Stadt
Lieber ein Schrecken mit Ende. . .?
Am Montag informierte die Stadt über das Bauprojekt Höngger-/Limmattalstrasse. Es gab nichts schön zu reden. Am Ende schien dennoch fast allen klar zu sein, dass man nicht darum herum kommen wird.
31. März 2022 — Patricia Senn
Als Stadtrat Richard Wolff um 18.30 Uhr ans Mikrofon trat, hatte sich der Saal des Reformierten Kirchgemeindehaus in Wipkingen bis in die hintersten Reihen gefüllt. Neben Wolff, der dem Tiefbau- und Entsorgungsdepartement vorsteht, waren auch Stadtrat Michael Baumer (Industrielle Betriebe) und Gesamtprojektleiter Christian Meier gemeinsam mit weiteren Bauleitern angetreten, um die Anwohner*innen über den Ablauf und die Auswirkungen des Strassenbauprojekts Höngger-/Limmattalstrasse zu informieren. Es handelt sich um ein umfassendes Projekt, was alleine daran zu erkennen ist, dass acht Werke und Ämter involviert sind: Die VBZ, das Tiefbauamt (TAZ), das ERZ, Grün Stadt Zürich, die Wasserversorgung (WVZ), die EWZ, die Dienstabteilung Verkehr (DAV) und der Umwelt- und Gesundheitsschutz (UGZ). Und – auch das wollte niemand unter den Tisch kehren – kein anderes, aktuelles Strassenbauprojekt hat so massive Auswirkungen auf die Anwohnerschaft.
Koordiniertes Bauen
Auslöser für die Bauarbeiten ist die Gleiserneuerung zwischen Wipkingerplatz und Schwert. Die Gleise sind je nach Abschnitt 32 bis 50 Jahre alt. Die Stadt ist bestrebt, Bauvorhaben zu koordinieren und so die Anzahl der Baustellen und die Belastung für die Einwohner*innen zu beschränken. Auf dem betroffenen Perimeter zwischen Wipkingerplatz und Einmündung Ottenbergstrasse muss neben den Gleisen auch der Strassenbelag erneuert werden. Dazu kommt der hindernisfreie Ausbau der Tramhaltestellen «Alte Trotte», «Eschergutweg» und «Waidfussweg» sowie die Erneuerung der Abwasserkanäle und der Wasser-, Gas- und Stromversorgungsleitungen. Nach Abschluss des Projektes werde die Bevölkerung von mehr Bäumen, mehr Aufenthaltsqualität, weniger Lärm und einem neuen Velostreifen profitieren können, bemühte sich Stadtrat Wolff die positiven Aspekte hervorzuheben, bevor es schliesslich nur noch um die Einschränkungen ging. Denn bevor es besser wird, wird es erst einmal schlechter.
Ein Ersatzbus und zusätzliche 46er-Kurse
«Ohne Gleise kein öffentlicher Verkehr», eine simple Gleichung, mit der Stadtrat Michael Baumer in seine Ausführungen einstieg. Diese müssten nicht nur ersetzt, sondern von 2,8 auf 3 Meter gespreizt werden, weil die neuen Fahrzeuge Cobra und Flexity breiter sind, was zu Problemen beim Kreuzen führe, so Baumer. Da sich einige Werkleitungen und Kanäle direkt unter den Tramgleisen befinden, kann auch während derer Erneuerung und Sanierung der Verkehr nicht aufrechterhalten werden. Um die Bauzeit so kurz wie möglich zu halten und auch die Nachtarbeit auf ein Minimum zu reduzieren, hat die Stadt entschieden, dass die Einstellung der Tramlinie während 13 Monate der beste Kompromiss sei. Was bedeutet dies im Detail für den öffentlichen Verkehr?
Ab 16. Juli 2022 bis 18. August 2023 verkehrt das 13er-Tram ab Escher-Wyss-Platz wie das 8er-Tram bis Hardturm. Dafür fährt vom Escher-Wyss-Platz im selben Takt, also je nach Betriebszeit alle 7,5, 10 oder 15 Minuten, ein Ersatzbus via Rosengartenstrasse, Nordstrasse, Ottenbergstrasse ins Frankental und zurück. Wenn der Ersatzbus im selben Takt fährt wie das Tram, wird es zwangsläufig zu Kapazitätsengpässen kommen, da Busse ein kleineres Fassungsvermögen haben. Zu Spitzenzeiten ist die Überlastung auf dieser Strecke bereits heute ein Thema. Hier erhofft sich Baumer wohl ein Umsteigen der Passagiere auf die Linie 46. Zu diesem Zweck werden zwischen Central und Wartau zusätzliche Kurse angeboten, sodass der 46er im 3-Minuten-Takt vom Hauptbahnhof nach Höngg fährt. «Sollte die Überlastung trotzdem so gross sein, dass es zu massiven Verspätungen kommt, werden wir selbstverständlich mit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) nach weiteren Lösungen suchen», so der Vorsteher der Industriellen Betriebe.
Stadt will kontinuierlich informieren
Gesamtprojektleiter Christian Meier hat offensichtlich schon mehr als ein grosses Projekt geleitet. Verständlich schilderte er, wie das Projekt genau ablaufen soll. Es wird in drei Abschnitten gebaut, vom Wipkingerplatz bis Waidfussweg, vom Waidfussweg bis Eschergutweg und vom Eschergutweg bis Ottenbergstrasse. Am 2. Mai beginnt die erste Etappe. Das System ist immer dasselbe: Erst werden die tiefliegenden, dann die hochliegenden Werkleitungen wie Wasser, Gas oder EWZ gemacht. Dann werden die Gleise erneuert und den Schluss bildet der Strassenbelag. Ab Januar 2023 soll die Strecke des ersten Abschnitts wieder in beide Richtungen befahrbar sein. Die Details zu den einzelnen Etappen sind auf der Webseite des Tiefbauamts aufgeschaltet (siehe Infobox). Meier hat nachgerechnet: Ohne die Einstellung des Trambetriebs würden sich die Bauarbeiten über vier bis fünfeinhalb Jahre hinziehen. «Das würden Sie nicht ertragen. Wir bitten Sie deshalb um Verständnis, dass wir konzentriert, heftig und schnell bauen werden», meint der Ingenieur. Das bedinge Schichtarbeit inklusive Samstage und teilweise auch Sonntage. Darüber, wann diese und allfällige Nachtarbeiten in den jeweiligen Abschnitten stattfinden, würden die betroffenen Anwohner*innen vorzeitig proaktiv informiert.
Auswirkungen in aller Kürze
Während der ganzen Bauzeit ab 2. Mai gilt stadtauswärts ein Einbahnregime bergwärts. Auf der freien Spur muss auch die Baulogistik abgewickelt werden. Der Transitverkehr wird auf der Höhe des Knotens Limmattal-/Winzerstrasse entweder über die Strasse Am Wasser oder über die Ottenbergstrasse umgeleitet. Die blauen und weissen Parkplätze werden etappenweise aufgehoben. Die Ackersteinstrasse ist für den Motorisierten Individualverkehr (MIV) von Mai bis Dezember 2022 als Sackgasse ausgeschildert, für den Veloverkehr aber durchgehend befahrbar und auch als Velo-Umleitung signalisiert. «Wir bitten die Velofahrenden inständig, die Limmattalstrasse zu umfahren», betont der Gesamtprojektleiter.
Die Liegenschaften seien jederzeit zu Fuss erreichbar, «nur ein kleiner Trost, ich weiss», meinte Meier. Weiter sei die Stadt daran, die Steige von der Limmattalstrasse zur Ottenbergstrasse zu prüfen. Neben dem Waidfussweg, der bereits gut begehbar sei, stehe der Kempfhofsteig im Fokus. Dort werde versucht, die Begehbarkeit mit Rampen und Handläufen zu verbessern. Angedacht ist ausserdem ein Taxi-Shuttledienst ab Alterszentrum Im Sydefädeli für mobilitätseingeschränkte Personen. Das Konzept, das auch einen Gutscheinbezug für Hin- und Rückfahrt zur nächsten Haltestelle beinhaltet, ist jedoch noch nicht spruchreif. «Wir machen uns nichts vor: Es wird Schwierigkeiten geben. Überall, wo sich etwas ändert, gibt es am Anfang Ärger, offene Fragen, Unwohlsein, das ist uns bekannt», so Meier.
Sorge um Sicherheit und Mobilität
Die Fragerunde meisterte Meier quasi im Alleingang. Mehrere Male bat er die Fragenden ihn mit ihrem konkreten Einzelanliegen direkt anzugehen, sobald er vor Ort sei. «Wir machen das nicht zum ersten Mal, wir haben grosse Erfahrung daran, Lösungen zu finden». Auf politische Diskussionen über Tempo 30 oder Parkplätze liess sich der Bauingenieur gar nicht erst ein. Neben Fragen zu Zufahrten zu privaten Parkplätzen und Tiefgaragen während des Einbahnregimes waren insbesondere die Sicherheit und Mobilität ein Thema. So hatte ETH-Ingenieur im Ruhestand und Anwohner Albert Schenkel ausgerechnet, dass bei Beibehaltung des Transportvolumens mit den Ersatzbussen auf der 46er-Strecke zu Stosszeiten die VBZ im Zwei-Minuten-Takt fahren müssten. Das bedeutet, dass auf der engen Ottenbergstrasse jede Minute zwei Busse kreuzen. Die unsichere Situation für Anwohner*innen und Velofahrer*innen würde mit mehr Fahrzeugen der VBZ und dem umgeleiteten MIV noch verschärft. Insgesamt befürchtet der Ingenieur eine erhöhte Anfälligkeit für Unfälle und Notfälle gekoppelt mit einem erschwerten Zugang für Rettungsdienste. Meier gab Schenkel insofern recht, dass es am Anfang sicherlich zu Staus kommen werde. Mit der Zeit erhofft er sich aber, dass die Verkehrsteilnehmer des MIV andere Wege suchen, zumindest sei dies in der Vergangenheit so gewesen. «Fachleute haben sich intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt und sind zum Schluss gekommen, dass es funktionieren sollte», so Meier. Sollte dies aber nicht der Fall sein, werde er dafür sorgen, dass entsprechende Massnahmen ergriffen werden, sowohl auf Seiten DAV wie auch bei den VBZ.
Nicht befriedigend ist das Problem der Anwohner*innen der Ackersteinstrasse gelöst, nicht nur in Bezug auf die Mobilitätseingeschränkten, sondern auch für Personen mit Kinderwagen, schweren Einkäufen oder Koffern. Die VBZ habe den Einsatz eines Shuttlebus geprüft, so Roger Müller VBZ Betriebssteuerung. Man sei sich bewusst, dass es keine Optimal-Lösung gäbe, aber: «Mit den Doppelgelenkbussen kommen wir nicht durch diese Strasse». Der Einsatz von kleineren Bussen sei nicht zuletzt wegen der fehlenden Fahrzeuge nicht möglich. Er sei jedoch zuversichtlich, dass das geplante Konzept mit dem 46er-Bus funktionieren werde.
Zweite Baustelle Meierhofplatz–Zwielplatz
Auch der Quartierverein liess sich diese Informationsveranstaltung nicht entgehen. Präsident Alexander Jäger bezeichnete das Projekt als notwendiges Übel, während Andi Egli hoffte, dass die Projektverantwortlichen genügend Ressourcen bereitgestellt haben, um reagieren zu können, falls etwas nicht so funktioniert wie vorgesehen. Etwas, das von den Projektverantwortlichen wiederholt versprochen wurde.
Zwischen Juli und November 2022 stehen weitere Bauarbeiten an der Limmattalstrasse zwischen Einmündung Ottenbergstrasse und Imbisbühlstrasse an. Welche Auswirkungen die Baustelle auf das Wümmetfäscht und vor allem den Umzug haben wird, soll demnächst an einem Treffen besprochen werden.
«Wir sind für Sie da, kommen Sie mit Ihren Anliegen auf mich zu». Ein grosses Versprechen von Gesamtprojektleiter Christian Meier. Zeit, die Speicherkapazität der Mailbox zu erhöhen.
Auf dem Laufenden bleiben
Auf der Projekt-Webseite https://www.stadt-zuerich.ch/limmattalstrasse will die Stadt zeitnah über die Bauetappen, Massnahmen und Fortschritte informieren. Anwohner*innen werden mit Flugblättern informiert. Digital kann der Service «Bauprojektinformationen Tiefbau» in «Mein Konto» abonniert werden.
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