Kleines Latinum für Wiedereinsteiger*innen

Unsere Redakteurin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute darüber, wie schlau die alten Römer doch eigentlich waren.

Dagmar Schräder liebt es zu schreiben. (Foto: Jina Vracko)

Mein heutiges Thema ist brandaktuell: Latein. Passt zu den momentan gerade stattfindenden Gymiprüfungen. Auch ich habe das mal erlebt. Und mich anschliessend jahrelang durch die trockene Materie einer für mich damals sehr toten Sprache gequält. Mit einer äusserst kompetenten, aber ziemlich strengen Lehrerin. «Salve magistra», mussten wir sie begrüssen, wenn sie das Klassenzimmer betrat, und dabei aufstehen. Setzen durften wir uns erst, wenn sie «Salvete pueri et puellae» geantwortet hatte.

Während all dieser Zeit war Latein für mich nicht mehr als eine Pflichtübung. Schlecht war ich nicht in dem Fach, aber zu behaupten, ich hätte mich dafür interessiert, wäre eine masslose Übertreibung. Aber jetzt, mit zunehmendem Alter, merke ich plötzlich, wie mir immer wieder die lateinischen Zitate im Kopf rumgeistern. Diese komischen Sprüche und Verse, die wir auswendig lernen mussten. Ich kann sie alle bis heute noch aufsagen. Überflüssiges Wissen, eigentlich. Aber gleichzeitig? Ständig begegnen mir Lebenssituationen, in denen ich auf die Weisheiten der «Römer» – von den Römerinnen war ja komischerweise nie die Rede – zurückgreifen kann.

So zum Beispiel: «Carpe diem». Ich habe es an anderer Stelle schon mal erwähnt, das ist fast schon so etwas wie mein Lebensmotto. Und das passt doch prima zu der Liedstrophe von Horaz: «Nunc est bibendum, nunc pede libero pulsanda tellus», was sinngemäss so viel heisst wie: «Nun ist die Zeit zu trinken, nun ist die Zeit zu tanzen.» Wenn der Horaz das schon gesagt hat, dann kann das ja nicht so verkehrt sein.  Gilt also als perfekte Entschuldigung für all die Tage, an denen ich das mit dem Geniessen zu wörtlich genommen habe.

Doch gleichzeitig ist es natürlich enorm wichtig, die eigenen Grenzen und Fehler zu erkennen: «Nosce te ipsum» – «erkenne Dich selbst», würde der Lateiner dazu sagen. Das würde dann wohl auch beinhalten, den richtigen Moment zu erkennen, wenn mit dem Feiern aufgehört werden soll. Denn sonst kann es schon mal peinlich werden: «Si tacuisses, philosophus mansisses» – diese weise Erkenntnis kommt mir leider oft zu spät in den Sinn. Dumm gelaufen. Hätte ich nur mal geschwiegen und meine Klappe gehalten, dann wäre ich eine Philosophin geblieben. Denn eigentlich sollte ich ja wissen, dass ich nichts weiss: «Scio me nihil scire.» Ein bisschen mehr Demut wäre da wohl angebracht. Auch gegenüber unserer Vergänglichkeit: «Tempora mutantur nos et mutamur in illis». Genau, die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen. Wobei das nicht unbedingt bedeutet, dass früher alles besser war. Davon könnten die Römer*innen wahrscheinlich ein Lied singen.

Und was lernen wir nun daraus? Natürlich: «Non scholae sed vitae discimus» – nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Total nerviger Spruch, wenn man ihn als Schülerin zu hören bekommt. Aber offenbar doch wahr. Ich könnte jetzt zum Beweis auch noch den Beginn der Odyssee – oder wie hiess das Werk nochmal? – in Versform wiedergeben. Aber das lasse ich mal lieber.

0 Kommentare


Themen entdecken