dies rechtlich heikel. «Das Gelbe vom Ei» habe man noch nicht gefunden. Unterdessen gilt, was man mit dem Elternrat vereinbart hat: Dass die Eltern, stellen sie Kopfläuse fest, die Schulleitung und diese dann, ohne den Namen des betroffenen Kindes zu nennen, die Klassenlehrperson oder den Hort informiert, damit die restlichen Eltern der Klasse und des Horts auch Kenntnis erhalten. Nach den letzten Sommerferien machte man zudem einen Versand an alle mit dem Aufruf, bitte vor Schulbeginn alle Kinder zu kontrollieren, da nach den Ferien öfter Lausbefall vorkommt. «Der Erfolg war eher bescheiden», so Zandbergen, «generell kann gesagt werden, dass Eltern sich über die ständigen ˂Lausalarme˃ nerven. Diese eher offensive Vorgehensweise hinterlässt den Eindruck, dass Läuse ein ständiges Thema sind». Im Gespräch mit dem «Höngger» wurde dies von verschiedenen Eltern bestätigt: Das Dilemma sei, dass man zwar wegen der Früherkennung informiert sein wolle, doch wenn man alle paar Wochen wieder alarmiert werde, verliere man die Geduld und beginne, die Schreiben zu ignorieren.
Erinnert einem das irgendwie an die Geschichte mit dem Schafhirten, der aus Langeweile ins Wolfsalarm-Horn bläst, und als dann tatsächlich mal ein Wolf kommt, reagiert niemand mehr auf sein Hornen?
Auch im Schulhaus am Wasser haben die Kinder regelmässig Kopfläuse, wie Schulleiterin Susanne Gauch sagt. Eine Zunahme der Fälle seit 2015 könne sie aber nicht feststellen. Sobald man im Schulhaus Kenntnis habe von Läusen, würde innerhalb der Schule und des Horts jeweils mündlich und gegenüber den Eltern in der betroffenen Klasse schriftlich informieren. Und ja, es gäbe einige Eltern, die es begrüssen würden, wenn die Lausfachfrau wieder in den betroffenen Klassen vorbeikommen würde, um alle Kinder zu kontrollieren.
Die Schulhäuser Bläsi, Riedhof/Pünten und Rütihof haben nicht rechtzeitig auf die Anfrage des «Hönggers» reagiert.

Schulgesundheitsdienst reagiert

Den Schulgesundheitsdiensten der Stadt Zürich ist das Problem natürlich bekannt, wie Claude Hunold dem «Höngger» bestätigt. Insbesondere Primarschulen hätten in Intervallen damit zu kämpfen: «Insbesondere nach Ferien, denn während diesen verbringen Kinder meist viel Zeit im engen Kontakt mit anderen Kindern, im Rahmen eines Lagers, beim Spielen oder auch bei gemeinsamen Bilderbuchanschauen oder Computerspielen». Das Vorgehen der Schulen, via Lehrperson die anderen Eltern einer betroffenen Klasse zu informieren, sei richtig und wichtig, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Und auch Hunold betont, dass Läuse zwar lästig und deren Behandlung aufwendig sein könne, aber keine gesundheitliche Gefährdung darstellen. Doch die subjektive Wahrnehmung einer Zunahme der Lausbefälle seit Abschaffung der Lausfachfrau kann Hunold nicht bestätigen. Man nehme aber wahr, wie auch schon vor 2015, dass in den Schulhäusern phasenweise mehr Läuse vorkommen. Und man sei sich bewusst, dass ein häufiges Lausaufkommen für Schulen, Eltern und teilweise auch für die Kinder, sehr unangenehm und lästig sein könne. Deshalb sei man derzeit daran zu klären, wie die Situation für alle Seiten zusätzlich verbessert werden könne, so Hunold: «Mögliche Massnahmen müssen aber nicht nur rechtlich abgestützt, sondern auch organisatorisch praktikabel sein, und das Verhältnis von Kosten und Nutzen muss stimmen. Der Schulärztliche Dienst hat vor, der Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz im Frühjahr ein Konzept vorzulegen, wie die Schulen mit vertretbarem Ressourcenaufwand in der Kopflausbekämpfung unterstützt werden können».
Wie auch immer, Kopfläuse werden den Menschen und speziell Kindern sicher weiterhin auf dem gemeinsamen Weg der Evolution begleiten – sofern sie nicht weggespart werden.

Beratungsstelle des Schulärztlichen Dienstes
Kostenlose Beratung
Langstrasse 21, 8004 Zürich
Mittwoch von 13 bis 18.30 Uhr und Freitag von 14 bis 16 Uhr (ausser in den Schulferien)
Telefonische Beratung: 044 413 46 13
Weitere Informationen unter www.stadt-zuerich.ch/ssd/de/index/gesundheit_und_praevention/schularzt/laeuse.html

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