«Leben im Rütihof» zum Zweiten

Bereits in den zwei letzten Ausgaben des «Hönggers» wurden Bewohner*innen des Rütihofs porträtiert. Mit den folgenden Porträts kommt das Fokusthema Rütihof nun zum Abschluss.

Ursina und Roman Zanelli Schweizer nehmen sich Zeit, um sich für ihre Nachbarschaft zu engagieren.
Nathalie Tassonis schafft mit dem Elternrat eine Verbindung zwischen Schule und Quartier.
Farideh und Mokthar Sheikhzadegan Hamidi wohnen sehr gerne im Rütihof, doch die Eierwürfe beeinträchtigen ihre Lebensqualität.
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Die Entwicklung, Planung und Erstellung der Wohnsiedlungen anhand des Quartierplans stellen die eine Seite der Geschichte des Rütihofs dar, die andere Seite sind jedoch die hier wohnenden Menschen, die das Leben im Quartier schliesslich ausmachen und gestalten. Die Mischung der Menschen, die im Rütihof zu Hause sind, ist bunt und vielfältig, und viele der Bewohner*innen engagieren sich auf ganz unterschiedliche Weisen für ihre Nachbarschaft. Deswegen hat der «Höngger» diese Woche noch einmal die Gelegenheit genutzt, ein wenig hinter die Fassaden der Wohnblöcke zu schauen und sich mit weiteren sechs Bewohner*innen des Quartiers zu unterhalten.

Ein Quartier mit Qualitäten

Renate Tran ist eine dieser sechs Bewohner*innen. Sie kann bereits auf eine lange Zeit im Rütihof zurückblicken. Mit ihrem Mann Ngoc und den ältesten beiden Söhnen, damals vier- und zweijährig, ist sie 1997 hier eingezogen. In den folgenden Jahren kamen eine Tochter und zwei weitere Söhne hinzu, die die Familie komplettierten. In den Rütihof sind sie mehr zufällig gelangt: weil Ngoc auf einen Rollstuhl angewiesen ist, waren sie auf der Suche nach einer rollstuhlgängigen Wohnung; da war in Zürich zumindest damals die Auswahl nicht so gross. Die Familie fühlt sich im Rütihof sehr wohl, wie Renate erklärt: «Es ist schön, hier zu wohnen und in der Nachbarschaft gute Freunde zu haben. Sowohl wir als auch unsere Kinder haben im Quartier sehr gute Sozialkontakte. Selbst diejenigen der Kinder, die bereits von zu Hause ausgezogen sind, kommen nach wie vor gerne zurück, nicht nur, um uns zu besuchen, sondern auch, um sich mit Freund*innen zu treffen.»

Vielseitiges Engagement

Dass es sich im Rütihof gut lebt und die Nachbarschaft funktioniert, dazu trägt sie selbst mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz einiges bei: Sie engagiert sich nicht nur seit mehr als zehn Jahren in der Kulturgruppe ihrer Baugenossenschaft, die mehrmals pro Jahr Anlässe für die Nachbarschaft organisiert, sondern betreut auch einmal wöchentlich einen Mittagstisch des Frauenvereins für Schüler*innen im Quartier und ist aktives Mitglied bei KISS (heute «Zeitgut»), der Nachbarschaftshilfe. Ein Herzensanliegen ist ihr zudem die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg, die sie nicht nur selbst mit ihrer Familie praktiziert, sondern auch in Kursen der Quartierbevölkerung näherzubringen versucht. Und seit dem «Transition-Workshop», der dieses Jahr mit verschiedenen Akteuren aus Höngg, die ein Interesse an der nachhaltigen Entwicklung ihres Stadtteils haben, durchgeführt wurde, hat sie noch ein neues Projekt: «Ich würde gerne hier im Quartier einen Stammtisch etablieren, an dem man sich über Nachhaltigkeit und sozial- und umweltverträgliches Verhalten im Alltag austauschen sowie sich gegenseitig unterstützen kann», erklärt Renate. Im kommenden Jahr, so hofft sie, kann sie dieses Vorhaben zusammen mit anderen Interessierten im Rütihof realisieren.

Nach Höngg an die Sonne

Auch Ursina Zanelli und Roman Schweizer Zanelli setzen sich für den Rütihof ein. Sie leben mit ihren beiden Töchtern in einer Wohnung der ASIG-Wohngenossenschaft, noch nicht ganz so lange wie Familie Tran, aber auch bereits seit neun Jahren. Aufgewachsen sind beide im Kanton Schaffhausen, arbeitshalber führte ihr Weg nach Zürich. Höngg haben sie als Wohnort gewählt, weil «meine Schwester meinte, dass hier immer die Sonne scheint», erinnert sich Ursina schmunzelnd, in den Rütihof sind sie wegen der preiswerten Genossenschaftswohnungen und der Kinderfreundlichkeit des Quartiers gekommen. Die Familie ist im Rütihof sehr zufrieden, lediglich die Infrastruktur liesse sich noch verbessern, wie Ursina erklärt: «Der Rütihof ist zwar so gross wie ein richtiges Dorf, aber als Satellitensiedlung fehlt ihm einiges an Infrastruktur. Ich hätte gerne mehr Läden im Quartier.» Auch einen Dorfplatz wünschten sich die beiden für den Rütihof, einen Treffpunkt, wo man sich begegnen und austauschen kann. «Zudem», so ergänzt Roman, «ist das Angebot für die Jugendlichen begrenzt. Für Kleinkinder und Kinder im Primarschulalter ist das Angebot im Rütihof sehr gross, doch Jugendlichen wird nicht mehr so viel geboten.»

Sozialkontakte schaffen als politisches Engagement

Die beiden arbeiten bewusst jeweils nur 60 Prozent in ihren Jobs, einerseits, um viel Zeit mit den Kindern verbringen zu können, andererseits aber auch, um sich für ihr Quartier engagieren zu können – jetzt, da die Kinder ein wenig grösser sind. Ursina ist Mitglied im «Forum», eine Gruppe von Genossenschaftsmitgliedern der ASIG, die für ihre Siedlung Anlässe organisiert. «Für mich ist die Arbeit in der Genossenschaft eine Form von politischem Engagement. Mein Grundanliegen hierbei ist die Schaffung von Sozialkontakten, die Vernetzung unter den Nachbarn. Ich halte das für sehr wichtig für das Zusammenleben in einem Quartier.» Gemeinsam mit dem Forum hat sie einen Siedlungsgarten ins Leben gerufen, in dem aus Europaletten einzelne Beete erstellt werden, die gemietet und bepflanzt werden können – ein wachsendes Projekt. Roman ist ebenfalls aktiv im Quartier: unter anderem hilft er einem Nachbarn bei der Weihnachtsbeleuchtung vor dem Haus. Jedes Jahr wird diese ein wenig bunter und grösser – schon von der Bushaltestelle aus sticht der leuchtende Vorgarten allen Ankömmlingen im Rütihof ins Auge. Auch das hat verbindenden Charakter für die Siedlung.

Hohe Lebensqualität

Eine weitere Form des Engagements fürs Quartier leistet Nathalie Tassonis. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Töchtern seit elf Jahren in der ABZ-Genossenschaft. Auch Nathalie und ihre Familie sind in den Rütihof gekommen, weil hier genügend grosse Wohnungen zur Verfügung standen. Das viele Grün im Quartier gefällt ihr sehr gut, die Spielplätze, der Bauspielplatz, das alles sei sehr wichtig für junge Familien und bedeute eine hohe Lebensqualität, erklärt sie. Für Jugendliche hingegen, da teilt sie die Meinung der Zanellis, sei die Infrastruktur im Quartier etwas dürftig. Dennoch gebe es im Rütihof wenig Probleme, das bewege sich alles im üblichen Rahmen, wie sie auch in anderen Quartieren vorkommen.

Schule und Elternhaus verbinden

Nathalie engagiert sich nun bereits im dritten Jahr als Elternvertreterin im Elternrat der Schule Rütihof, seit zwei Jahren ist sie Mitglied des Vorstands: «Ich halte es für wichtig und spannend, sich in dem Schulhaus unserer Kinder einzubringen. Für mich bietet dieses Engagement eine gute Möglichkeit, einen Einblick in den Schulalltag zu gewinnen, sich mit den anderen Eltern zu vernetzen und als Bindeglied zwischen Quartier und Schule zu fungieren.» Der Elternrat organisiert verschiedene Anlässe wie Schulhausfeste oder Referate zur Elternbildung und unterstützt die Schule etwa am Besuchsmorgen. Nicht immer ist es ganz einfach, Eltern für die Mitarbeit im Elternrat zu gewinnen, da geht es dem Rat nicht besser als anderen Vereinen. Doch momentan, freut sich Nathalie, «sind sehr viel engagierte und interessierte Leute dabei. Unsere Arbeit funktioniert natürlich viel besser, wenn alle etwas dazu beitragen – da können tolle Dinge entstehen.»

Leben in der Traumwohnung…

Im Haus direkt gegenüber von den Tassonis wohnt Familie Sheikhzadegan Hamidi. Gemeinsam mit ihrer 15-jährigen Tochter lebt das Ehepaar ebenfalls in einer Genossenschaftswohnung der ABZ. Kennengelernt haben sich die beiden in einem Studentenwohnheim und sind nun bereits seit 17 Jahren im Rütihof zu Hause. Auch sie sagen, dass sie die Wohnlage sehr schätzen, die Nähe zur Natur, die günstige Wohnung, die multikulturelle Nachbarschaft, die kinderfreundliche Umgebung. Der Rütihof, so Farideh Sheikhzadegan, «ist ein Teil von mir geworden.»

…mit ein paar Schattenseiten

Allerdings, so erzählen die beiden im Gespräch, hat das Leben für sie hier auch Schattenseiten. «Es gibt etwas, das mich sehr beschäftigt», gesteht Farideh. «Seit einigen Jahren», erläutert sie, «seit der Halloween-Brauch auch hier im Quartier Einzug gehalten hat, werden wir jedes Jahr mit Eierwürfen in unser Fenster attackiert. Letztes Jahr waren es besonders viele Eier, die an unserer Fensterscheibe gelandet sind.» Wer die Eierwerfer sind, wissen die beiden nicht genau, doch es handelt sich wohl um Jugendliche aus dem Quartier. «Was mich besonders verunsichert, so Farideh weiter, «ist die Tatsache, dass es eigentlich nur uns trifft. Unsere Nachbarn sind davon nicht betroffen. Aber was haben die Kinder gegen uns?» Die beiden haben versucht, das Ganze zu ignorieren, es als Lausbubenstreich abzutun, doch das Ausmass geht darüber hinaus, was sie ertragen können. «Es passiert eben nicht nur an Halloween, sondern auch im Winter – da sind es dann Schneebälle – oder im Sommer, da werden Wasserballons oder Getränkedosen geworfen. Für mich als Kriegskind aus dem Iran ist das schlimm, jedes Mal kommen Erinnerungen an den Krieg hoch, wenn etwas Derartiges in die Wohnung geworfen wird», führt sie aus. Von der Genossenschaft fühlen sie sich ein wenig im Stich gelassen, auch die Reinigung der Fassade müssen sie meist selbst übernehmen. Die beiden sind ratlos – und haben gar schon über einen Wegzug nachgedacht, zumindest in eine etwas weniger exponierte Wohnung, zur Not aber auch in ein anderes Quartier. Doch angesichts all des sozialen Engagements im Rütihof bleibt zu hoffen, dass sich das Problem doch noch lösen lässt.

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