Mit dem König auf Du und Du

Wer Meister Yaw Hwa Chin in den Trainingsräumlichkeiten des Asia Budo Center am Meierhofplatz besucht, ahnt nicht, welche Berühmtheiten der Lehrer der Kampfkünste in seinem Leben getroffen und unterrichtet hat. Doch Meister Yaw bleibt bescheiden.

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Meister Yaw Hwa Chin: Kampfsport als Lebensphilosophie
Der frühere Malaysische König Tuanku Syed Sirajuddin ehrt Meister Yaw Hwa Chin.
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Es war in den 70er-Jahren, als der junge Yaw Hwa Chin mit seinem Karatelehrer nach Indien aufbrach, um die Kampfkunst zu lehren. Seine Brüder und Schwestern liess er mit den Eltern in Malaysia zurück, wo sie ein Restaurant betrieben. Ihn selber hatte es schon immer in die weite Welt gezogen und so reisten sie von Indien weiter nach Deutschland und schliesslich in die Schweiz. Eigentlich hätte er gerne Australien und Südamerika besucht, doch als er an einem sonnigen Tag im Jahr 1976 am Bürkliplatz stand und über den See zu den Bergen blickte, wusste er: Hier würde er bleiben.

40 Jahre in Zürich und 20 Jahre in Höngg

Am 1. Oktober 1980 eröffnete Yaw im Kreis 6 seine erste Kampfsportschule «Asia Sport Center». Damals lagen Kung-Fu und Karate hoch im Trend. Schauspieler wie Bruce Lee und Jackie Chan wurden auch in Europa gefeiert und inspirierten viele dazu, die elegante Kunst der Selbstverteidigung zu lernen. Während es damals vor allem Erwachsene waren, die seine Stunden besuchten, machen heute Kinder die überwiegende Mehrheit seiner Schülerinnen und Schüler aus. Entsprechend eng arbeitet er und sein Mitarbeiter im Asia Budo Center mit Jugend und Sport zusammen und besuchen regelmässig Weiterbildungen. Wie Yaw zum Kampfsport kam und nicht beim Fussball oder Basketball, das er auch spielte, blieb? «Als Kind war ich eher klein und schmal und kam manchmal unter die Räder», erzählt der Meister, der heute noch eher zierlich wirkt. Um Selbstbewusstsein zu erlangen, fing er mit Karate an. Doch geprügelt habe er sich in den 50 Jahren, in denen er Kampfsport macht, noch nie. «Im Gegenteil: Wir lernen ja, uns eben nicht zu schlagen, sondern respektvoll und geduldig miteinander umzugehen», erklärt Yaw. Wer dennoch Dampf ablassen will, kann die Kampftrainings besuchen, in denen kontrolliert und technisch gegeneinander angetreten wird. «Das ist sicherlich eine gute Idee, denn da lernt man gleich, wie weh es tut, wenn man einmal einstecken muss», lacht Yaw verschmitzt. Für ihn ist der Kampfsport schon lange weit mehr als nur ein Sport, er ist zu einer Lebensphilosophie geworden. Er freut sich jeden Tag darauf, auf die Matten zu stehen und Karate, Kung-Fu oder Tai Chi zu vermitteln. Deshalb kommt es für ihn auch nicht in Frage, damit aufzuhören, «man ist ja ein Vorbild für andere, wenn man im Alter noch fit ist».

Immer auf dem Boden bleiben

In Höngg eröffnete Yaw sein zweites Studio schliesslich im Jahr 2000. Wer sich ins Untergeschoss des Gebäudes am Meierhofplatz begibt, wo sich früher «Schrübli Meier» befand, ahnt nicht, wen Meister Yaw alles zu seinen Schülerinnen und Schülern zählen durfte. «Kennst Du die Deep Purple?», fragt er beiläufig. Deren Leibwächter habe bei ihm den Schwarzen Gürtel gemacht und so habe er die Musiker der Band und deren Familien kennengelernt. Einige der Mitglieder wurden ebenfalls seine Schüler. Bei dem 2001 verstorbenen Beatle George Harrison war er schon zu Besuch, denn dessen Frau bestand darauf, ausschliesslich von ihm in Tai Chi unterrichtete zu werden. Also flog der Meister ein paar Mal im Jahr zu ihr nach England ins Schloss. «Ich sagte ihr, es gäbe ganz bestimmt genügend Lehrer in London, aber sie wollte nichts davon wissen», lacht Yaw. Ein bisschen stolz ist er sicher, dass berühmte Menschen von ihm unterrichtet werden wollten, aber das ist noch lange kein Grund für den Meister, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Klar, als junger Mann habe er bestimmt einmal davon geträumt, ein berühmter Mann wie Bruce Lee zu werden und in Hollywood oder Hong Kong Karriere zu machen. Bald habe er jedoch gemerkt, dass er in Zürich am richtigen Ort war und ist heute noch sehr zufrieden mit seiner Wahl. Neben späteren Superstars wie dem Schauspieler Christoph Waltz unterrichtete er in seiner 40-jährigen Karriere auch Handwerker, Strassenarbeiter und Direktor*innen. Mit der Familie des früheren malaysischen Königs Tuanku Syed Sirajuddin verbindet ihn eine lange Freundschaft, davon zeugen zahlreiche Fotografien, die er im Studio aufgehängt hat. «Alle diese Begegnungen geben mir sehr viel und machen mich zu einem der glücklichsten Menschen, denn ich liebe meine Arbeit», sagt Yaw. Vielleicht hat die positive Einstellung zum Leben auch etwas mit seinem buddhistischen Glauben zu tun. «In Europa sagt man: Du erntest, was Du säst», sagt er. «Im Buddhismus gibt es eine ganz ähnliche Aussage: Wenn ich positive Energie aussende, kommt sie zu mir zurück. Es nennt sich Karma». Diese Philosophie weitergeben zu können, ohne bekehren zu wollen, ist ihm genauso wichtig, wie der Sport selber. «Es geht eigentlich nicht so sehr darum, was man lernt, sondern dass man lernt», meint der Meister weise. Natürlich brauche es Zeit, aber auch Rom wurde nicht an einem Tag gebaut. Im Umgang mit seinen Schützlingen ist er im Alter etwas nachsichtiger geworden, aber Konsequenz und Disziplin gehören zum Training dazu. «Wenn jemand keine Lust hat, sich zu konzentrieren, schicke ich ihn oder sie auch schon mal nach Hause», sagt Yaw. «Wie sonst soll man Respekt lernen?

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