Lautes Fest mit 15 Schüssen beendet

Der ehemalige Wirt des Restaurants «Jägerhaus» auf der Waid schoss nachts auf eine Gruppe von Jugendlichen, weil sie in der Nähe an einem Lagerfeuer eine laute Party feierten.

Das «Jägerhaus», heute Tessin Grotto, auf dem Käferberg.

In einer Aprilnacht im Jahr 1995 veranstaltete eine Gruppe von rund dreissig Jugendlichen auf einem Feuerplatz in der Nähe des Restaurants «Jägerhaus» während mehreren Stunden ein Fest. Es wurde gegrillt, getrunken und gelacht und aus einem Kassettengerät lief türkische Volksmusik und Techno. Doch nach Mitternacht wurde die Feststimmung jäh von mehreren Schüssen unterbrochen. Ein 14-jähriges Mädchen und ein 19-jähriger Bursche wurden am Bein, beziehungsweise am Rücken verletzt. Einige der Feiernden brachten die beiden ins nahe Waidspital, wo die nicht lebensgefährlich Verletzten behandelt wurden. Beim Schützen handelte es sich um den damals 63-jährigen Wirt des Restaurants «Jägerhaus». Er war geständig und gab an, er habe sich durch den Lärm gestört gefühlt. Darauf schoss er von der Terrasse aus sieben Mal in die Luft. Dann machte er eine Pause und gab nochmals acht Schüsse ab. Diesmal aber nicht mehr in die Luft, sondern in Richtung der 45 Meter entfernten Gruppe, die am Feuer sass.

Drei Jahre später stand der Wirt vor dem damaligen Geschworenengericht, angeklagt wegen versuchter vorsätzlicher Tötung. Es sei ein grosser Lärm gewesen, sagte der Beizer, der das Restaurant elf Jahre lang geführt hatte. Selbst als er dann um 0.30 Uhr den feiernden Jugendlichen auf dem Festplatz hinter dem Haus den Strom abgeklemmt habe, sei es nicht ruhiger geworden. In seinem Zorn habe der Wirt ein Messer aus der Küche genommen und unbemerkt bei einem parkierten Auto den Pneu zerschnitten. Der Lärm blieb. Darauf sei er wutentbrannt in den oberen Stock des Restaurants gerannt und habe gedacht: «So, jetzt jag ich es paar Schüss i d‘ Luft.» 15 Schüsse später war das Magazin leer, und neben dem Grillfeuer lagen ein 14-jähriges Mädchen und ein 19-jähriger Mann verletzt am Boden. Das Mädchen wurde am Unterschenkel getroffen, den jungen Mann traf es knapp neben der Wirbelsäule. Wie später die Ärzte am Prozess sagten, hätten die beiden Jugendlichen keine dauerhaften schweren Schädigungen erlitten. Das Mädchen könne sich wieder normal bewegen, und auch der junge Mann ist voll arbeitsfähig. Allerdings musste er seinen angestammten Beruf als Bäcker aufgeben. Das Projektil in seinem Rücken hatte zwar die Wirbelsäule um knapp vier Zentimeter verfehlt, die Narbe schmerzt ihn aber noch heute, wenn er Lasten tragen sollte. Eine weitergehende Beeinträchtigung sei aber nicht zu befürchten.

Es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Immer wieder gab es auf dem Waidberg lärmige Feste. Der Wirt hatte bei Nachtruhestörungen schon früher hin und wieder seine Pistole eingesetzt, die er sich wegen der sogenannten Schlafzimmerräuber zugelegt hatte. So habe er beispielsweise zweimal in die Luft geschossen, als eine Tessinergruppe um zwei Uhr morgens lautstark «La Montanara» sang. Es sei dann blitzartig ruhig gewesen. Warum er denn jeweils bei solchem Lärm nicht die Polizei gerufen habe, wollte der Gerichtsvorsitzende wissen. «Auf diese Idee bin ich nie gekommen», sagte der Wirt, der sich selber als ungeduldig und aufbrausend beschrieb. Er hatte am Tag zuvor einen strengen Tag hinter sich gehabt. Nach nur drei Stunden Schlaf war er frühmorgens geweckt worden, weil ein Holzschopf neben dem Gasthaus brannte. Nach der Löschaktion musste er ein Festessen vorbereiten, und als er gegen Mitternacht endlich schlafen wollte, feierte eine Gruppe von Jugendliche am Lagerfeuer ein lautes Fest.

Der Staatsanwalt hatte den Wirt ursprünglich wegen mehrfacher Körperverletzung angeklagt. Das akzeptierten die Anwälte der Opfer nicht, worauf der Staatsanwalt den Wirt auch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung anklagte. Er habe den Tod von Menschen zumindest in Kauf genommen. Dies bestritt der Wirt am Prozess: «Ich schoss nur in die Luft. Verletzen wollte ich niemanden, bloss die jungen Leute vertreiben.» Warum er bei der zweiten Salve aber seine Pistole gesenkt hatte, konnte er nicht sagen.

Nach einem mehrjährigen juristischen Geplänkel – die Urteile des Geschworenengerichts wurden vom damaligen Kassationsgericht zweimal aufgehoben – wurde der Wirt im Mai 2001 rechtskräftig wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Sachbeschädigung zu 27 Monaten Zuchthaus verurteilt. Der Staatsanwalt hatte immer argumentiert, dass der Wirt zwar eine schwere Körperverletzung in Kauf genommen habe, nicht aber die Tötung eines Menschen. Dem widersprach aber das Geschworenengericht auch im dritten Verfahren in der gleichen Sache. Jemand der schiesse, wisse, wohin er schiesse. Und wer mit einer grosskalibrigen Waffe aus 45 Metern auf eine Gruppe von 30 Personen schiesse, müsse damit rechnen, jemanden zu treffen. Es sei allgemein bekannt, dass jeder Treffer tödliche Verletzungen verursachen könne. Der Wirt habe deshalb auch mehrere Tötungen in Kauf genommen.

Der Wirt sagte in seinem Schlusswort: «Ich werde nie mehr eine Waffe in die Hände nehmen. Es ist eine absolut irrsinnige Idee, damit irgendwelche Probleme zu lösen.» Nach seiner Tat hatte sich seine zweite Frau von ihm scheiden lassen. Der inzwischen pensionierte Wirt ist in den Kanton Tessin gezogen.

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