Jedem seine Höngger Beiz?

In Höngg schliessen und eröffnen Restaurants. Das war schon immer so und andernorts nicht anders. Doch in «Höngg am Ölberg» scheint man darauf besonders sensibilisiert. Ein Blick zurück und in die nahe Zukunft schafft etwas Klarheit.

Öffnet voraussichtlich Anfang 2016 wieder: Das Restaurant Limmatberg.
Sollte gemäss Besitzer im Frühling 2016 auch wieder öffnen: Der «Limmathof» bei der Europabrücke.
Endgültig ausgetrunken heisst es seit November 2014 im «Rebstock»: Dort zieht bald ein Herz-Kreislaufzentrum ein.
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Höngg, so ist manchmal zu hören, habe einst an die 50 Gaststätten gezählt. Das stimmt – allerdings nur, wenn alle seit dem Spätmittelalter bezeugten Wirtschaften gleichzeitig bestanden hätten. Ebenso hartnäckig ist im «Dorf» jeweils dann, wenn wieder ein Restaurant schliesst, zu hören, es fehle an einer echten «Dorfbeiz», einem einfachen, aber guten Treffpunkt für das Höngger Quartierleben. Fragt man jedoch nach, was genau denn fehle, gehen die Meinungen weit auseinander: Von einem Treffpunkt für Vereine über einen für Handwerker oder Familien bis zu einer trendigen Bar wird alles genannt. Ob es dies, abgesehen von der Bar, nicht schon in der einen oder anderen Form gibt, bleibt wohl eine ungelöste, persönliche Ansichts- beziehungsweise Geschmackssache.
Tatsache ist, dass es in Höngg derzeit, die Restaurants Neue Waid und Tessin Grotto mitgerechnet, 18 offene Restaurants und Cafés gibt. 

Rund 150 Jahre nur eine Wirtschaft

Das war nicht immer so, wie ein Blick auf historische Angaben* zeigt. «Seit wann in Höngg eine Wirtschaft bestand, wissen wir nicht», schreibt Georg Sibler in seiner «Ortsgeschichte Höngg». Die erste sichere Quelle nennt 1408 einen Wirt «Hensli Müller», als «besseren Steuerzahler» von Höngg. Um 1530 waren erst zwei Wirte tätig. Ab 1645 ist nur noch einer bekannt, und dieser und seine Nachfolger betrieben für die nächsten rund 150 Jahre das einzige Höngger Restaurant, den seit mindestens 1799 so benannten «Rebstock» im Gesellenhaus am Meierhofplatz. Jedem Höngger war es zwar erlaubt, eigenen Wein auszuschenken, eigentliche Wirtschaften gab es neben dem Gesellenhaus jedoch nicht.
Dazu brauchte es zuerst die Franzosen: Im Zuge der Französischen Revolution fand man auch in Höngg zur Gewerbefreiheit und so eröffneten bald neue Gaststätten. Bis 1831 blieben es deren fünf, ein Jahr später verdoppelte sich die Zahl und stieg bis Ende des 19. Jahrhunderts auf 20 an. Sibler vermutet, dass der Anstieg mit der Industrialisierung einherging: «Handwerker, Arbeiter und Kaufmänner hatten sicher häufiger Interesse, den Feierabend in einer Wirtschaft zu verbringen als die Bauern», schreibt er. Hinzu kam, dass ab Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt begüterte Zürcher Ausflüge aufs Land unternahmen. Was nebenbei bemerkt eine der beiden Erklärungen für den Begriff «Höngg am Ölberg» ergab: Man ging nach Höngg, um zu «ölen», also zu trinken, – und kehrte mit «Öl am Hut» – also betrunken – wieder heim»**.

Limmathof, Rebstock, Limmatberg

Zwischen 1912 und 1957 existierten immer 22 bis maximal 25 Höngger Wirtschaften gleichzeitig. Ab 1961 ging die Zahl zurück und fiel bis 1999 auf unter 20, mit einem Tiefststand von 16 Betrieben. Nach der Jahrtausendwende stieg die Zahl wieder auf 21 Betriebe an. Doch in den letzten Jahren schlossen erneut deren drei.
Den Anfang machte Ende Juni 2012 das Restaurant Sicilia gleich neben der Europabrücke: Nachdem das Haus Limmathof den Besitzer gewechselt hatte, baute dieser die denkmalgeschützte Liegenschaft komplett um. In den oberen Etagen wurden kleinere Wohnungen eingebaut, die möbliert als Businessappartements vermietet werden. Im Erdgeschoss, so teilte der Besitzer dem «Höngger» im November 2012 mit, sollte wieder ein Restaurant entstehen. Die Umbauarbeiten wurden dann auch begonnen, ruhten aber das letzte halbe Jahr. Auf Nachfrage war aktuell zu erfahren, dass diese Tage die Arbeiten weiter gehen würden und im Frühjahr die Neueröffnung zu erwarten sei. Ein Pächter für das nach Wunsch des Besitzers mediterrane Restaurant ist noch nicht bestimmt.
Dann folgte Ende November 2014 der «Rebstock». Er schloss «sang- und klanglos», wie «Zürich Nord» (6. November 2014) damals berichtete: Der Pachtvertrag für Martin Heinrich sei ausgelaufen und er habe mit dem Hausbesitzer, seinem Bruder, keinen Folgevertrag abschliessen können, da der verlangte Mietzins zu hoch gewesen sei. Auf Nachfrage des «Hönggers» wollte Martin Heinrich nun, nach einem Jahr, keine Auskunft mehr dazu geben. Derzeit werden das ehemalige Restaurant und seine Nebenräume umgebaut: Einziehen wird sinnigerweise ein Herz-Kreislauf-Zentrum.

Der «Limmatberg» öffnet bald wieder

Und erst gerade schloss Ende September der «Limmatberg», einst lange Zeit der Treffpunkt vieler Höngger Vereine. «An diese Tradition wollen wir anknüpfen», verriet der mit der Neuvermietung betraute Rechtsanwalt Bruno Dohner dem «Höngger». Dem Höngger Zünfter ist es ein grosses Anliegen, den «Limmatberg» wieder zu einem Begegnungszentrum für das ganze Quartier werden zu lassen: «Die Höngger Bevölkerung und insbesondere die zahlreichen Vereine sollen wieder eine gastronomische Heimat finden», schreibt Dohner. Auch ein geeigneter Pächter konnte gefunden werden, der mit einer italienisch-mediterranen Küche zu moderaten Preisen in einer stilvoll gepflegten und dennoch lockeren Atmosphäre Gäste bewirten will.
Im bisher als Bar und Fumoir genutzten Raum entsteht eine quartierbezogene Besonderheit: Höngger Weinproduzenten und -händler präsentieren in einer Vinothek ihre lokalen, nationalen und internationalen Weine und der Gast wählt dort auf Wunsch seinen Wein selber aus. Die angefragten Weinhändler und -bauern Daniel Wegmann, Obsthaus Wegmann, Robert Zurbriggen, WeinArt, und Walter Zweifel, Zweifel Weine, haben ihre Mitwirkung bereits zugesagt. Gemeinsam mit dem Wirt planen sie nun die konkrete Gestaltung der Höngger Vinothek.
Die Neueröffnung ist auf Anfang Januar 2016 geplant. Bis dann müssen noch einige Arbeiten im und um das Haus fertiggestellt werden, wie Dohner schreibt.
Wenn alles klappt, wird sich die Zahl der Höngger Gastronomiebetriebe also bald wieder auf 19 erhöhen. Ob dann das Gewünschte, wie eingangs beschrieben, dabei ist, wird wohl weiterhin eine am besten bei einem Glas Wein diskutierte Geschmackssache bleiben.

* Alle historischen Angaben aus der «Ortsgeschichte Höngg» von Georg Sibler, erhältlich im Ortsmuseum Höngg.
** Die zweite Erklärung für den Begriff «Höngg am Ölberg», die oft genannt wird, bezieht sich auf ein «Bildnis unseres Herrgottes am Ölberg», das im Herbst 1523 von drei Hönggern «abgetragen» worden ist. Das Bildnis bestand vermutlich aus holzgeschnitzten Figuren und hatte, so belegen Gerichtsakten, «vor der Kirche», also im damaligen Friedhof und mit Blick in Richtung des Pilgerortes Einsiedeln, gestanden. Die drei Höngger, alle aus heute noch ansässigen Geschlechtern, wurden verurteilt, der Haupttäter sass sogar einige Tage im Verliess des Wellenberg-Turms. Hätten sie sich noch ein paar Monate geduldet, wäre alles legal gewesen: 1524 liess die Stadt Zürich im Zuge der Reformation offiziell alle Heiligenbilder entfernen.

In eigener Sache:
Wer weiss, wann die Restaurants «Winzerstübli» (Winzerstrasse 65), «Freihof» (Am Wasser 87) und «al Porto» (Limmattalstrasse 196, im Hönggermarkt) schlossen? Angaben bitte an redaktion@hoengger.ch oder Telefon 044 340 17 05. Besten Dank!

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