«Manchmal muss man den Schritt nach vorne wagen»

Vor 125 Jahren gründeten die Brüder Paul und Emil Zweifel ihr Familienunternehmen «Gebrüder Zweifel» in Höngg. Ihr Nachfahre, der Oenologe Urs Zweifel, spricht im Interview über das Jubiläum und über die Herausforderungen in der Zukunft.

Der Citywinzer und Oenologe Urs Zweifel auf der Terrasse seiner Weinbeiz in Höngg. (Foto: dad)

Der Name Zweifel ist untrennbar mit Wein und Pommes-Chips verbunden. Er steht auch für ein Unternehmen, das jüngst einen Meilenstein feierte: das 125-Jahr-Jubiläum. Während die Zweifel Pomy-Chips im Jahr 1958 aus der damaligen Höngger Mosterei hervorgingen, behauptet sich heute Zweifel 1898 im Weingeschäft sowie in der Gastronomie.

Insgesamt sind rund 800 Mitarbeitende für die Familienunternehmen der Zweifel-Holding im Einsatz. Zeit für einen Rück- und Ausblick mit Urs Zweifel (53), der als Citywinzer und Oenologe das Höngger Familienunternehmen mit seinem Bruder Walter Zweifel in der vierten Generation leitet.

Urs Zweifel, wie nehmen Sie als Unternehmer das Jubiläum wahr?

Urs Zweifel: Es ist durchaus Ehrfurcht vorhanden, wenn wir an unsere Vorväter Paul und Emil Zweifel denken, die das Unternehmen gegründet haben. Beide realisierten, dass sobald ein Tram von der Stadt nach Höngg fahren wird, sich der Ort entwickeln würde. Die Brüder begannen neben dem Rebbauernbetrieb mit dem Handel von Weinen und der Produktion von Obstsäften. Es war eine herausfordernde Zeit, die Globalisierung schritt voran und die einheimischen Reben wurden durch eingeschleppte Krankheiten bedrängt. Schaue ich in die Familienchronik, wird mir bewusst, dass unsere Vorfahren immer wieder Neues wagten und sich entwickelten. Etwa mit der Pasteurisierung von Most. Und unser Grossvater begann mit der Produktion von Apfelessig, das war neu.

Ist diese stetige Weiterentwicklung auch heute das Credo des Familienunternehmens?

Ja, wir bleiben nicht stehen und investieren immer wieder in die Zukunft, sei es in andere Firmen oder in die Logistik. Die Frage des elektrischen Transports wird immer wichtiger. Zudem haben wir eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und produzieren unseren eigenen Strom. Natürlich denken wir unsere Vorhaben genau durch, aber manchmal muss man den Schritt nach vorne wagen.

Gab es in diesen 125 Jahren auch Rückschläge für das Unternehmen?

Es gab einige: etwa die Ölkrise in den 1970er-Jahren, die unseren Neubau der Zweifel Pomy-Chips in Spreitenbach beeinträchtigte. Weiter hatten die Nachwirkungen der Terroranschläge vom 11. September einen grossen Einfluss auf den Import. Damals brach der ganze Markt für Neue-Welt-Weine ein. Ein Markt, der heute wiederum in der Kritik steht, aber vordergründig aus ökologischen Gründen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man südspanischen oder australischen Wein trinkt, die CO2-Bilanz ist etwa dieselbe.

Kann die Verantwortung für ein Familienunternehmen auch eine Bürde sein?

Sagen wir es so: Als ich ein Teenager war, wollte ich etwas Eigenes machen und war zunächst in der IT-Branche tätig. In unserer Familie gab es glücklicherweise keinen Zwang, wir konnten frei über unsere Zukunft entscheiden. Eines Tages wurde mir aber bewusst, welche enormen Möglichkeiten mir der Familienbetrieb bot. Zudem wollte ich wieder im Freien arbeiten und kreativ sein.

Inwiefern ist das Weinbusiness kreativ? 

Das beginnt bereits beim Traubensetzen, geht weiter mit dem Kultivieren der Reben und dem Herstellen des Weins, dann die Wahl der Verpackung und das Marketing. Das ist sehr kreativ.

Arbeiten Sie auch heute noch viel im Freien?

Nicht mehr so viel, das gebe ich zu. Aber ich setze mich immer noch auf den Traktor, erledige gewisse Arbeiten in den Rebbergen, auch wenn ich nicht mehr ganz so schnell bin wie meine Mitarbeitenden.

Mit welchen Herausforderungen werden Sie in Zukunft rechnen müssen?

Die Klimaerwärmung und das damit verbundene Bewässern der jüngeren Reben wird uns beschäftigen. Allgemein sind es sicher auch die immer häufiger werdenden Vorgaben, welche die Politik erlässt. Etwa jene Regeln über den Lärm von Landwirtschaftsgeräten. Inmitten dieser Vorgaben zu arbeiten, wird zunehmend schwieriger.

Sind Bio-Weine auch eine Forderung?

Nein, Bio ist ein Segment, aber es gibt keine Forderungen. In der Diskussion um die Pestizide wurde klar, dass Bio nicht unbedingt besser ist. Nur ein Beispiel: Auf unseren Höngger Rebbergen weiden Schafe, dort Kupfer zu spritzen, das im ökologischen Landbau zur Bekämpfung von Schädlingen eingesetzt wird, wäre Gift für die Tiere. Anders ist es bei der Nachhaltigkeit, darauf wird geachtet. Wir waren beispielsweise die Ersten, welche die Rebberge begrünt haben. Und wir setzten lieber neue und pilzwiderstandsfähige Sorten, um noch nachhaltiger zu werden.

Zu guter Letzt: Welcher Wein wird in diesem Sommer getrunken?

Rosé-Weine sind nach wie vor sehr beliebt, auch Prosecco und Sekt bleiben im Trend.  

Vielen Dank für das Interview.

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