Katholische Kirche setzt auf erneuerbare Energie

Seit Ende August 2018 sind bei der katholischen Kirche Heilig Geist Bauarbeiten im Gange. Im April folgt der Umbau des Pfarrhauses, die Einweihung des neuen Pfarreizentrums ist im Herbst vorgesehen. Federführend ist der Höngger Architekt Beat Kämpfen, ausgewiesener Experte für energetische Sanierungen.

Modellfoto des geplanten Glasdachs mit Photovoltaik-Anlage.
Die Aufstockung des Pfarrhauses ist bereits ausgesteckt.
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Die Sanierungsarbeiten an der katholischen Kirche Heilig Geist waren fast abgeschlossen, als am 3. März die neuen Kirchenfenster des Münchner Künstlers Horst Thürheimer eingeweiht wurden (siehe «Höngger» vom 14. März). In einem nächsten Schritt soll nun ab April das Pfarrhaus renoviert und um ein Stockwerk erhöht werden.
Bereits vor einigen Jahren hatte Paul Ott, Präsident der Baukommission und ehemals Architekt, die Idee, eine Sanierung der Heizzentrale vorzunehmen und ganz auf Gas umzustellen, was allerdings aus verschiedenen Gründen von der Kirchenpflege abgelehnt wurde. Eine Bausubstanzanalyse des Büros Knörr Architekten ergab schliesslich, dass weiterer Handlungsbedarf bestand. Ein Energiecoaching des Stadtverbandes im Jahr 2015 machte Ott auf die Möglichkeit der energetischen Sanierung aufmerksam. Daraufhin schrieb die katholische Kirchenpflege 2016 einen entsprechenden Wettbewerb aus. Unter den fünf Architekturbüros, die sich bewarben, war auch dasjenige von Beat Kämpfen, der bereits 2004 den Umbau der Gemeindesäle im Erdgeschoss der Kirche Heilig Geist vorgenommen hatte. Sein dezenter Vorschlag mit dem Aerogel-Dämmputz überzeugte die Baukommission. Kämpfen zu den Hintergründen und Zielen des Projektes:

Beat Kämpfen, welche Voraussetzungen trafen Sie an, als Sie sich mit dem Projekt auseinandersetzten?

Die beiden Gebäude des Pfarreizentrums stammen aus dem Jahr 1973. Es handelt sich um typische Bauten dieser Zeit, mit beliebig verstreuten und relativ weit nach innen versetzten Fenstern. Diese charakteristischen Eigenschaften wollte ich beibehalten, denn das Unaufgeregte, Unprätentiöse gefällt mir eigentlich gut. Die Gebäude wurden kurz vor der ersten Erdölkrise erstellt. Sie gehören zur letzten Generation von Bauten, die mit 30 Zentimeter dicken Beton- oder Backsteinwänden ganz ohne Isolation gebaut wurden. Das bedeutet: die Bausubstanz ist nur 45 Jahre alt, aber energetisch völlig veraltet. Die Frage war also: Wie sanieren wir die Gebäude so, dass nicht zu stark in das äusserliche Erscheinungsbild eingegriffen wird, aber dennoch eine bestmögliche Isolation erreicht werden kann? Das zweite Kernthema war der Einsatz von modernen Technologien im Zusammenhang mit erneuerbarer Energie, namentlich Solarenergie und Erdsonden. So, dass also durch die Massnahmen einerseits wenig Wärme verloren geht und andererseits Energie gewonnen werden kann und die Kirche am Ende über ein System verfügt, das zu einem möglichst hohen Prozentsatz mit erneuerbaren Energien arbeitet.

Die katholische Kirche Heilig Geist setzte ja schon früh auf Fotovoltaik…

Ja. Als das Flachdach der Kirche 1998 saniert werden musste, schlug ich vor, eine Fotovoltaik-Anlage zu montieren. Sie war damals eine der ersten und grössten Anlagen in der Schweiz, es war eine Pionierleistung der Kirche. Das ewz zahlte 20 Jahre lang Solarstrombörsentarif. Dieser Vertrag ist nun ausgelaufen, aber die Anlage funktioniert noch heute einwandfrei, wir mussten noch kein einziges Panel ersetzen. Man muss aber unterscheiden: Fotovoltaik produziert Strom, die Solaranlage, die wir beim Umbau zusätzlich auf dem Dach aufbauen ist für das Warmwasser verantwortlich. Es sind zwei komplett unterschiedliche Technologien.

Wie sah Ihre Eingabe denn konkret aus?

Ich habe zwei Sachen vorgeschlagen: Einerseits die Isolation der Fassade mit einem neuartigen Aerogel-Dämmputz, der mit sechs Zentimeter Dicke die gleiche Wärmedämmung aufweist wie eine doppelt so starke konventionelle Aussenisolation. So kann vermieden werden, dass das Erscheinungsbild durch dickere Mauern und dadurch noch tieferliegende Fenster verschandelt wird. Andererseits sollen neben der Kirche zehn 220 Meter tiefe Erdsonden in den Boden eingelassen werden, welche durch thermische Sonnenkollektoren mit einer Fläche von 150 Quadratmeter auf dem Pfarrhausdach unterstützt werden. Die Sonnenkollektoren produzieren nicht nur direkt warmes Wasser, sondern zusätzlich wird nicht benötigter Wärmeüberschuss in die Erdsonden geleitet und das Erdreich rund um die Sonden erwärmt. Diese werden sogenannt regeneriert. Man hat nämlich festgestellt, dass Erdsonden über die Jahre auskühlen, es sich also nicht um ein Perpetuum Mobile handelt. Wir haben es von unserem Energieingenieur simulieren lassen: Eine Erdsonde, die heute 17 Grad warmes Wasser aus dem Untergrund für die Wärmepumpe der Heizung liefert, kommt nach 50 Jahren Betrieb nur noch auf sieben Grad. Durch die Unterstützung der Solaranlage auf dem Dach werden die Erdsonden jedoch keinen Leistungsabfall erleiden.
Was die Fotovoltaik angeht, also die Stromgewinnung, haben wir neben den bestehenden Panels auf dem Dach der Kirche noch eine weitere Anlage geplant. Diese wird in die neue Glasüberdachung des Kirchenplatzes eingebaut. Es handelt sich um ein elegantes, filigranes Dach, das die Funktionalität des Aussenraums erhöht. So wird das ganze Zentrum über das Jahr hinweg gesehen gut die Hälfte der benötigten Energie selber erzeugen. Im Sommer speist man den Überschuss ins Stromnetz der ewz, und im Winter bezieht man den fehlenden Strom aus dem Netz.

Gibt es noch weitere bauliche Veränderungen, die von aussen sichtbar sind?

Ja, das Pfarrhaus wird um ein Stockwerk aufgestockt. Das war beim ursprünglichen Projekt so noch nicht vorgesehen, aber in der Zwischenzeit trat die lange hängige Bau- und Zonenordnung 2016 in Kraft, die es ermöglicht, das Gebäude etwas auszubauen. Dadurch entstehen zwei zusätzliche Wohnungen, die öffentlich vermietet werden können. Insgesamt gibt es schlussendlich sechs Wohnungen auf dem Areal. Das entspricht auch dem Wunsch der Kirche, dass das Zentrum ganz verschiedene Funktionen wahrnehmen kann. Im April beginnen die Bauarbeiten, das wird spektakulär, weil das ganze Stockwerk voraussichtlich Ende Juni in nur einer Woche aufgestellt wird. Es handelt sich um vorfabrizierte Grosstafelelemente aus Holz. Die Gebäude erhalten schliesslich wieder einen orangefarbenen Anstrich, wobei das Orange der Kirche sicher etwas leuchtender wird als dasjenige von 1973. Die Fenster sind neu nicht mehr grün, sondern anthrazitfarben eingefasst.

Sind Sie bei den bisherigen Arbeiten auf Schwierigkeiten gestossen?

Es hat eigentlich alles reibungslos geklappt. Einzig genügend Platz für das Erdsondenfeld zu finden war schwierig. Diagonal unter dem Grundstück liegen nämlich in etwa 50 Meter Tiefe zwei Frischwasserkanäle der Wasserversorgung. Die Erdsonden müssen dazu einen Sicherheitsabstand einhalten und sind jetzt neben der Kirche geplant. Wenn alles weiterhin so gut läuft, feiern wir im Herbst die Einweihung.

Die Kirche und die Ökologie

Dass sich die katholische Kirche mit «grünen» Themen auseinandersetzt, ist kein neues Phänomen. Wie Kämpfen im Interview erwähnt, wurde bereits bei der Flachdachsanierung im Jahr 1998 unter dem Stichwort «Zur Erhaltung der Schöpfung» im Zusammenhang mit dem Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen und dem Aufkommen der Photovoltaik eine Anlage auf dem Kirchendach verwirklicht. «Ökologie war in unserer Pfarrei immer ein Thema, so wurden auch beim Umbau des Pfarrhauses und des Saalgeschosses 2005 bewusst besser wärmegedämmte Fenster eingebaut», sagt Bruno Zimmermann, Präsident der Kirchenpflege. In den vergangenen Jahren hat der Stadtverband begonnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und beschlossen, zusätzliche Beiträge für energieeffiziente Lösungen zu sprechen. Ein Teil der installierten Anlage in der Kirche Heilig Geist kann deshalb mit Sonderbeiträgen vom Stadtverband finanziert werden.

Zu Beat Kämpfen
2001 baute der Architekt das älteste Mehrfamilienhaus mit einer Null-Energiebilanz, das «Sunny Woods» im Rütihof. Seit Mitte der 90er-Jahre ist er auf Holzbauten und Solarenergie spezialisiert. Für erneuerbare Energien sensibilisierte ihn sein Studium an der University of California, für die er 1980 als junger Absolvent der ETH ein Stipendium für ein Nachdiplom erhielt. Als er 1983 sein eigenes Architekturbüro in Zürich eröffnete, war die Zeit noch nicht reif, um seine Ideen durchzusetzen. Inzwischen gilt Beat Kämpfen als Pionier des solaren und ökologischen Bauens. Alleine in Höngg stehen vier mit dem Schweizer Solarpreis ausgezeichnete Bauten, 2016 erhielt er den Schweizer Solarpreis ad personam.

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