Dagmar schreibt
Ode an den Herbst
Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute erlaubt sie sich einen Tabubruch.
19. Juli 2025 — Dagmar Schräder
Ich habe eine Freundin, die ist ein bisschen älter als ich, so ungefähr 15 Jahre. Und die hat früher immer etwas gesagt, das ich nie verstanden habe. Sie meinte, dass sie mit zunehmendem Alter ihre Vorlieben bezüglich der Jahreszeiten geändert habe. In der Jugend, da sei sie vollkommen der Sommertyp gewesen, doch jetzt merke sie, dass sie eigentlich den Herbst vorziehe. Damals fand ich das komisch. Was sollte das Alter mit dem Wetter zu tun haben? Und wie konnte man auf die Idee kommen, den Herbst besser zu finden als den Sommer?
Aber jetzt, plötzlich, stelle ich fest, dass es mir eigentlich genauso geht. Denn in den letzten Wochen habe ich gemerkt, wie sehr mir Temperaturen über 30 Grad auf den Keks gehen. Was soll man auch mit denen anfangen? Sobald man sich auch nur ein kleines bisschen bewegt, öffnen sich alle Poren und man kann gar nicht genug Taschentücher dabeihaben, um sich den Schweiss elegant von der Stirn zu wischen. Das Perfide daran ist auch, dass man immer erst im Nachhinein merkt, wie heiss es wirklich ist. Dann, wenn man ins Büro spaziert ist, sich hingesetzt hat und anfangen will, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Dann legen die so richtig los, die fiesen Poren.
Deswegen muss man sich ständig umziehen, gefühlt dreimal täglich duschen und verliert jegliche Lust, sich zu betätigen, sei es körperlich oder geistig. Der mit Abstand angenehmste Ort weit und breit ist für mich dann jeweils der Platz vor dem Kühlregal im Supermarkt. Aber da kann ich mich ja auch nicht den ganzen Tag aufhalten.
Ansonsten geht eigentlich nur Schlafen und Wassermelone essen. Oder Schwimmen. Das Schwimmen hat aber seine Tücken: Ich mag mich nämlich überhaupt nicht in Bademode. Und in der Sonne liegen geht auch nicht, da bin ich innerhalb von Minuten krebsrot. Im Wasser selbst ist es zwar angenehm, aber das Trocknen danach dauert immer lange. Und weil ich mich ja vor der Sonne schützen muss, muss ich immer ein T-Shirt über die nassen Badesachen überziehen. Dann ist alles feucht und klamm und sitzt nicht mehr richtig.
Und schliesslich sind da auch noch die Mitmenschen. Die find ich an heissen Tagen ausnahmslos anstrengend. Eigentlich, so dachte ich, sollte wärmeres Wetter entspannter machen – so à la mediterranem Lebensgefühl. Aber im öV bei 30 Grad ist bei mir nix mehr mit südländischem Flair. Sich in einem schaukelnden Bus eng an andere schwitzende Körper zu schmiegen, ist ziemlich das Gegenteil von entspannt. Und wenn dann noch jemand auf die Idee kommt, mich beim Schweissabwischen zu stören und mit mir ein Gespräch zu führen, dann ist endgültig Ende Gelände.
Deshalb hier an dieser Stelle mein Coming-out: Der Hochsommer ist nix für mich. Puh, jetzt ist es raus. Fühlt sich ein bisschen wie Verrat an, ist aber befreiend. Fast wie mein Verzicht aufs Skifahren im Winter. Ich muss mich jetzt nicht mehr verpflichtet fühlen, in die Badi zu gehen. Ich kann einfach im Schatten chillen und mich auf den Oktober freuen. In diesem Sinne: Geniessen Sie Ihre Sommerferien! Ich fahre in den Norden.
0 Kommentare