Stadt
Kommt das Hundeleinengebot für den Hardeggsteg?
Der Kanton Zürich hat das strengste Hundegesetz der Schweiz. Dies wurde von der Stimmbevölkerung 2019 an der Urne noch einmal so bestätigt. Die Allgemeinverfügung, die die Umsetzung für die Stadt Zürich regelt, lässt aber seit mehr sieben Jahren auf sich warten.
8. September 2020 — Patricia Senn
Eine der letzten Folgen der Serie «Tatort Kreis 10» handelte vom tragischen Tod einer Spaziergängerin, die aus Angst vor einem Hund in die Limmat gesprungen war. Kurz nach Erscheinen des Artikels meldete sich eine Leserin beim «Höngger». Sie hatte erst kürzlich an der Limmat eine sehr unangenehme Situation erlebt, als ein Rhodesian Ridgeback bellend ihren vierjährigen Sohn umkreiste, der auf der Wiese an der Limmat stand und weder rannte, noch sich sonst provozierend verhielt, so die Leserin. Als die Mutter ihrem mittlerweile weinenden Sohn zu Hilfe eilte und den Hund dabei anschrie, liess dieser zwar vom Buben ab, widmete sich aber stattdessen dem Kinderwagen, in dem ihre zweijährige Tochter schlief. «Der Besitzer blieb während der ganzen Zeit einfach stehen, rief ein paar Mal nach dem Tier, dieses zeigte sich davon aber überhaupt nicht beeindruckt», schreibt die Leserin. Erst als eine Freundin den Hund ebenfalls anschrie, trottete er zu seinem Herrchen zurück und liess sich anleinen. Unverständlich für die erschrockene Frau, die Hunde mag, war die Reaktion des Halters: Ohne ein Wort der Entschuldigung machte er sich aus dem Staub. Anzeige erstattete die Leserin, wie die meisten Zeug*innen eines solchen Zwischenfalls, jedoch keine. Dazu muss gesagt sein: Auch grosse Hunde sind nicht von Natur aus aggressiv, Erziehung und Sozialisierung sind ausschlaggebend für ihr Verhalten. Und dort liegt die Verantwortung bei den Hundehalter*innen. Nicht alle nehmen diese wirklich ernst, wie dieses Beispiel zeigt. Doch wie steht es eigentlich um die rechtliche Situation?
In Zürich gilt das strengste Hundegesetz
Nachdem es Anfang der Nullerjahre zu mehreren Vorfällen mit Hunden kam, reagierte das Stimmvolk an der Urne: Seit 2010 gilt im Kanton Zürich das strengste Hundegesetz der Schweiz. Es sieht ein Rassenverbot von Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotenzial vor (Rassetypenliste II). Der Erwerb, die Zucht und der Zuzug solcher Hunde ist verboten. Ausserdem müssen alle Hunde, die nicht als kleinwüchsig gelten, eine kantonal anerkannte Ausbildung absolvieren. Der Zürcher Kantonsrat strich diese Kurspflicht 2018 wieder aus dem Gesetz, worauf einige Parlamentarier*innen ein Kantonsreferendum einlegten. Die Gruppe wollte die Hundekurse beibehalten und sogar auf alle Hundehalter*innen ausdehnen, unabhängig von der Grösse der Tiere. Ihr Argument: Nicht alle Halter*innen zeigten genügend Selbstverantwortung und dank der Kurspflicht seien die Beissfälle zurückgegangen. Etwas, das die Gegner bestritten und argumentierten, verantwortungslose Hundebesitzer*innen seien auch mit Kursen nicht zu richtigem Verhalten zu bringen. Die Stimmbevölkerung, unterstützt von verschiedenen Organisationen wie dem Zürcher Hundeverband, der Stiftung für das Tier im Recht und dem Zürcher Tierschutz, stimmte am 10. Februar 2019 mit 69,6 Prozent gegen die Abschaffung des Obligatoriums. «Der Regierungsrat hat dem Kantonsrat inzwischen eine Vorlage für eine vereinfachte und verkürzte Ausbildung überwiesen, die neu für alle Hunderassen gelten soll. Bis die notwendigen Schritte gemacht sind und sich der Regierungsrat mit der Inkraftsetzung der neuen Regelung befassen kann, wird es voraussichtlich 2021», schreibt der Kanton auf seiner offiziellen Webseite.
(Noch) keine Leinenpflicht auf Hardeggsteg
Laut kantonalem Gesetz sind Hunde in Friedhöfen, in Badeanstalten, auf Pausenplätzen von Schulhausanlagen, auf Spiel- und Sportfeldern sowie an Orten, die von den zuständigen Behörden entsprechend signalisiert wurden, verboten. Eine generelle Leinenpflicht gilt in öffentlich zugänglichen Gebäuden, an verkehrsreichen Strassen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Bahnhöfen und an Haltestellen sowie an entsprechend signalisierten Orten.
2013 wandte sich der Ehemann der oben erwähnten, am Hardeggsteg verunglückten Frau an den damaligen Vorsteher des Sicherheitsdepartements Stadtrat Richard Wolff. Er machte ihn darauf aufmerksam, dass auf der Brücke noch immer kein Leinenzwang eingeführt worden sei, obwohl im Jahr 2000 das Schulhaus am Wasser eröffnet worden war und ein paar Jahre später die zum Schulhaus gehörenden Horte Hardturm auf der anderen Seite der Limmat. Zum Schutz der Kinder, die täglich die Brücke überqueren müssen, bat er den Stadtrat sich dafür einzusetzen, an dieser Stelle und auch in der Umgebung der Schule und der Horte ein Leinengebot einzuführen. Der ehemalige Sicherheitsvorsteher antwortete ihm in einem ausführlichen Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Darin räumte er ein, dass der Hardeggsteg zwar die Kriterien, die einen Leinenzwang verlangen, nicht erfüllt, bei näherer Betrachtung aber als einzige Verbindung zwischen dem Schulhaus und den Horten durchaus als zur Schulhausanlage gehörend betrachtet werden kann. Aus diesem Grund sehe er sich dazu veranlasst, einen entsprechenden Leinenzwang zu beantragen. Eine Kopie des Schreibens ging auch an die damalige Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements (TED) Ruth Genner. Diese liess Wolff wissen, dass Grün Stadt Zürich gegenwärtig an einer Allgemeinverfügung arbeite, mit der die Leinengebote, Betretverbote und hundefreundlichen Zonen für das Gebiet der Stadt Zürich angeordnet werden sollen. Gegen Ende 2013 sollte ein entsprechender Entwurf in die Vernehmlassung gehen. Genner hoffte damals, dass die unumstrittenen Teile der Verfügung noch 2014 in Kraft treten könnten. Doch eine solche Weisung ist im Gemeinderat niemals eingegangen, zumindest ist sie in dessen Geschäften nicht auffindbar. Unabhängig davon wird zurzeit für die Werdinsel eine eigene Verfügung erarbeitet, welche sich nach dem Handlungsfeld «Mensch und Tier» des Nutzungskonzepts Werdinsel richtet.
Allgemeinverfügung für Herbst erwartet
Bezüglich Allgemeinverfügung muss in der Zwischenzeit dennoch etwas passiert sein. Im September 2015 verkündete das TED, dass ein runder Tisch mit Grün Stadt Zürich, dem Sicherheitsdepartement – vormals Polizeidepartement genannt – und Vertreter*innen der Hundehaltenden, der Quartier- und anderen Vereinen stattgefunden habe. Damit sei der Prozess zur kommunalen Umsetzung des kantonalen Gesetzes gestartet. Danach hörte man nichts mehr über den Prozess, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Heute, bald fünf Jahre später, wird die Verfügung gemäss Aussagen des TEDs noch immer bereinigt. Auf Anfrage lässt das Amt ausrichten, «dass der Hardeggsteg nach heutigem Stand als möglicher Ort für eine Leinenpflicht enthalten ist». Die erwähnte Allgemeinverfügung sollte im Herbst bereit sein. Auf die Nachfrage, wer denn genau daran gearbeitet habe und wieso es so lange gedauert hat, erfolgt vom TED keine Antwort. Diese Information kommt dafür vom verfügenden Amt, dem Sicherheitsdepartement, welches nochmals bestätigt, dass in diesem Herbst eine Verfügung mit verschiedenen Hundezonen erlassen werden wird. Diese sei inhaltlich vom Tiefbau- und Entsorgungsdepartement erarbeitet worden. «Das TED hat jede der 210 Grünanlagen individuell beurteilt und viele Gespräche und Runde Tische mit verschiedenen Interessensgruppierungen geführt». Das Sicherheitsdepartement räumt ein, dass es etwas zu lange gedauert hat, «rückblickend hätten wir uns eine schnellere Regelung gewünscht». Doch auch wenn diesen Herbst tatsächlich etwas verfügt werden sollte, ist mit Widerstand zu rechnen, gegen die Verfügung kann wie gegen jede Bauausschreibung Einsprache erhoben werden.
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