Musikalische Gewitter

Die Sinfonietta Höngg spielte an ihrem traditionellen Winterkonzert im bis auf den letzten Platz besetzten reformierten Kirchgemeindehaus unter der Leitung von Emanuel Rütsche. Brillante Solistin des Abends war die Fagottistin Nathalie Blaser.

Nur den Einsatz nicht verpassen.
Die brillante Solistin Nathalie Blaser und ihr Fagott.
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Mit verhaltenen, dunklen Tönen, die anschwellen und sich in den Vordergrund drängen, um dann in sich zusammen zu fallen, so beginnt Carl Maria von Webers 1821 komponierte Ouvertüre zur Oper «Freischütz». Eine sanfte, volkstümlich harmlose Melodie setzt ein, von den Hörnern innig gespielt, man meint in den Alpen zu sein, wenn noch ein fernes Echo ertönt. In diese scheinbare Idylle bricht nun ein gewaltiges, dissonantes Gewitter ein, in das sich dann südlicher Schmelz drängt, und die sich gegenseitig dramatisch zum Ouvertüren-Schluss, also zum «Vorhang auf», aufschaukeln − die Oper kann beginnen.

Nathalie Blaser, die Virtuosin des Fagotts

Das der Ouvertüre folgende «Konzert für Fagott und Orchester F-Dur, op 75» ist eines jener seltenen Orchesterstücke, in denen das Fagott, dieses über einen Meter lange Holzblasinstrument für die dunklen Orchestertöne, seinen ganzen Klangreichtum entfalten kann. Nathalie Blaser, die junge, virtuose und bereits anerkannte Fagottistin, zeigt bereits beim Allegretto ma non troppo das Wechselspiel zwischen den kurzen p,p,p,ps und den melodischen Tonbögen, was etwas hüpfende, tänzerische Momente ergibt. Einen langen Atem braucht sie auch im folgenden Rondo. Sie entlockt dem dunkel gestimmten Instrument auch eher unbekannte, elegante und helle Melodien. Beim Allegro besticht dann die witzige, virtuose Zwiesprache zwischen Fagott und Orchester mit den kurz aufeinander folgenden Kontrasten hell – dunkel, langsam – schnell, leise – laut.
1911 komponierte Edward Elgar, von dem wir alle sein «Pomp and Circumstances» schon bei den ersten Takten erkennen und mit dem heutigen, royalen England zusammen bringen, seine «Romance für Fagott und Orchester, op 62». Tiefe Orchestertöne evozieren eine dunkle Wolke, aus der ein grosser Vogel – das Fagott – herausbricht und weite Runden in der Luft dreht, hin und her getragen vom Wind, und so erscheint allmählich auch die weite, hügelige Landschaft, wie sie im Norden Englands anzutreffen ist. Zwischen den Wolken bricht kurz ein Blau durch, das sich, wie wir jetzt erkennen, in einem See reflektiert. Und noch immer und bis zum Schluss dieses Tongemäldes segelt der grosse, dunkle Vogel über der Landschaft, von Sinfonietta und Solistin beeindruckend evoziert.

Rütsche verlangte dem Orchester volle Präsenz ab

Der zweite Teil nach der Pause beginnt mit der Ouvertüre zu Gaetano Donizettis 1843 komponierter Oper «Don Pasquale». Theatralisch ist schon der Beginn: Hörner stimmen das Motto an, fast beklemmend geben Bässe und Geigen mit Flageolettgriffen den Herzschlag-Rhythmus an. Bis dann wiederum ein dramatischer Sturm mit Blitz und Donner einbricht, dem dann scheinbar leichte, volksmusikhafte tänzerische Momente folgen, um wiederum stürmisch voranzugehen. Das Orchester ist auch mit den Pauken, dem Schlagzeug und den Bläsern beinahe ständig im Einsatz. Eigentlich gleicht sie Webers Ouvertüre, einzig mit dem Unterschied, dass es sich «südlicher» anhört.
Zum Abschluss des Konzertes folgt Nino Rotas symphonische Suite zum «Gattopardo», der Verfilmung Lucchino Viscontis von Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman mit Teilen der eigenen Familiengeschichte. Rota (1911 bis 1979) schrieb um die 150 Filmmusiken, die bekanntesten sind wohl für «La Strada» von Fellini und für die «Paten» von Francis Ford Coppola. Weit weniger bekannt ist er als Komponist von Konzertmusik. So komponierte er unter anderem zehn Opern, 23 Ballett- und Bühnenkompositionen und drei Sinfonien. Nun, die Musik zum «Gattopardo» ist typisch für ihr Genre: Sie ist Hintergrundmusik, die dem Geschehen und den darin handelnden Personen eine emotionale Aufladung geben soll. Und das vermittelt Rotas Musik durchaus, sie ist aber − was sie auch nicht sein muss − dramatisch nicht eigenständig, sondern folgt dem Erzählfluss des Films. So häufen sich denn Stürme – diesmal wohl eher geistige als reale äussere – auf leichte Einsprengsel mit dräuenden Harfenspickeln und pathetische Dissonanzen, das Ganze tonmalerisch so farbig wie der Technicolorfilm und auf die Dauer ermüdend, eben weil das dazugehörige Bild fehlt. Für das Orchester eine grosse Herausforderung, weil jedes einzelne der über 40 Orchestermitglieder jederzeit voll, mit ganzem Einsatz präsent sein muss.

Gelassen Richtung Sommerserenade

Und das gilt für das ganze Konzert: Diese Herausforderung durch Emanuel Rütsches Programmablauf wurde angenommen und glückte!
So war der anhaltende Applaus für die Solistin und für die Sinfonietta und deren Dirigenten verdient. Rütsches Schlussbemerkung, dass am 22. Juni die traditionelle Sommerserenade in der reformierten Kirche Höngg aufgeführt werden soll, haben sich die meisten wohl vorgemerkt – im Wissen, dass nach soviel Winterstürmen heitere Gelassenheit nicht fehlen kann.

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