«Nicht Schuld zuweisen, sondern einen Weg suchen»

Die Kirchgemeindeversammlung der Pfarrei Heilig Geist letzten Sonntag zog unüblich viele Gemeindemitglieder an: Sie kamen, um mehr über die personellen Wechsel in der Pfarrei zu erfahren.

Die leere Kirche Heilig Geist nach dem Gottesdienst — die Stühle im Erdgeschoss waren dafür bis auf den letzten Platz besetzt.

Sonntag, 22. April, kurz nach 11 Uhr: Der Gottesdienst war aus und der Saal im Erdgeschoss der Kirche Heilig Geist füllte sich so rasch mit Mitgliedern der Pfarrei, dass eiligst noch mehr Tische und Stühle herbeigeschafft werden mussten. Als Kirchenpflegepräsident Silvio Ponti die Versammlung eröffnen konnte, begrüsste er 120 Stimmberechtigte – mehr als je zuvor. Alle waren gekommen, um zu erfahren, was «im Dorf» zum Teil hinter vorgehaltener Hand längst vieldiskutiertes Thema war: die Personalsituation in der Pfarrei.

Die Fakten und die Schweigepflicht

Entsprechend schnell wurde die Jahresrechnung 2011, die übrigens positiv abschloss, abgesegnet und verdankt. Dann lauschten alle gebannt den Worten von Silvio Ponti: «Unsere Gemeindeleiterin, Isabella Skuljan, hat kurz vor Ostern ihre Demission eingereicht. Es wurde mit ihr eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung per Ende September abgeschlossen.» Der Generalvikar habe, so Ponti weiter, Isabella Skuljan in Absprache mit der Kirchenpflege per sofort von den Aufgaben und Pflichten als Gemeindeleiterin entbunden. Eine Nachfolge wird bereits gesucht, die Pfarrwahlkommission ist eingesetzt. Bis zu den Sommerferien übernimmt Matthäus Pazhenkottil, in der Pfarrei bereits bestens bekannt, ein Teilzeitpensum als Seelsorger. Nach diesen Informationen gab Silvio Ponti das Wort den Stimmberechtigten – und es wurde fleissig ergriffen. Primär wurde nach den Hintergründen gefragt, doch dazu durfte Silvio Ponti – wie jeder Arbeitgeber in dieser Situation – aus Personal- und Personenschutzgründen keine Auskünfte geben.

Bewegender Brief an die Gemeinde

Dann trat Jugendleiterin Olivia Conrad vor die Gemeinde und las einen Brief von Isabella Skuljan vor. Im Saal war es mucksmäuschenstill. Sie habe, war Skuljan zu vernehmen, die neun Jahre in der Gemeindeleitung mit Herzblut und Begeisterung zusammen mit ihrem Team ausgefüllt. Auch den vielen Freiwilligen könne sie nur Lob und Dank aussprechen für die grosse Unterstützung. Dass sie krankheitshalber in letzter Zeit viele persönliche Kontakte nicht habe wahrnehmen können, tue ihr leid und es mache sie traurig, dass viel über sie geredet werde und Gerüchte im Umlauf seien: «Menschen in der Pfarrei sind von mir enttäuscht und ich kann ihnen nicht Rede und Antwort stehen.» Im Schlusssatz wünschte sie der Pfarrei, sie möge immer ein Ort sein, wo Gottes Liebe und Barmherzigkeit in der Gemeinschaft erlebt werden können – die Worte wurden der Abwesenden mit grossem Applaus verdankt.

Emotionale Voten

Und trotzdem kamen die folgenden Voten schärfer daher. Die einen kritisierten die Kirchenpflege für ihre Informationspolitik, die anderen lobten sie für ihr Vorgehen in dieser schwierigen Situation. Nur etwas zog im ganzen Saal niemand in Zweifel: Isabella Skuljans seelsorgerische Fähigkeiten − speziell in Grenzsituationen − wurden ausnahmslos gelobt und ein entsprechendes Votum von Organist Pius Dietschy mit herzhaftem Applaus bedacht.

Gewichtige Worte

Am besten brachte der pensionierte Pfarrer August Stini Durrer die Situation auf den Punkt: «Wir benennen gerne Sündenböcke − mal die einen, mal die anderen. Doch Fehler passieren überall und immer haben beide Seiten etwas recht. Was geschah, muss man aufarbeiten. Doch die Kirchenpflege darf über die vom Amtsgeheimnis geschützten, persönlichen Angelegenheiten nicht reden. Auf der ‹Gegenseite› kann man hier im Saal reden, was man will und das wird schwierig. Man kann anklagen und gegenseitig Sündenböcke suchen, doch das bringt niemanden weiter – unsere Gemeinde muss keine Schuld zuweisen, sondern einen Weg suchen. Und da zähle ich auf Ihr Vertrauen.» Durrers Worte haben Gewicht, und so wurde an dieser Stelle gewünscht, sie gleich als Schlusspunkt zu nehmen. Doch da bereits zuvor noch das Wort verlangt worden war, liess Silvio Ponti die veritable «Chropfl ärete» weiterlaufen, was ihm der anwesende Rolf Anliker von der Rekurskommission der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich hoch anrechnete: «Er lässt Sie alle ausreden, was er nicht tun müsste, weil dies alles eigentlich nicht in eine Kirchengemeindeversammlung gehört – aber ich denke, es braucht diesen Raum, um den Kropf zu leeren und danach zusammen in eine positive Richtung zu gehen.» Und tatsächlich folgten nun zunehmend versöhnliche Töne, verbunden mit Hoffnung und gar Lösungsansätzen. So blieb letztendlich an diesem Sonntagmittag, draussen peitschte der Regen zeitweise waagrecht gegen die Scheiben, nur das, was Silvio Ponti der Gemeinde als Schlusssatz mit an den anschliessenden Apéro oder auf den Heimweg gab: «Lasst uns zusammen einen guten Neuanfang finden und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.»

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