Olympische Wettkämpfe mit Pipette und Reagenzglas

Mehr als 300 Jugendliche aus der ganzen Welt trafen sich Ende Juli zur Chemie­-Olympiade in Zürich. Auf dem Campus der ETH auf dem Hönggerberg mussten sie theoretische und praktische Prüfungen meistern.

Die Gewinner*innen der Chemie-Olympiade auf der Orchesterbühne in der Tonhalle Zürich. (Foto: ETH Zürich)

Es ist Montagnachmittag, die zweite Woche der Sommerferien ist gerade angebrochen. Viele der Zürcher Schüler*innen befinden sich nun in den Ferien, irgendwo am Strand, weit weg von der Schule und all dem, was sie dort zu lernen haben. Bloss keinen Gedanken mehr verschwenden an Deutsch, Mathematik – oder gar Chemie.

Ganz anders geht es da den 348 Jugendlichen aus der ganzen Welt, die an diesem Nachmittag den grossen Saal in der Tonhalle bevölkern. Sie gehören zu den Teilnehmenden der Chemie-Olympiade, die vom 16. bis zum 25. Juli unter dem Motto «Let’s find solutions together» an der ETH Zürich Hönggerberg durchgeführt wurde. In Viererteams aus 89 verschiedenen Nationen sind die Jugendlichen angereist und sind in der «olympischen Disziplin» Chemie gegeneinander angetreten. Dazu haben sie je eine fünfstündige praktische und theoretische Prüfung absolviert.

Nun steht die Abschlussveranstaltung in der Tonhalle auf dem Programm. In den nächsten zwei Stunden werden die Jugendlichen erfahren, wie sie beim Wettbewerb abgeschnitten haben und ob sie es in die Medaillenränge geschafft haben. Spannung liegt in der Luft, es herrscht ein buntes Gewusel und Sprachenwirrwarr. Viele der Jugendlichen haben sich in der traditionellen Tracht ihres Landes gekleidet. Aufgeregt schwenken sie die kleinen Fähnchen, die Aufschluss über ihre Herkunft geben und können es kaum erwarten, ihre Trophäen entgegenzunehmen.

Dabeisein ist alles

Bereits seit 1968 wird dieser wissenschaftliche Wettkampf alljährlich durchgeführt, jedes Jahr ist ein anderes Land Gastgeber. Bei dieser 55. Ausgabe der Olympiade feiert die Schweiz nun ihre Premiere als Gastgeberin. Organisiert wird der Anlass von der ETH Zürich, dem Verband Wissenschafts-Olympiade, dem Verein Schweizer Chemie-Olympiade und der Swiss Chemical Society, finanziell unterstützt vom Bund, privaten Sponsoren und Stiftungen.

Teilnahmeberechtigt sind Schülerinnen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren. Um an der Olympiade partizipieren zu können, müssen sich die Teilnehmenden zunächst in den nationalen Ausscheidungen qualifizieren. Die vier besten Schülerinnen jedes Landes stellen dann die Landesdelegation, die gemeinsam zur Olympiade reisen darf, begleitet und unterstützt von zwei Lehrerinnen und Coaches.

Das Ziel der Olympiade ist dabei nicht nur der Wettbewerb selbst, sondern auch, das Interesse der jungen Wissenschaftlerinnen zu wecken, aktuelle chemische Probleme zu lösen. Und selbstverständlich steht zudem der internationale Austausch und Kontakt zu Schüler*innen ganz anderer Kulturkreise im Fokus des Programms.

Schlauer als die Professoren

Die Abschlussveranstaltung beginnt. Professorin Helma Wennemers und Professor Wendelin Stark von der ETH Zürich begrüssen die Teilnehmenden. Stark, selbst ehemaliger Teilnehmer, zeigt sich begeistert davon, so viele junge Menschen zu treffen, die so gut in einer Disziplin seien. Und gesteht dem «Höngger» im anschliessenden Gespräch, dass selbst er nicht mehr all die Prüfungsfragen hätte beantworten können – zumindest nicht so aus dem Stegreif.

«Die Aufgaben werden von den Verantwortlichen entsprechend den olympischen Regeln gemeinsam erarbeitet», so Stark. «Dabei handelt es sich um aktualitätsbezogene, spannende Probleme, die von den jungen Nachwuchstalenten gelöst werden müssen.» Das erfordere, so Stark weiter, ein Verständnis von Chemie, das sich auf hohem Niveau bewege und weit über das übliche Schulwissen hinausgehe.

Schweiz nicht ganz vorne mit dabei

Bei der Siegerehrung werden Urkunden, Bronze-, Silber- und Goldmedaillen verteilt, je nach erreichter Punktezahl. Jeder, der sich eine Urkunde oder Medaille verdient hat, wird persönlich aufgerufen und auf der Bühne geehrt. Insgesamt 217 der Teilnehmenden erhalten eine Medaille. Dabei haben die asiatischen Nationen ganz klar die Nase vor. Bester in Theorie und Praxis ist der chinesische Schüler Weijie Mao.

«In Nationen wie China ist die Teilnahme an der Olympiade eine grosse Sache», erklärt Stark. «Für die Ausbildung und das Coaching des Nationalteams wird hier ein grosser Aufwand betrieben.» In der Schweiz dagegen, so Stark, werde die Olympiade eher stiefmütterlich behandelt. Anders als in anderen Länder existiere hier keine nationsweite Ausscheidung unter allen Gymnasial- oder Berufsschülerinnen. Es liege an motivierten Gymnasial- und Berufsschullehrpersonen, junge Talente zur Teilnahme zu bewegen.

Die unterschiedliche Gewichtung des Anlasses zeigt sich dann auch im Resultat. Die Schweizer Delegation gehört an diesem Abend nicht zu den grossen Gewinnerinnen. Doch das stört die vier Jugendlichen gar nicht. Ihnen habe vor allem der Austausch mit den anderen gefallen, erklären die vier. «Ich fands super, all die Jugendlichen der anderen Nationen zu sehen und die teils so ganz unterschiedlichen Lebenseinstellungen kennenlernen zu können», schwärmt etwa Andrin Hauenstein, der Zürcher Teilnehmer. Und wer weiss, vielleicht ergibt sich im nächsten Jahr wieder die Gelegenheit, an der Olympiade teilzunehmen. Das nächste Mal in Saudi-Arabien.

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