«Komme ich in dieses Haus, werde ich ganz ruhig»

Der «Rothe Ackerstein» in Höngg wird derzeit für zwei Familien flott gemacht. Bei historisch wertvollen Gebäuden wie diesem sollen Bauteile und Ausstattung möglichst erhalten bleiben. Für den Bauherrn und den Architekten ist das eine Herzensangelegenheit.

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Rund 350 Jahre unbeschadet überstanden: Die Gartenseite des «Roten Ackersteins». (Foto: Lukas Kistler)
Ein Tierkosmos im Obergeschoss: Grisaille-Malerei an der Balkendecke. (Foto: Lukas Kistler)
Der «Rothe Ackerstein» ist ein bedeutendes Gebäude in Höngg. (Foto: Lukas Kistler)
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Von Lukas Kistler

Vielen Höngger*innen dürfte das Wohnhaus an der Limmattalstrasse 9 bekannt sein: Seine Aussenmauer aus Bruchsteinen hebt es deutlich von der Umgebung ab, auch wegen deren ungewöhnlicher Farbe, ein helles Bordeauxrot. Sein stimmiger Name: «Roter Ackerstein». Während Tobias Herold den Kinderwagen, in dem seine jüngste Tochter schläft, in den Garten schiebt, prüft Max Dell’Ava mit einem der portugiesischen Bauarbeiter die Schalung für die Treppe, die vom Keller zum Garten hinaufführen wird. Herold vertritt die Bauherrschaft und Dell’Ava, Mitinhaber des DAX Atelier für Architektur, plant den Umbau. Beide führen den Schreibenden durch Haus und Garten.

Vom rötlichen Stein der Aussenmauer, einem Sernifit, kennt Tobias Herold die Geschichte, wie sie in der Hauschronik festgehalten ist: «Escher vom Luchs kaufte einem Bauern den Stein ab, der unweit des heutigen Wärmebads Käferberg auf dessen Acker lag.» Diesen Ackerstein hatte der Linthgletscher in der letzten Eiszeit aus dem Glarner Sernftal nach Zürich transportiert und bei seinem Rückzug als Findling zurückgelassen.

Das ehrwürdige Wohnhaus wird etappenweise umgebaut, zwei je fünfköpfige Familien werden es dereinst bewohnen. Ein solcher Umbau verlangt Fingerspitzengefühl, denn es gibt viel wertvolle historische Substanz. Der «Rothe Ackerstein» ist ein bedeutendes Gebäude in Höngg, blickt es doch auf knapp 350 Jahre zurück. Es gilt als ältestes Landgut von Zürcher Stadtbürgern in Höngg. Ein solcher, Junker Marx Escher vom Luchs, liess es 1674 bauen. Das Stadtzürcher Geschlecht Escher vom Luchs stellte in der alten Eidgenossenschaft zahlreiche Land- und Obervögte und zählte bis ins 19. Jahrhundert zu den führenden Zürcher Familien.

Schützenswerter Garten

Mitten im verwilderten Garten steht eine mächtige Eibe, Holunderblüten verströmen ihren Duft, es gibt Teiche und Schwertlilien. Da der Garten im kommunalen Inventar der schützenswerten Gärten und Anlagen eingetragen ist, darf hier nicht neu gebaut werden. Am Dach und an den Aussenmauern sind die Arbeiten bereits abgeschlossen. Rebe und Kiwi ranken am gusseisernen Geländer der Terrasse, die 1890 angebaut wurde.

Unter einer Plane sind dort Wandtäfer, Bodendielen und Türen gestapelt. Diese Bauteile werden wieder eingebaut. Allerdings, präzisiert Max Dell’Ava, nicht zwingend dort, wo sie ursprünglich verbaut waren. «Wir wollen keinen hypothetischen Urzustand rekonstruieren, sondern entscheiden von Raum zu Raum, welche Ausstattung wir behalten. Entscheidend ist dabei die Qualität der Bauteile», sagt der Architekt.

Auf unserem Rundgang im Gebäudeinnern treffen wir wieder auf solche Stapel, die diesen differenzierten Recycling-Ansatz spiegeln. Dasselbe gilt etwa für die Haufen geschmiedeter Nägel, die rund 350 Jahre unversehrt überstanden haben. Und auch für den Kachelofen aus den 1730er-Jahren, den der Hafner derzeit instand stellt und mit dem wieder geheizt werden soll.

Überraschung im Obergeschoss

Wir steigen ins Obergeschoss hoch, balancieren dort auf den Bodenbalken. Die Bodendielen wurden entfernt, allein die Balken sind belastbar. Auch die quer laufenden Deckenbalken sind freigelegt, von der später ergänzten Gipsdecke sind noch Muster vorhanden. Und zwischen den Balken schlingen sich Pflanzengirlanden. «Escher vom Luchs steckte sein Geld vermutlich in die Malerei», kommentiert Dell’Ava.

Im Raum daneben ist die Malerei noch raffinierter: Hasen, Bär, Löwe und weitere Tiere tummeln sich zwischen den Balken. «Zustand und Qualität der Grisaille-Malerei sind einzigartig», sagt der Architekt. Wie es sich wohl leben lässt, in diesen Räumen mit solch kostbarer Ausstattung? «Komme ich in dieses Haus, werde ich ganz ruhig», meint Tobias Herold. Na klar, möchte man meinen: Diese Mauern haben schon manchem Sturm getrotzt.

1 Kommentare


Charona

29. Juni 2023  —  11:28 Uhr

Und wo steht das Haus? Wohne seit 25 Jahren in Höngg, habe das Haus aber noch nie gesehen.

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