Quartierleben
Lichtermeer im Frankental
In der Nacht auf den Dienstag, 31. März, wurde es richtig kalt in Zürich. Wenn die Temperaturen über mehrere Tage unter null fallen, wird es für die jungen Triebe gefährlich. Sogenannte Frostkerzen können helfen, sie vor dem Erfrieren zu schützen.
1. April 2020 — Patricia Senn
Vor drei Jahren war die Situation ganz ähnlich: Ein viel zu warmer März liess die Pflanzen vorzeitig spriessen und die Bauern wurden immer unruhiger. Frost Ende März, Anfang April ist nichts Ungewöhnliches, doch wenn die Temperaturen während mehrerer Tage unter minus zwei Grad sinken, wird die Lage ungemütlich. So war es zum letzten Mal im Jahr 2017, als viele Bauern massive Verluste wegen Frostschäden hinnehmen mussten. «Im Unterschied zu diesem Jahr war es damals auch noch nass», erinnert sich Daniel Wegmann, Obst- und Weinbauer im Frankental. Am Nachmittag hatte es geschneit, denkbar schlechte Umstände, um die Folien für die Kerzen zu montieren. «Es war unmöglich, die Bäume trocken zu halten». Damals dauerte die Frostphase mehrere Tage und die Temperaturen lagen weit unter null Grad. Die Blüten der Apfel-, Zwetschgen- und Kirschbäume wurden braun statt grün, Obst gab es in jenem Jahr so gut wie keines. Bei Wegmanns im Frankental fielen damals 90 Prozent der Ernte aus. «Wenn die Kälte so lange andauert, haben die Pflanzen keine Chance», meint Wegmann.
Haushälterisch mit Kerzen umgehen
Für Anfang der letzten Woche waren mindestens zwei Nächte mit Minustemperaturen angesagt, danach sollte es aber wieder wärmer werden. Um die treibenden Obstbäume gegen das Schlimmste zu schützen, hat Wegmann entschieden, die Frostkerzen einzusetzen. Einen ganzen Tag Vorlaufzeit benötigte er mit Hilfe des Kochs vom Restaurant Grünwald, um die Plastikfolien zu spannen und die Kerzen zwischen den Zwetschgen- und Kirschbaumreihen zu verteilen. Danach hiess es, wach bleiben und den Thermometer beobachten. Etwa um halb zwei Uhr morgens fielen die Temperaturen auf minus 1,8 Grad, der Moment war gekommen, die Kerzen anzuzünden. «Man muss haushälterisch damit umgehen und abschätzen, wo die Wertschöpfung am grössten ist», erklärt Wegmann. So habe er entschieden, welche Obstbäume den Schutz am meisten benötigen. Einerseits sind die Frostkerzen nicht billig, aber vor allem gibt es keinen Nachschub. Wegmanns haben ihren Bestand schon im vergangenen Herbst gekauft, heute würden sie keine mehr erhalten. Nachdem die Kerzen brannten, war aber nicht etwa Schlafen angesagt. Immer wieder ging Wegmann über sein Land, kontrollierte die Kerzen, die Folien, die Temperatur. Der kritischste Moment ist kurz vor Sonnenaufgang, wenn es am kältesten ist. Wer in der Nacht die Frankentalerstrasse Richtung Regensdorf hochkam, den erwartete ein spektakuläres Lichtermeer, das sich über beide Hänge links und rechts der Strasse erstreckte. Morgens um viertel vor sechs waren viele Kerzen zwar bereits ausgebrannt, aber die Hügel leuchteten weiterhin in warmen Orange. Ob es gereicht hat, die Bäume zu schützen, werden die kommenden Tage zeigen. «Die Natur hält dann noch weitere Herausforderungen für uns bereit», meint Wegmann mit trockenem Lachen.
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