Ich und die Askese

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt regelmässig über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute darüber, was der Reiz des Verzichtes ist.

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(Foto: Freepik)

Der Sommer ist wunderbar, im Moment, stimmts? Eine schier endlose Reihe von trockenen Tagen, täglich grüsst die Sonne vom Himmel, stetig wird es wärmer. Toll für das Sommerfeeling. Aber irgendwie auch suspekt. Denn im Juni, da regnet es eigentlich ziemlich viel. Es ist nicht normal, dass das Gras auf der Fussballwiese jetzt schon so aussieht und riecht wie in den Sommerferien in Italien, wenn alles einfach nur vertrocknet ist. Weckt schöne Assoziationen an vergangene Urlaube, doch ungetrübt ist die Freude darüber nicht.

Deshalb bin ich wieder mal ins Grübeln geraten, wie ich mich selbst dazu bringen könnte, tatsächlich etwas an meinem Verhalten zu ändern. Und bin dabei auf den Begriff des Verzichts gestossen. Denn es klingt zwar wie eine alte Leier, aber eigentlich hätten wir es ja schon in der Hand, nachhaltig zu handeln: wir müssten weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger konsumieren. Von allem einfach weniger. Aber dieses Weniger passt irgendwie nicht in unser Verhaltensmuster. Oder nur theoretisch, aber in der Praxis nicht. «Man gönnt sich ja sonst nix», sagt man sich und bucht, wenn auch mit schlechtem Gewissen, eine Flugreise. Oder kauft das x-te neue Handy.

«Das muss jetzt halt mal sein, ein bisschen Spass darf ich auch mal haben», denke ich mir, wenn ich mich ins Auto setze und einen Ausflug mit den Kindern unternehme. Qualitytime mit der Familie ist natürlich viel wert. Aber ein schales Gefühl fährt trotzdem mit.

Also habe ich mir überlegt, man müsste das Konzept ändern. Dieses «Sich belohnen durch Konsum», das muss wieder aus dem Kopf. Man könnte sich ja mal durch Verzicht belohnen. Oder ein ganz neues Belohnungsmuster finden. Wie das genau geht, weiss ich noch nicht.

Aber ich glaube, ich probiere es einfach mal aus – bei so etwas Profanem wie dem Einkaufen. Da fängts nämlich schon an mit dem Überkonsum. Normalerweise renne ich hungrig und mit dem Auftrag, ein schmackhaftes Essen zuzubereiten, in den nächsten Laden. Und komme dann mindestens 60 Franken ärmer und beladen mit einer Vielzahl an Produkten, die ich eigentlich gar nicht brauche, wieder raus. Weil ich zufällig noch am Chips-Regal vorbeigekommen bin. Und urplötzlich furchtbaren Durst verspürte, den nur ein Süssgetränk stillen konnte.

Und dabei habe ich total vergessen, dass ich zu Hause eigentlich noch einen Sack mit Kartoffeln habe, die ich kochen könnte. Und im Tiefkühler noch Reste von einer Sauce, die ich vor einiger Zeit mal zubereitet habe. Ergäbe zusammen eine komplette Mahlzeit. Ohne Ausgaben.

Also: ab jetzt nur das Nötigste einkaufen. Nur Nahrungsmittel, die den Namen auch wirklich verdienen. Klingt wie Askese, macht aber Sinn. Und ist viel gesünder. Um die Chips werde ich einen Bogen machen.

1 Kommentare


Ruedi Winkler

6. Juli 2023  —  13:08 Uhr

Genau so, und um doch nicht alle unsere so lieb gewonnenen Floskeln vergessen zu müssen: Diese Herausforderung nehmen wir an. Tönt doch gut oder?

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