«Ich wünsche mir mehr Akzeptanz»

A.B., eine junge Frau mit einem freundlichen Lächeln, arbeitet bei der ESPAS in Höngg als Büroassistentin. Die Arbeit macht ihr Spass, sie fühlt sich wohl bei ESPAS und im Gegensatz zu ihrer alten Stelle nicht unterfordert.

Von der speziellen Maus abgesehen sieht der Arbeitsplatz von A.B. aus wie jeder andere.

A.B. kommt ursprünglich aus Indien, sie wurde als Baby adoptiert und wuchs im Aargau auf. Auch heute wohnt sie noch dort. Sie ging in den öffentlichen Kindergarten und wechselte aufgrund der linksseitigen Lähmung, die sie seit der Geburt hat, zu den Zentren Körperbehinderte Aargau (zeka). Dort werden unter anderem ärztlich verordnete Therapien in den Stundenplan integriert und dank den intensiven Physio- und Ergotherapien machte A.B. enorme Fortschritte. Obwohl der Arzt ihren Eltern in der Schweiz damals gesagt hat, sie werde wohl nie gehen können, kann sie dies heute gut und die halbseitige Lähmung ist kaum mehr sichtbar. Die Lähmung selber ist für sie nicht das Problem, sondern vielmehr die zusätzlichen Beeinträchtigungen: Die Gleichgewichtsprobleme, die öfters auftretenden starken Gelenkschmerzen, die Sehnenscheidenentzündungen oder Rückenverspannungen. Und seit einem Treppensturz wegen ihrer Gleichgewichtsstörungen nimmt sie lieber den Lift, sofern einer vorhanden ist.

Eine Aargauer Patriotin

Nachdem zeka ein Bürozentrum eröffnet hatte, entschied sich A.B., dort die praktische Ausbildung als Büroassistentin zu machen. Nach der Ausbildung blieb Sie zeka treu, bis sie anfangs 2018 beschloss, die Stelle zu wechseln. Sie fühlte sich einfach nicht mehr wohl und zu stark an ihre Beeinträchtigung erinnert. «Das hat mich mit der Zeit runtergezogen, ich habe gemerkt, dass ich da irgendwie nicht mehr reinpasse», erläutert Sie. A.B. wurde auf ESPAS aufmerksam und bewarb sich dort. Seither arbeitet Sie in der Administrationsabteilung von ESPAS. Ihre Aufgabe besteht hauptsächlich darin, Kundenbestellungen zu erfassen. Die Arbeit gefällt ihr gut. Im alten Job sei sie unterfordert gewesen, sie hatte oftmals zu wenig zu tun. A.B. lebt mit ihrem Partner, ist aber selbstständig, und auch bei der Arbeit braucht sie wenig Unterstützung. Da sie immer noch im Aargau lebt nimmt sie den Arbeitsweg von über einer Stunde in Kauf, am Mittag sogar eineinhalb. Das führe manchmal auch dazu, dass ihr Privatleben zu kurz käme. Ihr Partner arbeitet in der Nacht, sodass die Zeit, in der sie sich sehen, begrenzt ist. Aber im Aargau gäbe es einfach nicht die passende Institution für Sie. Nach Höngg ziehen will sie auch nicht, sie findet: «Ich bin im Aargau aufgewachsen und hier will ich auch bleiben».

Bessere Integration im Arbeitsmarkt

Auch im freien Arbeitsmarkt hat A.B. schon gearbeitet: Sie hat mehrere Praktika gemacht, bei einer Rückversicherung, bei einem Bauunternehmen und beim Empfang bei der Spitex. Die Praktika beschreibt sie als schöne Erfahrung. Auf die Frage, ob sie lieber im ersten Arbeitsmarkt arbeiten würde, zögert sie. Sie hat im Bereich Büroassistenz noch keine Erfahrungen im ersten Arbeitsmarkt sammeln können, weshalb sie es nicht vergleichen kann. Gerne würde Sie aber ein Praktikum im Bürobereich im ersten Arbeitsmarkt absolvieren.
Es ist ihr ein Anliegen, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung besser in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Die dafür zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze sind leider schwer bis kaum zu finden. Darum ist sie froh, gibt es Institutionen wie ESPAS mit angepassten Arbeitsplätzen, denn keine Arbeit zu haben kann sich A.B. nicht vorstellen.
Nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, auch im Alltag wünscht sich A.B. mehr Akzeptanz gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen. Trotz, oder vielmehr auch wegen der nicht vorhandenen Sichtbarkeit ihrer Beeinträchtigung, muss sie sich immer wieder «blöde Sprüche» anhören. Am Morgen hat sie aufgrund ihrer Müdigkeit stärkere Gleichgewichtsprobleme, und so hörte sie am Bahnhof schon Bemerkungen wie «um sechs Uhr morgens schon besoffen?». Oder als sie im Zug einmal fragte, ob sie sich setzen dürfe, antwortete ein Passagier «Nein, sie sind jung, sie können stehen». A.B. ist es leid, sich immer und immer wieder für ihre Beeinträchtigung rechtfertigen zu müssen. «Das tönt jetzt etwas blöd, aber ich denke manchmal: Am liebsten wäre es mir, man würde mir ansehen, dass ich eine Beeinträchtigung habe», sagt sie.

Leidenschaft für Tattoos

Die Arbeit ist für A.B. ein grosser Motivator. «Wenn ich Tiefs habe, dann gehe ich trotzdem arbeiten, das hilft», meint sie. Natürlich besteht ihr Leben aber nicht nur aus Arbeit. Ein weiterer wichtiger Teil in ihrem Leben ist die Musik. Musik hilft ihr, abzuschalten und sich von negativen Gedanken zu befreien, wie sie erklärt. Neben Freunden und ihrem Partner verbringt sie sehr gerne auch Zeit mit ihrem Hund, einer französischen Bulldogge. Eine weitere Leidenschaft ist für sie die Kunst der Tattoos, sie selber hat gleich mehrere. Das Tattoo, welches ihr am meisten bedeutet, zeigt sie auch stolz: Es ziert ihren Unterarm und besteht aus zwei Blumen, darüber ein grosser Tiger. Der Tiger ist nicht nur ihr Lieblingstier, sondern er repräsentiert für sie Stärke. «Ich versuche, nicht aufzugeben, auch wenn es manchmal schwierig ist», erklärt sie. «Wenn es mir schlecht geht, sehe ich mir den Tiger an und denke mir: Hey, für irgendwas hast du das ja gemacht!»

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