Möwenpick

Auf dem Geländer der Europabrücke sitzen jetzt Dutzende von Lachmöwen. Nähert sich ein Mensch zu Fuss, fliegen sie mit lautem Geschrei auf und davon, um nach kurzer Zeit zurückzukehren. Etwas weiter limmatabwärts sieht man schwimmende Lachmöwen soweit das Auge reicht.

Die Limmat lädt zum Festessen.
Mit Schwimmhäuten sitzt sich’s gut auf breiten Geländern.
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Auf der Höhe der Werdinsel-Badi fliegt ein kleiner Lachmöwen-Trupp limmataufwärts und landet nach etwa 50 Metern. Kaum im Wasser, pickt jede Möwe eifrig drauflos, mal links mal rechts. Dann dreht sie sich um und lässt sich von der Strömung flussabwärts treiben, während sie laufend weiter pickt. Nach einer gewissen Fressstrecke, praktisch zum Nulltarif zurückgelegt, fliegt sie wieder flussaufwärts und das Festessen beginnt von Neuem. Doch was gibt es denn hier mitten im Winter zu picken? Es sind vor allem Eintagsfliegen. Mit ihren mehreren Generationen pro Jahr, sind diese fast immer verfügbar. Die Larve entwickelt sich im Wasser und nach einigen Häutungen schwimmt sie schliesslich an die Wasseroberfläche. Dort zwängt sich ein Subimago aus der Larvenhaut und fliegt an Land, wo es sich bald zur geschlechtsreifen Eintagsfliege häutet. Doch nur die wenigsten der bis zu 6000 Larven, die aus dem Eigelege eines Weibchens schlüpfen, werden je zu Eintagsfliegen. Die meisten von ihnen enden an der Wasseroberfläche, wo sie noch während der Häutung zum Beispiel von Lachmöwen aufgepickt werden. Und weil eine rund 300 Gramm schwere Möwe täglich etwa 140 Gramm Nahrung braucht, verzehrt sie Unmengen der winzigen Larven. Natürlich ernähren sich die Lachmöwen nicht nur von diesen, sondern auch von anderen Insekten, von Krebstieren, Würmern, kleinen Fischen, Pflanzensamen und vielem mehr. Trotzdem scheint es sich für sie jetzt zu lohnen, stundenlang schlüpfende Insektenlarven zu picken. Und Lachmöwen gibt es auf der Limmat momentan soweit das Auge reicht. Allerdings handelt es sich um Wintergäste, die sich schon bald auf den Flug in ihre Brutgebiete in Osteuropa begeben werden. Gleichzeitig werden «unsere» Lachmöwen aus dem Mittelmeerraum zurückkehren. Doch ihre Brutplätze werden ihnen von der seit den 1960er-Jahren einwandernden grossen und kräftigen Mittelmeermöwe zunehmend streitig gemacht. Die landwirtschaftliche Intensivierung führt dazu, dass die Lachmöwen weniger Nahrung für ihre Jungen finden und der Klimawandel könnte ihr Verbreitungsgebiet empfindlich zerstückeln. Sowohl die Winter- als auch die Brutbestände sind hierzulande rückläufig und die Lachmöwe gilt bei uns als stark gefährdet. Hoffentlich hat Larus ridibundus, die ihren Namen den an kreischendes Gelächter erinnernden Schreien verdankt, nicht bald ausgelacht.

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