«Mit 70 gibt man Kommissionsämter ab»

Beat Frey war zehn Jahre lang Präsident der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg. Was bitte? Verzeihung: Präsident des Ortsmuseums Höngg. Nun hat er sein Amt abgegeben und ist in die Reihe der Teammitglieder zurückgetreten.

Beat Frey gibt als Präsident den Schlüssel des Ortsmuseums nach zehn Jahren ab.

Der reine «Gwunder» hatte Beat Frey 1999 an eine Teamversammlung des Ortsmuseums gelockt. Dort suchte man gerade jemanden, der die nächste Kunstausstellung organisieren würde. Er, der Historiker, der am Gymnasium Dübendorf Latein unterrichtete, hatte eben dort 1991 eine Ausstellung zur 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft konzipiert und liess sich auch von den Hönggern animieren. Auf die erste folgten weitere Ausstellungen im «Haus zum Chranz», und in der Folge wurde Frey 2007 zum Präsidenten des Ortsmuseums gewählt. Zehn Jahre später sitzt er in dessen Stube und blickt auf seine Amtszeit zurück. Und auf die Leistungen «seines» Teams, das er in den Schilderungen nie zu nennen vergisst. «Keine Sonderausstellung», so nennt er das Beispiel, «kommt ohne die grosse Hilfe vieler Beteiligter zustande. Von der Finanzplanung bis hin zum Einrichten und der Betreuung der Besuchenden braucht es Helfende». In seiner Amtszeit fand, was er wichtig findet, jährlich eine Sonderausstellung statt. Zum Beispiel die Fotoausstellungen mit Bildern aus alter Zeit, jene zu den Grabungen im Heizenholz oder aktuell die zum Künstlerpaar Rüegg.
Zwei weitere Projekte, die Frey zu Beginn seiner Amtszeit an die Hand genommen hatte, wurden verwirklicht: Der Sitzplatz hinter dem Haus, dort wo die Kaninchenställe standen, und die Neugestaltung des sogenannten «Kirchenzimmers». Der Sitzplatz muss noch in den Museumsbetrieb integriert werden. Das «Kirchenzimmer» wurde inhaltlich vollständig revidiert und neu in kleinen Modulen aufgebaut. Diese können ohne grossen Aufwand modifiziert, aktualisiert oder disloziert werden. Das, so hofft Frey, gehe auch künftig so weiter in dem Museum, das als Schöpfung einer engagierten Gruppe von Hönggerinnen und Hönggern entstand und 1977 am heutigen Standort ein Zuhause fand. Sie wussten genau Bescheid über jedes Objekt, das sie in die Sammlung und die permanente Ausstellung aufnahmen. Doch diese Leute sind weg, nicht mehr aktiv oder leider verstorben. Das Museum sieht sich vor die Aufgabe gestellt, das damals vorhandene und gut dokumentierte Wissen zu reaktivieren und zu den Objekten zu bringen: «Die Informationen müsste man mit modernen IT-Mitteln präsentieren», sieht Frey die Herausforderung. Erste Schritte sind getan: Für die grosse Weinbauvitrine steht bereits ein Programm, das eigentlich «nur» noch aufgeschaltet werden muss. «Dieses System müssen wir ausbauen. Andere Museen arbeiten mit Touchscreens oder geben den Besuchern Tablets oder Audioguides mit. Etwas in dieser Richtung müssen wir machen. Die Finanzen dafür lassen sich organisieren, doch bei der Zeit und dem Personal, das all die Daten aufbereitet, da haben wir einen Engpass». Und dabei sei die permanente Ausstellung doch das Herzstück des Hauses: «Fast jeder Höngger hat schon mal von ihr gehört und jeder Zehnte hat sie einmal besucht – und das war es denn auch. Wenn wir aber Führungen oder elektronisch geführte Rundgänge anbieten könnten, dann kämen die Leute mehrfach, weil man bei einem Rundgang gar nicht alles aufnehmen kann». Frey weist als Beispiel auf ein altes Bügeleisen hin, an dem achtlos vorbeigegangen werde: «Wenn man aber erklärt, wie das genau funktionierte, dann machen die meisten grosse Augen».

Bescheidene Finanzen

Nebst dem Personal und der Zeit sind die Finanzen immer wieder ein Thema. «Wie alle Institutionen sind wir knapp an Geld, doch für gut präsentierte Projekte lassen sich zum Beispiel bei Stiftungen Gelder auftreiben», sagt Frey. Den Grundstock jedoch bilden die rund 12’000 Franken an jährlichen Gönnerbeiträgen. Die Stadt Zürich, die eben dieses Haus einst erworben hatte, um es abzureissen und die Gsteigstrasse auszubauen, beteiligt sich mit weiteren 10’000 Franken für den Betrieb und die Publikationstätigkeit (siehe Infobox). Damit und mit ausserordentlichen Sponsorenbeiträgen, vor allem aber auch dank vielen unentgeltlichen Leistungen wurde es möglich, die Aktivitäten des Museums ohne grosse Beanspruchung der finanziellen Reserven durchzuführen. Das Haus selbst ist im Besitz der Stadt und kann gratis genutzt werden, das Ortsmuseum bezahlt nur eine symbolische Pacht für den Rebberg «zum Chranz», den die Rebbaugruppe des Ortsmuseums bewirtschaftet.

Klares Sammlungskonzept

Besonders am Herzen lag Beat Frey das Sammlungskonzept: «Das umfasst aber nur eine A4-Seite», lacht Frey, «und funktioniert trotzdem. Dutzende von Seiten Text bringen keine grössere Klarheit». Die Kernaussage des Höngger Konzepts: «Gesammelt wird alles, was zur Geschichte Hönggs relevant ist und in eine solche Sammlung aufgenommen werden kann». Fast wichtiger aber ist, was nicht aufgenommen wird: Ausgeschlossen sind Gegenstände, die keinen Bezug zu Höngg haben, denn nur weil etwas alt ist, gehört es noch lange nicht ins Museum. Die Geschichte des Sammlungsgutes oder jene seiner Besitzer muss mit Höngg verbunden und bedeutend sein. Eine zeitliche Begrenzung kenne man hingegen nicht, und so habe man Artefakte vom Steinbeil bis in die Neuzeit. «Das Museum entstand als Nostalgiemuseum, doch Geschichte hört ja nicht irgendwann auf. Wichtig ist einzig die Objekt- oder Geschichtsrelevanz», so seine Überzeugung. Und so fand auch der riesige alte Lautsprecher des Martin-Cups Aufnahme, auch wenn dies intern auf Kritik stiess. Sicher nicht ins Ortsmuseum gehören dagegen Alltagsgegenstände aus der Neuzeit: «Eine Küchenwaage von heute gehört allenfalls in ein Designmuseum, nur eine wirklich alte gehörte zu uns – wenn wir sie denn nicht schon hätten». Und dann wären da noch jene Dokumente oder Gegenstände, die ins Staats- oder Stadtarchiv oder in andere Museen gehören. Von Dokumenten behält Höngg eine Kopie und Gegenstände erhält man manchmal als Leihgabe zurück – oder als Replik, wie im Fall der Keramikgefässe aus den Grabhügeln im Heizenholz, von denen das Landesmuseum extra für Höngg einige anfertigte. Nicht vergessen dürfe man Foto- oder Schriftdokumente. Man sei an Archiven von aufgelösten Vereinen sehr interessiert. So warte zum Beispiel eine grosse Schachtel mit Pokalen und Akten des längst aufgelösten Harmonikavereins darauf, dass jemand die Geschichte des Vereins aufarbeitet.
Für die Annahme von neuen Museumsobjekten ist ein formelles Verfahren eingeführt, das sich bewährt hat. Registriert wird alles: Was, von wem, woher … – und es wird fotografisch dokumentiert. In den Anfängen existierten verschiedene Verzeichnisse, die unterdessen zusammengeführt wurden. Rätselhaft – und für das Museum eigentlich etwas peinlich – ist der unbekannte Verbleib des ersten grossen Registraturbuches – «das rote Buch» –, in dem die ersten Gegenstände des Museums und ihre Herkunft aufgelistet waren. Es ist schon im letzten Jahrhundert verschwunden und nie mehr aufgetaucht. «Das ist natürlich ein riesiger Verlust», so Frey, «aber heute existiert wenigstens wieder ein komplettes Inventar».

Zurück ins Team

So erzählt Beat Frey über seine zehn präsidialen Jahre und in allem was er berichtet, liegt auch immer ein Ausblick. Ja, er bleibt im Team, wird sich aber künftig mehr auf die Objektpflege konzentrieren, in der Werkstatt arbeiten oder einspringen, wenn man ihn braucht. «Mein Vater gab mit 70 alle seine Kommissionsämter ab, das sei normal, fand er – und ich schliesse mich dem nun an», sagt Frey überzeugt. Man müsse Platz lassen für neue Ideen. So gab er nun die Leitung mit dem gutem Gefühl ab, «den Laden», wie er charmant-salopp sagt, «in gutem Zustand zu übergeben». Und er ist überzeugt, dass die Leute, die sich weiter engagieren, gute Ideen haben und gute Arbeit leisten. Am 11. Mai fand die Generalversammlung des Verschönerungsvereins statt, zu dem die Ortsgeschichtliche Kommission gehört. In den Ausschuss für das Ortsmuseum wurden zwei neue Mitglieder gewählt. Wie dieser sich konstituieren und wer neuer Präsident werden wird, das muss noch ausgemacht werden.

Das Pflichtenheft der Ortsgeschichtlichen Kommission schreibt auch Forschungen über die Höngger Geschichte und deren Publikation vor. Es ist gelungen, die Reihe der «Mitteilungen» bis heute zur 54. Ausgabe fortzuführen – erhältlich auch im Infozentrum des «Hönggers» am Meierhofplatz 2. Weiterhin Autoren zu finden und deren Arbeiten in einer geeigneten Form dem Publikum zu präsentieren, wird eine der Aufgaben der nächsten Jahre sein.

Das Ortsmuseum hat seit letztem Jahr eine Internetseite:
www. museum-hoengg.ch
Kontaktstelle ist Beat Zürcher, Telefon 044 341 81 44, beat.zuercher@swissonline.ch

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