Dagmar schreibt
Modern Times
Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute darüber, was passiert, wenn sich unsere digitalen Helfer selbstständig machen.
15. November 2025 — Dagmar Schräder
Ich staune ja immer wieder, wozu unsere modernen Geräte in der Lage sind. Ohne mein Mobiltelefon wäre ich komplett aufgeschmissen. Ich könnte keine Rechnungen mehr bezahlen, würde am Morgen verschlafen, Tickets für meine Reisen könnte ich nicht mehr bequem in der App kaufen und wüsste nicht, welches die schnellste ÖV-Verbindung ist. Beim Kochen müsste ich wieder ein Kochbuch benutzen und schliesslich hätte ich auch nicht mehr die Gelegenheit, zu überprüfen, ob meine Kinder nachts sicher nach Hause kommen. Alles altbekannt und Fluch und Segen zugleich.
Aber das soll heute nicht das Thema sein. Mich beschäftigt vielmehr, was mein Handy alles so hinter meinem Rücken anstellt. Dass es öfter mal aus meiner Hosentasche Bekannte und vor allem meine Kinder anruft, ohne dass ich das merke, habe ich schon akzeptiert. Liegt vielleicht auch ein bisschen an meiner Nachlässigkeit, die es versäumt, die Tastensperre einzuschalten. Das ist quasi eine Einladung zu heimlichen Telefongesprächen, auch wenn das Handy meistens ausser blödem Rascheln erstaunlich wenig zu sagen hat.
Manchmal verschickt es aber stattdessen auch per WhatsApp Emojis, da wird’s schon ein bisschen peinlicher. Einmal hat es zum Beispiel meiner Tochter ungefähr 20 «I love you»-Sticker geschickt, nachdem wir kurz gechattet hatten. Meine Tochter hat sich gewundert. Und ich war erleichtert, dass die Empfängerin «nur» sie war und nicht der Zahnarzt, der mich kurz zuvor wegen eines Termins kontaktiert hatte.
Letzte Woche aber, da hat das Handy komplett übertrieben. Ich war gemütlich zu Hause und hab mir ein paar Instagram-Reels angesehen. Nur so zum Zeitvertreib. Plötzlich war der Ton weg. Ich drehte die Lautstärke auf, wechselte zu anderen Videos – nix geschah. Ich probierte es bei Netflix, doch auch hier nur stumme Konversationen. Auch meine Sprachnachrichten konnte ich nicht mehr abhören. Stattdessen fiel mir aber ein dumpfes Gemurmel aus irgendeinem anderen Raum auf. War eines der Kinder am Telefon? Nein, ich war alleine zu Hause. Seltsam. Ich wechselte nochmals zu Instagram und hörte nun tatsächlich den Ton zum Video aus der Ferne erklingen. Aber von wo? Vermutlich war noch einer der Lautsprecher in der Wohnung mit meinem Handy verbunden. Sei’s drum, ich legte das Handy zur Seite und vergass den Vorfall.
Bis mir der Nachbar von oben schrieb: «Hallo Dagmar», las ich, «ich kann deine Sprachnachrichten aus der Deckenlampe meiner Tochter hören.» Daher kamen also die dumpfen Geräusche – von der Wohnung über mir!
Mein Handy hatte sich erdreistet, sich via Bluetooth mit der Lautsprecherlampe der Nachbarn zu verbinden! Unaufgefordert. Und schlimmer noch, ich hatte nicht mal die Chance, die Verbindung zu trennen, denn in der Liste der verbundenen Geräte war keine Lautsprecherlampe zu erkennen.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als mein Handy zu packen, fluchtartig die Wohnung zu verlassen und so die Verbindung zwischen den Geräten zu trennen. Zum Glück haben die beiden seither keinen Versuch mehr unternommen, sich zusammenzuschliessen. Aber ein gewisses Misstrauen ist geblieben. Wer weiss, was das Gerät sonst noch so ausheckt!




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