Höngger Kolibris?

Jetzt hetzen sie wieder von Blüte zu Blüte, verharren kurz im Schwirrflug, und verschwinden so plötzlich, wie sie kamen, die Kolibris, die gar keine sind.

Mit Hilfe der langen Schuppen am Hinterleib, die an Schwanzfedern von Tauben erinnern und denen das Taubenschwänzchen seinen Namen verdankt, steuert es mit ausgerolltem Rüssel zielgenau vor der Bartnelkenblüte.

Tatsächlich erinnern Taubenschwänzchen in ihrem Flugverhalten an Kolibris. Sie beherrschen den Schwirrflug und können darum in der Luft an Ort stillstehen, ja sogar rückwärts fliegen. Doch mit den amerikanischen Vögeln, mit denen unsere Mauer- und Alpensegler eng verwandt sind, haben diese Insekten nichts weiter gemein. Als Schwärmer zählen sie eigentlich zu den Nachtfaltern, sind aber hauptsächlich tagsüber unterwegs. Während die meisten anderen Schmetterlinge auf den Blüten landen, um Nektar zu trinken, verharrt das Taubenschwänzchen mit ausgestrecktem Rüssel bei rund 80 Flügelschlägen pro Sekunde vor der Blüte. Dies ist mit einem derart hohen Energieaufwand verbunden, dass es bis zu 100 Blüten pro Minute anpeilen muss. Dabei ist es gar nicht wählerisch und kann deshalb auf dem Balkon wie auch im Garten bestens an Geranien, Klee, Flieder, Phlox, Fuchsien, Lavendel, Salbei, Nelken usw. beobachtet werden. Hauptsache ist, dass viele Blütenpflanzen mit ausreichendem Nektarangebot vorhanden sind. Anders sieht das bei der Eiablage aus. Die Raupen bevorzugen Labkräuter wie den Waldmeister oder das von Gartenbegeisterten eher als lästig empfundene Kletten-Labkraut. Wer also beim Jäten ab und zu ein Auge zudrückt, braucht sich weniger über die an den Handschuhen haftenden Kletten zu ärgern und darf sich dafür ab August an «eigenen» Taubenschwänzchen erfreuen. Denn viele der jetzt schon herumfliegenden Falter haben sich nämlich nicht bei uns entwickelt, sondern sind bis zu 3’000 km weit aus dem Süden hierher geflogen. Mit Fluggeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h schafften sie das in weniger als zwei Wochen. Wenn ich unserem Taubenschwänzchen beim Blütenbesuch zuschaue, kann ich es kaum glauben, dass dieses nur ein Drittelgramm wiegende Leichtgewicht mit einer Flügelspannweite von rund 5 cm eine derart enorme Leistung vollbracht haben könnte. Von wegen «unser» Taubenschwänzchen: wir haben mindestens zwei, denn eines habe eine «Glatze», stellte der Fotograf beim Vergrössern der geschossenen Bilder fest. Wie dem auch sei: Beim Beobachten von Macroglossum stellatarum kann man getrost weiter träumen von den Höngger Kolibris, denn schliesslich werden sie deutsch auch Kolibrischwärmer, englisch «hummingbird hawk-moth» und französisch «Sphinx colibri» genannt.

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