«Kalt? Ich finde es ganz angenehm jetzt!»

Während die Höngger in den letzten Wochen bei den herrschenden Temperaturen ins Schlottern gerieten, war es einem von ihnen ganz wohl: Heiner Kubny, Polarexperte, erzählt von richtig kalten Gefilden.

Die Eisfans Rosamaria und Heiner Kubny zuhause. Direkt unter ihrer Wohnung führt keine Eisbahn, dafür aber eine Eis(en)bahnstrecke durch.
Sonnenaufgang am Nordpol, eine magische Stimmung beim Camp-Aufbau.
Eine Eisbärin mit ihren Jungen. Für die Futtersuche müssen weite Strecken geschwommen werden — nicht alle Eisbärenjungen überleben das.
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«Mit den kalten Temperaturen habe ich gar kein Problem, ich fand sie sogar angenehm», sagt ein entspannter Heiner Kubny. So richtig kalt sei es hier nicht. «Seit 15 Jahren bin ich mit meiner Frau Rosamaria regelmässig in der Arktis und Antarktis unterwegs. Dort fi ndet man Temperaturen von bis zu minus 45 Grad Celsius. Das Kälteste, was ich je erlebt habe, sind während eines Fallschirmabsprungs minus 58 Grad über dem Nordpol aus 3000 Metern Höhe, bei der Landung waren es minus 42 Grad.» Die Ausrüstung ist bei solchen Expeditionen ganz wichtig. Heutzutage gibt es Stiefel, welche einen bis zu minus 70 Grad warm halten. «Zudem sind Daunenjacken und -hosen wichtig. Spannend ist, dass die Inuit bloss Filzstiefel tragen, welche bestens isolieren.» Dank der trockenen Kälte ist dies möglich, wäre es feucht, so würden auch diese Stiefel feucht werden. Wichtig ist aber auch, sich zu bewegen, und sei es nur, Walkbewegungen mit den Füssen oder den Zehen zu machen.

Polarnacht bringt Dunkelheit

Die beiden Kältefreunde sind sogar im Sommer in der Kälte: Fünf Monate pro Jahr verbringen sie in den kältesten Regionen der Welt. «Spitzbergen oder Grönland in der Arktis kann man nur im Sommer besuchen, im Winter herrscht dort Polarnacht», erklärt Rosamaria Kubny. Was versteht man unter Polarnacht? «Am 21. März geht beim Nordpol die Sonne auf. Erst am 21. September geht sie dann wieder unter. Danach folgt bis zum nächsten März Dunkelheit, dies ist die sogenannte Polarnacht», erklärt Rosamaria Kubny.

Vom Baugewerbe in die polaren Gebiete

Seitdem die beiden dem Zauber dieser ganz anderen Welt erlegen sind, dreht sich ihr Leben ums Eis, um die Flora und Fauna und ums Reisen. «Wir reisen nicht mehr nur selbst in die Arktis und die Antarktis, sondern beraten Reisebüros und Reedereien – vor allem in der Schweiz, Holland und Russland –, wie sie ihre Reisen am besten planen sollen. Durch unsere langjährige Erfahrung vertraut man uns», so Heiner Kubny. Ihre Jobs im Baugewerbe hängten er und seine Frau bereits vor ein paar Jahren an den Nagel. Beide fotografieren und filmen zudem seit Jahren. Bei einer entstandenen Multivisionsschau waren insgesamt 50 000 Eintritte zu verzeichnen. «Wir hätten nie gedacht, dass das Interesse an unseren Erlebnissen so gross ist. Deshalb haben wir vor neun Jahren das ‹Polar News Magazin› lanciert, mit welchem wir Menschen aller Altersgruppen ansprechen, die sich für die polare Welt interessieren», erklärt der Polar-Experte. Das Fachmagazin erscheint zweimal jährlich und ist kostenlos. «Gerne stellen wir das ‹Polar News Magazin› Schulen zu, damit die Kinder einen engeren Bezug zu ihrer Umwelt erhalten und hoffentlich so zu bewussten Erwachsenen werden, die mit der Umwelt nicht so umgehen wie wir heute.» Sie sind sich bewusst, dass die Reisen die Umwelt ebenfalls belasten, doch nur so könne man die Schönheit und Zerbrechlichkeit der Erde und ihrer tierischen Bewohner zeigen. «Was man selbst erlebt und gesehen hat, das schützt man viel eher», haben die Kubnys die Erfahrung gemacht. Denn nicht nur der König der Arktis, der Eisbär, braucht Hilfe, sondern auch die Walrosse, Albatrosse und Pinguine in der Antarktis nagen am Hungertuch: «In den vergangenen Jahren waren vor allem die Bestände der Walrosse viel grösser, von Jahr zu Jahr werden es weniger Tiere. Das heisst, dass ihre Lebens- und Jagdräume schwinden und sie deshalb an Hunger sterben oder ihren Nachwuchs nicht mehr ernähren können», sagt Heiner Kubny bekümmert. Eindrücklich sehe man das am Beispiel der Eisbären: «Eisbärenmütter gebären in einer Eishöhle an Land. Mit ihren Jungen machen sie sich dann im Frühjahr auf den Weg Richtung Norden.» Da das Eis an manchen Orten fehlt, versuchen sie es schwimmend zu erreichen, dabei ertrinken die Eisbären-Babys teilweise an Erschöpfung. «Die Hauptnahrung der Eisbären sind Robben auf Eisschollen. Viele Eisbären verpassen den Zeitpunkt, um aufs Eis zu kommen, und sind bis zum nächsten Winter zum Landbewohner verdammt worden. Da findet der König der Arktis aber nicht genügend Nahrung: Vogeleier, schwache Tiere und angeschwemmte Walkadaver stehen für die nächsten Monate auf seinem Speiseplan, zu wenig, um für den nächsten Winter gerüstet zu sein.» In diesem Sinn bleibt dem Unterfangen von Rosamaria und Heiner Kubny viel Erfolg zu wünschen – damit möglichst viele Menschen erfahren, wie zerbrechlich die Natur- und Tierwelt geworden ist – und dies wegen der Menschen.

 

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