Kalter Krieg in Comic-Form

Dass Comics nicht nur etwas für Kinder sind, wissen zumindest jene Erwachsenen, welche die bebilderten Bücher selbst lesen. Für sie hat der Illustrator Walter Pfenninger den Dokumentar-Comic «Feindgebiet» gezeichnet und geschrieben.

Illustrator Walter Pfenninger zeichnet seine Comics an seinem Arbeitsgerät, einem Grafiktablett, welches mit dem Computer verbunden ist.

Grafiker und Illustrator Walter Pfenninger, der seit zwanzig Jahren in Höngg wohnt, ist seit Kinderzeiten ein Fan von Spionage-Geschichten. Als er Mitte Zwanzig war, stöberte er oft in Antiquariaten und Brockenhäusern nach Büchern mit Spionage-Themen. Vor vier Jahren gerieten ihm einige dieser damals gekauften Bücher wieder in die Hände. «Solche Geschichten sind immer sehr spannend. Diejenige von Francis Gary Powers, von dem mein Comic ‹Feindgebiet› handelt, ist besonders brisant, weil sie wahr ist.»
Im Oktober 2008 begann Walter Pfenninger als Test einen vierseitigen Comic zum Thema zu zeichnen. Ein halbes Jahr später erstellte er ein Exposé, welches Thema und Inhalt beschrieb, mit dem er sich bei diversen Comic-Verlagen bewarb. «Ein Verlag zeigte sich interessiert, ein weiterer ermutigte mich zum Weitermachen und gab mir wertvolle Tipps.» Um möglichst genaue Informationen über Francis Gary Powers zu erhalten, stöberte Walter Pfenninger im Internet und machte Powers’ Sohn ausfindig, der das «Cold War Museum» gegründet hat. Dieser konnte dem Illustrator viele Fragen beantworten und stellte ihm Fotomaterial seines Vaters zur Verfügung.
Im Juli 2010 bewarb sich der Grafiker mit seinem Spionage-Comic-Projekt um das Comicwerkjahr der Stadt und erhielt prompt einen Druckkostenbeitrag von 3000 Franken zugesprochen. Wenige Monate später konnte Pfenninger eine Testversion von Testlesern begutachten lassen. «Es kam einiges an Anregungen und Kritik zusammen», erinnert er sich. Krimiautor Peter Zeindler half ihm, die Dialoge zu verbessern, und der Physiker Andreas Reinhard unterstützte ihn bei der Rekonstruktion der Flugzeugabsturz-Szenen.

Comic-Festival in München besucht

Da sich der bisher involvierte Verlag vom Projekt zurückzog, besuchte Walter Pfenninger mit einigen vorab gedruckten Exemplaren im Gepäck 2011 das Comic-Festival in München. Sein Ziel: einen neuen Verlag zu finden, der «Feindgebiet» veröffentlichen wollte. Diesmal sollte das Unterfangen glücken, und der kleine, deutsche Verlag «Zwerchfell» druckte den Spionage-Comic. «Aus ursprünglich 88 Seiten wurden 120», erzählt der Illustrator, der seinen Zeichnungsstil «Ligne claire», also klare Linie, nennt. «Dies ist ein realistischer Stil, in dem auch der Belgier Hergé, der Erfinder von Tim und Struppi, gezeichnet hat.» Die Skizzen zeichnet der Höngger jeweils mit Bleistift. Dann scannt er diese am Computer ein und bearbeitet sie mit dem Programm Adobe Illustrator weiter, wo sie auch koloriert, also eingefärbt, werden.

Ausstellung in Winterthur

Die Verantwortlichen der Alten Kaserne in Winterthur, welche regelmässig Ausstellungen und Veranstaltungen zum Thema Comics und Cartoons durchführen, hatten ihn schon länger angefragt, ob er einmal eine Ausstellung machen wolle. «Dies schien mir eine gute Gelegenheit, meine jahrelange Arbeit an ‹Feindgebiet› mit einer Ausstellung zum Thema ‹Entstehung eines Doku-Comics› abzuschliessen.»
Gezeigt wurden das Exposé, Recherchematerial, Skizzen, die Testversion und einige Bilder in grosser Grösse. Auf der Rückseite des Comics erfährt man in Kürze, um was es geht: «Das Unternehmen war riskant. Doch während des Kalten Krieges war es fast die einzige Möglichkeit für die USA, an Informationen über die Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion zu gelangen.» 1960, also mitten im Kalten Krieg, den sich die beiden Supermächte Amerika und Sowjetunion lieferten, waren viele Spione der beiden Länder im Einsatz. Einer davon war der Amerikaner Francis Gary Powers. Er flog mit einer U-2, einem speziell konstruierten Flugzeug mit eingebauter Kamera, über die Sowjetunion und sammelte Bildmaterial von den feindlichen Industriezentren – dies aus 20 Kilometern Höhe. Einige seiner Flüge verliefen gut – doch bei einem wurde er von sowjetischen Raketen «abgeschossen», da er sich auf feindlichem Gebiet bewegte. «Ich denke, dass für Powers die Abenteuerlust und das Geld die beiden Auslöser waren, das Risiko überhaupt einzugehen. Er setzte dafür aber seine Ehe aufs Spiel, denn seine Frau fühlte sich einsam und wurde später zur Alkoholikerin», erzählt Walter Pfenninger. Dies wird im Comic ebenfalls erzählt, was eine Nähe schafft und dem Leser die Gefühle der beiden Menschen etwas näher bringt.

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