Im Herzen verreisen

Zwei Wochen lang hatte der Musikverein Höngg gebangt, ob er die Konzerte in der Kirche tatsächlich würde durchführen können. Er konnte und die Ränge waren voll.

Die Kirche Heilig Geist ist an diesem Sonntag, wie auch schon am Freitag davor, fast bis auf den letzten Platz besetzt. Die Spieler*innen des Musikvereins Höngg strahlen, allen voran der Dirigent Bernhard Meier. Gerade haben sie ihr Konzert mit einem Prelude von Philip Sparke eröffnet, und das Publikum bedankt sich mit euphorischem Applaus. Endlich wieder für andere spielen, endlich wieder ein Livekonzert geniessen, in diesem Moment ist das Glück im Raum fassbar. Die Hände wollen fast nicht aufhören zu klatschen, dabei war dies erst der Auftakt der Reise, die dieses Mal in den Norden, nach England und Irland, geht.

Durch den Abend führt Roman Limacher, Aktivmusikant und Vize-Dirigent. Aktuell absolviert er eine Ausbildung zum Piloten, und das Begrüssen der Mitreisenden hat er bereits im Blut. Charmant erklärt er ihnen das Reiseprogramm. Nach einem Ausritt unter wolkenverhangenem Himmel über englische Hügel und Morgentau, geniesst die Gruppe – begleitet von der sanften «Yorkshire Ballad» von James Barnes – die Zugfahrt bei Tee und Scones, dem traditionellen englischen Gebäck.

Immer wenn in der hintersten Reihe des Orchesters die stehenden Perkussionisten in Stellung gehen, ist Action angesagt. So auch bei «Country Gardens». Percy Grainer hatte das Stück 1918 für Piano arrangiert. Scheinbar war ihm das volkstümliche Tanzlied im Original aber zu langweilig und er mischte absichtlich ein paar falsche Töne in die Komposition. Der Musikverein setzt das wundervoll um, man wähnt sich in einem alten Disneyfilm. Viel zu schnell kündigt Limacher, der dafür rasch in seinem schönsten Weihnachtspulli geschlüpft ist, das letzte Stück der Reise an: «Cry of the Celts» von Ronan Hardiman, arrangiert von Peter Graham. In fünf Sätzen erfahren die Reisenden vom Kampf der irischen Kelten, von den harten Lebensbedingungen und der Befreiung und schliesslich vom triumphalen Sieg. Doch selbst in diesem Sieg schwingt die Erinnerung an Verlust und Entbehrungen mit, es ist keine Leichtigkeit zu hören, nur der bare Wille zur Stärke. Das Publikum möchte die Musiker*innen nicht gehen lassen und hört nicht auf zu applaudieren. Als Abschiedsgruss spielt der Musikverein das Stück «Bluebells of Scotland» von Leroy Anderson und entlässt das glückliche Publikum nach einer musikalischen Reise in den Abend.

 

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