Mit Hochhäusern verdichten?

Die neuen Hochhausrichtlinien der Stadt Zürich waren an dieser Stelle bereits Thema. Das blieb nicht ohne Reaktion: Eine Gruppe von Architekten und Ingenieuren hat sich bei der Redaktion gemeldet und ihren Unmut über die Pläne zum Bau von Hochhäusern geäussert.

Auch in Höngg stehen Hochhäuser: Hier zwei an der Riedhofstrasse. (Foto: pen)

Wer sich ein wenig mit Städteplanung und Wohnraumpolitik auseinandersetzt, kommt um sie nicht herum: die Hochhäuser. Rund 300 Gebäude mit einer Höhe über 25 Meter stehen momentan in Zürich, gerade wurden die Hochhausrichtlinien aktualisiert (der «Höngger» berichtete). Und der Bau in die Höhe polarisiert: Über kaum ein anderes Bauprojekt wird so intensiv diskutiert und gestritten wie über geplante Hochhäuser.

Dabei ist die Idee nicht neu: Auf Stadtgebiet entstanden bereits in den 1950er-Jahren die ersten Hochhäuser, bis Ende der 1970er-Jahre wuchs ihre Zahl auf rund 150 Gebäude an. Auch in Höngg wurden Hochhäuser gebaut: So steht im Frankental das 1962 erbaute, achtgeschossige Hochhaus der «Wohnsiedlung Frankental».

Drei Jahre nach dessen Erbauung wurde der Bau des «Krankenheims Bombach», des heutigen Gesundheitszentrums für das Alter, fertiggestellt. Auch die Wohnhochhäuser im Riedhof wurden fast zur gleichen Zeit gebaut. 1975 und 1985 gesellten sich ebenfalls an der Riedhofstrasse zwei Wohnhochhäuser dazu. Sie sollten die vorerst letzten im Quartier bleiben.  

Doch schon damals wurden hohe Bauten äusserst kontrovers diskutiert. Das Wohnen in Hochhäusern war verpönt, die Bauten galten vielen als Schandfleck. Auch in Höngg regte sich gegen die Bauvorhaben im Bombach und im Riedhof starker Widerstand, wie unter anderem dem Archiv dieser Zeitung zu entnehmen ist. Von einem «Faustschlag ins Gesicht», von «Verschandelung» ist da in den Leserbriefen zu lesen.

Diese Widerstände führten wohl auch dazu, dass in den 1980er und 1990er-Jahren, wie die Stadt in ihrem Bericht zu den Hochhausrichtlinien schreibt, nur sehr wenige hohe Bauten entstanden. 1984 stimmten die Zürcher Stimmberechtigten sogar einem Hochhausverbot zu, welches die Bauten in der Innenstadt zwischen Limmat und Sihl untersagte. Erst «mit der Reurbanisierung und einem erneuten Stadtwachstum seit den 2000er-Jahren» begann, so die Stadt, eine neue Phase des Hochhausbaus.

Der rechtliche Rahmen

Den rechtlichen Rahmen für die Bauvorhaben bilden Raumplanungsgesetze und Richtpläne von Bund, Kantonen und Kommunen. Diese sehen vor, der zunehmenden Zersiedelung aufgrund wachsender Städte durch Siedlungsentwicklung nach innen, also Verdichtung, entgegenzuwirken. Das soll innerhalb der Städte für mehr Wohnraum sorgen.

Konkretisiert werden die Vorgaben der Richtpläne durch die Bau- und Zonenordnung, welche die zulässige Bau- und Nutzungsweise der Grundstücke regelt. Die neuen Hochhausrichtlinien wiederum sind ein Bestandteil dieser Bau- und Zonenordnung. Diese sehen innerhalb bestimmter Zonen den Bau von Hochhäusern als geeignetes städteplanerisches Element vor und definieren Gebiete, in denen dies möglich ist. Insbesondere in Altstetten und im Industriequartier nördlich der Gleise sowie in Oerlikon ist demnach der Bau von Hochhäusern bis zu einer Höhe von 80 Metern möglich.

Energiebilanz von Hochhäusern nachteilig

Es sind Pläne wie diese, gegen die sich die Architekten und Ingenieure der Arbeitsgruppe Raumplanung wehren – unter anderem mit einem Schreiben an den «Höngger». Sie halten den Bau von Hochhäusern aus gestalterischen, ökologischen, sozialen und rechtlichen Gründen für eine unbefriedigende Lösung.

Ökologisch, so erklären die beiden Mitglieder der Arbeitsgruppe, der Höngger ETH-Ingenieur Norbert Novotny und der Architekt Heinrich Frei, wiesen Hochhäuser gegenüber «liegenden Gebäuden» eine negative Bilanz auf. So seien sowohl die graue Energie, also die nicht erneuerbare Energie, welche für die Produktion der Bauteile, den Transport und den Bau aufgewendet werden muss, als auch die CO2-Bilanz eines Hochhauses im Vergleich zu niedrigeren Bauten um ein Vielfaches höher.

Ökologisch nachteilig seien zudem die Verdrängung von Grundwasser durch die Fundamentvergrösserung infolge der statischen Erfordernisse eines Hochhauses, die Veränderung der Windströme und die Entstehung von Hitzezonen rund um die Gebäude.

Gegen den Bau von Hochhäusern spreche aufgrund der Energiebilanz auch die rechtliche Situation: «Die Stadt Zürich hat die 2000-Watt-Gesellschaft in ihrer Gemeindeordnung verankert. Der Bau von Hochhäusern widerspricht dieser Vorgabe jedoch massiv aufgrund der erläuterten ökologischen Auswirkungen», erklärt Novotny.

Stichwort Gentrifizierung

Auch im sozialen Bereich schaffe der Gebäudetyp Probleme: Er führe zu einer weiteren Gentrifizierung innerstädtischer Wohnquartiere. Denn der Wohnraum sei hier infolge der hohen Baukosten viel teurer als in flacheren Bauten. Das mache die Wohnungen für weniger gut Verdienende unerschwinglich.

Zudem werde der verfügbare Wohnraum pro Stockwerk mit zunehmender Höhe immer kleiner, weil die für die Erschliessung notwendige Fläche durch Treppenhäuser, Lifte, Haustechnik und Brandschutz immer grösser werde. Der Ausnützungsgewinn gehe durch diese Fakten wieder verloren.

Für Familien mit Kindern seien Wohnungen in Hochhäusern ohnehin wenig geeignet: «Der Weg bis zum Aussenraum ist viel zu lang, kleine Kinder können diesen kaum selbständig bewältigen», so Novotny und Frei. Die vertikale Struktur des Gebäudes erschwere generell die Sozialkontakte unter Bewohnenden. Die Folge: Es würden eher gutverdienende Singles oder kinderlose Paare in Hochhäusern leben.

Blockrandüberbauungen als Alternative?

Und schliesslich geht es auch um das Stadtbild: Bei dem von ihr erarbeiteten Verdichtungsplan, so Novotny und Frei, habe die Stadt kein Bild von der zukünftigen Skyline. Sie befürchten, dass das Stadtbild durch weitere Hochhäuser verloren gehe.

Wie aber soll stattdessen sinnvoll verdichtet werden? Diese Frage wird wohl noch geraume Zeit für Diskussionen sorgen. Als Beispiel für eine von ihnen favorisierte Alternative nennen die beiden Fachleute die geplante Siedlung an der Grubenackerstrasse. Hier wurde von den Anwohner*innen mit Hilfe eines Stadtplaners ein Gegenmodell zu der von der Stadt geplanten Siedlung entworfen. Dieses sieht statt Wohnhochhäusern Blockrandbebauungen mit kleinteiligeren Strukturen vor.

Dabei sei, so Novotny und Frei, die Ausnützungsziffer der Blockrandbebauung dieselbe wie mit den ursprünglich geplanten Hochhäusern, Graue Energie, CO2-Emissionen und Baukosten aber wesentlich tiefer.

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