Gewerbe
Im falschen Film
Die Kolumne von Nicole Barandun-Gross, Präsidentin des Gewerbeverbands der Stadt Zürich.
5. Februar 2025 — Eingesandter Artikel
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Seit ich in der Schule eine Arbeit zum Städtebau von Brasìlia geschrieben habe, war es mein grosser Wunsch, einmal Brasilien zu bereisen. Das habe ich nun getan, obwohl man gar nicht mehr so weit reisen und schon gar nicht fliegen sollte. Trotzdem: Reisen bildet, es war unglaublich eindrücklich.
Superblocks ab dem Reissbrett
In den 1960er-Jahren wurde im Nirgendwo Brasìlia als ideale Stadt der kurzen Wege geplant und gebaut – im Glauben, die Gesellschaft würde sich schon an den Stadtentwurf anpassen, denn sie sollte in den Superblocks alles vorfinden und nutzen, was sie zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse benötigt. Was damals schon nicht funktionierte, manifestiert sich auch heute: Die Leute fahren im Auto zu Läden ausserhalb und, wer es sich leisten kann, die Kinder zum favorisierten Betreuungsangebot.
Im Klimaschutz im Mikromanagement angekommen
Obwohl klar ist, dass aufoktroyierte Prinzipien nicht funktionieren, will Zürich im Namen des Klimaschutzes Quartierblöcke schaffen und ignoriert, dass der Mensch selbstbestimmt leben und seinen Bewegungsradius individuell wählen will. Das Hauptziel, die Verbannung des Autos, ist dabei unverkennbar. Die Stadtverwaltung verliert sich im Detail und schwächt so die Wirtschaftsleistung. Sie bindet wertvolle Ressourcen für die Herausgabe immer neuer, umfangreicherer Klimaziel-Leitfäden und schaut den Leuten sogar auf den Teller: 330 Gramm Fleisch pro Person und Woche ist genug, sagt sie. Hat für mich weniger mit Netto-Null als mit gesunder Ernährung und Tierwohl zu tun.
Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Infrastruktur
Niemand verweigert den Klimaschutz, Bewusstsein und Verhalten der Bevölkerung zeigen das. Aber Netto-Null in zehn Jahren? Anders als im 207-mal grösseren Brasilien, wo es, man staune, keine Eisenbahn gibt und darum Fliegen zum Alltag gehört, diskutieren wir in der kleinen Schweiz in diesem Zusammenhang über einzelne Nachtzüge. Kurze Wege, ja! Waren und Dienstleistungen in der Nähe zu beziehen, das ist nachhaltig. Nachhaltig sind darum faire Rahmenbedingungen fürs Gewerbe, wie Erhalt von Gewerbezonen, Abbau unnötiger Bürokratie, liberale Ladenöffnungszeiten, Umschlag- und Parkier-Regelungen, die das Arbeiten unterstützen und nicht erschweren. Und bitte nicht erst in zehn Jahren.
Nicole Barandun-Gross
Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich
www.gewerbezuerich.ch
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