Muttergefühle

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge im Leben. Heute über die Sentimentalität, die einen als Mutter des Öfteren überkommt.

Symbolbild: Freepik

Ich weiss nicht, ob es allen Eltern so geht, aber ich bin seit der Mutterschaft, also immerhin bereits seit rund zwanzig Jahren, extrem nahe am Wasser gebaut. Das heisst nicht nur, dass ich bei Filmen, rührenden Szenen oder selbst bei Erzählungen, die mich berühren, spontan in Tränen ausbrechen kann, sondern auch, dass ich aus heiterem Himmel von Erinnerungsfetzen an die Zeit, als meine Kinder noch klein waren, heimgesucht werde und dann in Wehmut fast versinke.

Da hocke ich also nichts ahnend und mit mir und der Welt völlig im Reinen am Schreibtisch, vielleicht gerade damit beschäftigt, einen vielsagenden Artikel zu verfassen, als mich urplötzlich, keine Ahnung woher, eine Erinnerung überfällt. Zum Beispiel daran, wie mein ältester Sohn als Primarschüler einen Kurs im Kindertheater belegte, ich ihn jeweils mit den drei anderen Kindern begleitete und die Wartezeit in einem Café überbrückte.

Keine Wahnsinnserinnerung, einfach nur ganz normales Mutterdasein. Damals habe ich diese Momente nicht mal besonders geschätzt. Wahrscheinlich haben mich die Kinder während des Wartens sogar genervt, es hat geregnet, der Jüngste ist im Bus eingeschlafen, ich musste alles schleppen.

Aber jetzt, fast zehn Jahre später, sehne ich mich ganz furchtbar dorthin zurück, wünsche mir, zurückkriechen zu können in die vermeintliche Unbeschwertheit der Vergangenheit. Wie viel Zeit ich da noch hatte. Konnte den ganzen Nachmittag mit den Kindern im Café verbringen, im Bioladen einkaufen, den Sohn nach der Probe wieder einpacken, noch ein paar Sätze mit den anderen Eltern wechseln und wieder nach Hause fahren. Wie schön, höre ich mich gedanklich seufzen.

Und heute? Ist der Sohn gross, die Töchter sind Teenagerinnen und wollen gar nicht mehr so viel Zeit mit mir verbringen und sogar der Kleine trifft sich lieber mit Freunden, als mich irgendwohin zu begleiten. Und überhaupt ist immer alles so stressig heutzutage. Herrje. Tempi passati. Die obligaten Tränchen schiessen mir in die Augen. Früher war alles besser.

Doch dann kommt zum Glück der Jüngste nach Hause und zeigt mir seine neuesten Fussballtricks. Und meine Tochter ruft fröhlich an und erzählt, dass sie eine Freundin mitbringen und gemeinsam mit ihr für uns alle kochen wird. Ja, stimmt, früher war gut. Doch heute ist auch schön.

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