Meister der Grautöne

Er stakst am Limmatufer, im Zeitlupentempo ein Bein vor das andere setzend und starrt mit gekrümmtem Hals ins seichte Wasser. Doch plötzlich geht alles blitzschnell: Der Kopf schnellt herunter, mit dem langen Pinzetten-Schnabel packt der Reiher einen Fisch und schwupp – ist er am Stück verschluckt.

Knapp 2 kg schwer und eine Spannweite bis 175 cm. (Fotos: Dr. Hans-Peter B. Stutz)
1/2

Früher vor allem im Volksmund «Fischreiher» genannt, hat sich inzwischen der Name Graureiher durchgesetzt. Denn diese Vögel sind wahre Meister der Farbe Grau und zudem ernähren sie sich nicht nur von Fischen. Dies erlebte ich letzten Frühling, als ich einen Graureiher am Waldweiher bei der Huberwiesenstrasse lauern sah. Er stach immer wieder zu und packte einen Molch nach dem anderen. Das freute mich nicht wahnsinnig, aber so ist die Natur eben, und Amphibien stehen halt auch auf dem Speiseplan des Reihers. Ein anderer steht seit einiger Zeit auf dem Feld links der Strasse Richtung Regensdorf nach dem Grünwald. Hier macht er das, was viele seiner Art auch tun: er maust. Erwischt er eine Schermaus, würgt er sie bei lebendigem Leib hinunter. Dabei spickt er den Kopf vor- und rückwärts, schleudert den fetten Nager in den Schlund und in Form einer Halsverdickung sieht man diesen langsam, aber sicher Richtung Magen verschwinden. Mit der Schermaus ist der nur 1,5 bis zwei Kilogramm leichte Vogel dann 100 Gramm schwerer.

Grau in allen Tönen.
Grau in allen Tönen. (Fotos: Dr. Hans-Peter B. Stutz)

Danach schreitet er ein paar Schritte mit ausgebreiteten Flügeln, hebt ab und fliegt davon, den Hals s-förmig gekrümmt, den Kopf zwischen die Schultern zurückgezogen. Im Flug erreicht er eine eindrückliche Spannweite von über eineinhalb Metern und zeigt dabei seine ganze Palette an Grautönen. Ähnlich wie unsere Haare werden auch seine Federn eingefärbt. Die Hauteinstülpung, aus der die Feder wächst, ist mit federbildendem Epithel ausgekleidet und darin ist so quasi auch das «Strickmuster» für die Zeichnung der Feder verankert. Soll die Feder schwarz werden, lagert das Epithel laufend und viel des schwarzen Pigments Melanin in die stetig auswachsende Feder ein. Für graue Federn wird entsprechend weniger Melanin pro Zeit abgegeben, je weniger umso hellgrauer wird die Feder. Weisse Federn enthalten kein Melanin. Auch innerhalb einer Feder kann die Farbe variieren, mal grau in allen Schattierungen, mal weiss, mal schwarz. Und all dies können wir beim Graureiher bewundern. Dem weissen Scheitel folgt ein schwarzer Augenstreifen, drei lange schwarze Federn schmücken den Hinterkopf. Am sehr hellgrauen Hals sind weisse Federn von Streifen schwarzer umgeben. Die Flügel haben dunkelgraue Schwungfedern und helle graue Deckfedern. Die kurzen Schwanzfedern sind hellgrau mit teilweise weissem Anteil. Allerdings gibt es individuelle Unterschiede in der Färbung und auch altersbedingte. Trotzdem sind Graureiher bereits in ihrer Jugend grau und nicht erst im hohen Alter von bis zu 35 Jahren. Zudem sind Männchen und Weibchen aufgrund der Färbung nicht zu unterscheiden und trotz ihrer vielen Grauschattierungen leben sie im Gegensatz zu «Fifty Shades of Grey» monogam, in Einehe.

Auf Mausjagd beim Grünwald.
Auf Mausjagd beim Grünwald. (Fotos: Dr. Hans-Peter B. Stutz)

0 Kommentare


Themen entdecken