Im Übergewichtsanzug unterwegs durch das Waidspital

Wie fühlt es sich an, wenn man massiv übergewichtig ist? Wie schneiden alte Menschen einen Apfel? Was fehlt meinem Teddybär? Diese und viele andere Fragen wurden letzten Samstag am Tag der offenen Tür im Stadtspital Waid selbst erfahren und beantwortet.

Der Rega-Helikopter zog Klein und Gross an – von so nah sieht man ihn selten.
Beschriftung
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Laut dröhnt es vor dem Spital, als der Rega-Helikopter, ein Eurocopter EC 145 mit einer Rotordrehzahl von 383 Umdrehungen pro Minute, auf dem Landeplatz aufsetzt und die Haare der Schaulustigen zum Fliegen bringt. Eine Sensation ist er, die hautnah besichtigt werden darf. Der Pilot gibt den unzähligen Fragenden Auskunft, die Kinder werden von ihren Eltern hochgehoben und dürfen einen Blick ins Innere des Rettungshelikopters werfen. «Wow, ich bin hin und weg!», lässt Maurice Codourey, Leiter Kommunikation und Marketing des Spitals, verlauten. Zum ersten Mal sieht er, wie die meisten Besucher des Tags der offenen Tür, einen Rega-Helikopter von innen. Das passt zum heutigen Motto «Präven­tion und Perspektivenwechsel», denn an diesem Tag sollen die rund 1700 Besucherinnen und Besucher einmal die Perspektiven wechseln.

Adipositas am eigenen Leib erleben

Auf der bariatrischen Abteilung, welche schwergewichtige Patienten betreut, kann man in Übergewichtsanzüge, sogenannte Fatsuits, steigen und spürt am eigenen Leib, wie sich dicke Menschen fühlen: Schnürsenkel binden oder den Hosenknopf schliessen sind eine Herausforderung, in einem Stuhl mit Armlehnen zu sitzen vermeidet man, da man dann mit dem Stuhl am Po wieder aufsteht, weil die Körpermasse im Stuhl steckenbleibt. Auch das Aufstehen aus am Boden liegender Position erinnert an einen hilflosen Käfer, der auf dem Rücken liegt: Man dreht sich mit dem wenigen noch vorhandenen Schwung zur Seite, stützt sich auf die Knie und hievt sich so ächzend hoch. Treppensteigen ist nur mit einem Fuss möglich, denn die dicken Beine lassen ein normales Kniebeugen gar nicht zu.
Auf die Frage eines Besuchers, wie sie sich im Fatsuit fühle, sagt die Befragte: «Schrecklich! Ich wusste nicht, wie sich Übergewichtige fühlen, nun kann ich es mir etwa vorstellen.» Schwitzend schält sie sich aus dem Anzug und fühlt sich «ganz leicht»: So merkt man zudem, was nur schon ein paar Kilo Übergewicht ausmachen und dass man seinem Körper diese Schwerarbeit ersparen sollte. Dr. med. Sascha Allan Filz, der die Fatsuits erfunden hat, erklärt, dass sich wegen all der obengenannten Handicaps Übergewichtige Vereinfachungen suchen: So werden oft nur noch Schlüpfschuhe getragen, die man nicht binden muss, Trainerhosen und Leggings, die man nicht zuknöpfen muss, und auf Stühlen mit Seitenlehnen wird nicht gesessen.

«Kannst du keine schöneren Apfelschnitze schneiden?!»

Weiter mit Erleben und Begreifen geht es im Alterssimulator: Ausgerüstet mit einem Helm, der einem ein leicht verschwommenes, eingeschränktes Sichtfeld gibt, das Hörvermögen einschränkt und einen ganz generell abschottet, mit Gewichten an Rücken und Beinen, die einem eine gebeugte Haltung aufzwingen, und Handschuhen, die versteifte Finger imitieren, geht es auf den Parcours. Es gilt, einen Apfel zu schälen und dann Schnitze zu schneiden. Alles dauert länger, die Schnitze werden etwas unförmig, da die Hände nicht so wollen, wie man es gern hätte. «Und jetzt stellen Sie sich vor, Ihr Mann bekommt von Ihnen die Schnitze vorgesetzt und moniert: ‹Kannst du nicht schönere Stücke schneiden?!› – das kann ganz schön am Selbstvertrauen nagen», sagt die Betreuerin des Parcours und spricht damit an, wie alte Menschen sich je nach Umfeld fühlen können.

Ein Gips für «Äffli»

Weniger nachdenklich – zumindest für die Erwachsenen – geht es in der Teddyklinik zu und her: Nachdem die Kinder und ihre Eltern dem lustigen Zauberer zugeschaut haben, geht es mit dem mitgebrachten Plüschtier zum Arzt. Behandelt werden nebst Teddybären Affen, Puppen, Esel, Hunde und viele andere Plüschtiere, insgesamt über 200. Die «Kinderfreunde» werden untersucht, geröntgt, operiert, verbunden, eingegipst und in der Apotheke mit Medikamenten versorgt. Das Röntgengerät ist eine Styroporkiste mit Aludeckel, in welcher ein rotes Velolicht bei der «Röntgenaufnahme» blitzt. Eingegipst werden pelzige Arme, Pfoten und Schwänze mit richtigem Gips-Material, als Medikamente gibt es nebst farbigen Pflästerchen auch ein Bonbon für die Kinder.

Wenn aus dem Sixpack ein Fatpack wird

Interessante Kurzvorträge der Chefärzte PD Dr. med. Manuel Fischler und PD Dr. med. Stefan Wildi, Dr. med. Michael Dietrich sowie dem Medizinischen Direktor Professor Dr. Patrice Ambühl zu Themen wie etwa «Fit ins hohe Alter», «Vorbeugung von Nierensteinen» oder «Übergewicht – Jedes Kilo weniger zählt» zogen die Zuhörerinnen und Zuhörer an und gaben ihnen wertvolle Tipps. So sagte etwa Dr. med. David Ifanger vom Adipositas- und Stoffwechsel-Zentrum Zürich, dass in der Schweiz jährlich 5,6 Milliarden Franken wegen Übergewicht und dessen Folgekrankheiten ausgegeben werden, zu oft werde aus dem «Sixpack» ein «Fatpack».
«Drei Mahlzeiten am Tag genügen, Sie müssen nicht achtmal am Tag essen, um abzunehmen. Wer abnehmen will oder muss, sollte jedoch nicht unter 1100 Kilokalorien pro Tag zu sich nehmen. Eine Diät sollte zudem das ganze Leben lang anwendbar und nicht einseitig sein.» Mit diesen Informationen ausgestattet, biss man ruhigen Gewissens in den offerierten Apfel und liess die Gedanken schweifen: Was passiert, wenn ich einmal ins Spital muss? Wie kann ich dem vorbeugen? Wie kann ich meinem Körper helfen, damit er nicht krank werden muss, um mit diesem Hilfeschrei auf sich aufmerksam zu machen? Spätestens jetzt erkennt man, dass man selbst viel zu seiner Gesundheit beitragen kann und auch muss.

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