Stadt
Höngg sagt auch Ja
Kommenden November wird man voraussichtlich über den Gestaltungsplan des Hardturmstadion-Projekts «Ensemble» abstimmen können. In Höngg ist bekannt, dass sich Widerstand formiert hat – doch nun sind mit dem Komitee «Höngg sagt Ja» auch die Befürworter aktiv geworden.
27. Juni 2018 — Fredy Haffner
Unter dem Titel «Wehrhafte Höngger» berichtete diese Zeitung am 26. Oktober letzten Jahres über das Komitee «gegen den Höhenwahn», das sich in Höngg gebildet hatte. Es wehrt sich gegen die beiden im Rahmen des projektierten Neubaus des Hardturmstadions vorgesehenen, 137 Meter hohen Hochhäuser, aber nicht gegen das Stadion an sich, wie die Initianten betonen.
Nun aber hat sich in Höngg ein Komitee mit dem Namen «Höngg sagt Ja» zusammengefunden, das sich für das Stadion einsetzt und aufzeigen will, dass es in Höngg auch andere namhafte Stimmen gibt, die sich für das Stadion und das Projekt «Ensemble» einsetzen. Seither verlaufen die Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern quer durch alle sozialen Schichten, Wohnlagen und gar Familien. Und ob das Stadion auch ohne diese Hochhäuser zu haben wäre und wenn ja zu welchem, wann und von wem zu bezahlenden Preis, das ist und bleibt heiss umstritten.
Was spricht für ein Ja?
Zusammengefunden hat sich die Gruppe spontan: «Ich wurde immer mehr auf das Thema angesprochen und bald war klar, dass man dieses ‹Ja› bündeln muss», erzählt Anthony Sauter, einer der Initianten, der sich schon in der letzten Hardturm-Abstimmung politisch für das Stadion engagiert hatte.
«Es geht um zwei Dinge», führt Martin Gubler, Präsident des Sportvereins Höngg (SVH) und Mitinitiant, aus, «erstens hört man in Zürich leider viel zu selten ein lautes Ja zu diesem Stadion und zweitens wollen wir gerade den Ja-Stimmen aus Höngg Gehör verschaffen». Natürlich habe das Projekt Gegner, doch so wie es bisher in den Medien dargestellt worden sei, hätte man meinen können, Höngg bestehe nur aus Gegnern, und dem sei eben nicht so: Ein wichtiger Teil von Höngg positioniere sich auch für das Hardturmstadion.
Dieses «Höngg sagt Ja», und dies nicht nur zum Stadion, sondern zum ganzen Projekt Ensemble, inklusive Genossenschaftswohnungen und Hochhäusern. «Das ist die Gelegenheit», so Martin Gubler, «und die öffentliche Hand wird nicht belastet. Das Projekt ist vernünftig, auch was den Wohnungsbau angeht: Ein Drittel der geplanten Wohnungen werden von der Genossenschaft gebaut, sie sind also günstig». Zürich wachse und boome, dem müsse man auf allen Ebenen gerecht werden, und das tue «Ensemble»: «Es entstehen Grünflächen, Ateliers, Gewerberäume, Restaurants, Kindertagesstätten», präzisiert Martin Gubler, «und das alles kann man auch von Höngg aus nutzen. Man wird also nicht nur ins Stadion gehen, sondern dort auf eine lebendige Umgebung treffen. Wie in Thun zum Beispiel, dessen Stadion in eine Umgebung eingebettet ist, die auch ausserhalb der Fussballspiele belebt ist».
Auch Barbara Gubler, Frauenverantwortliche des SVH, verteidigt die Hochhäuser: «In die Breite kann Zürich ja nicht mehr wachsen, Hochhäuser kommen so oder so und gehören auch irgendwie zu einer Weltstadt. Ich finde zum Beispiel den Prime Tower eine Bereicherung, und die Bauten beim Hardturm werden sogar noch das Stadion finanzieren. Man darf in diesem Fall deshalb nicht Partikularinteressen in den Vordergrund stellen und, weil einem die Hochhäuser nicht passen, das ganze Projekt kippen».
Braucht es ein zweites Fussballstadion?
Falsche Frage! Denn Zürich hat noch gar keines: Der Letzigrund ist ein Leichtathletikstadion, das auch für Fussball genutzt wird. Doch das schade, so sagen Martin Gubler und viele Fans – auch wenn es in anderen Städten auch so ist – einfach der Stimmung: «Man muss einfach nahe an der Linie sein können, ohne trennende Sprinterbahn, erst das gibt das gewisse Ambiente eines richtigen Fussballmatches». Und dann würde der Letzigrund leer stehen? «Nein, sicher nicht», ist Sauter überzeugt, «er würde einfach für andere Veranstaltungen genutzt, wie schon der alte Letzigrund. Doch seit FCZ und GC das Stadion gemeinsam nutzen, fehlte dafür der Platz. Das könnte sich ja wieder ändern: Die Abstimmung um den Sechseläutenplatz hat ja gerade gezeigt, dass Zürich Bedarf hat für Orte, an denen auch in der Stadt Grossveranstaltungen möglich sind». Und Barbara Gubler sinniert laut darüber nach, dass man kulturelle Veranstaltungen wie ein Zirkus oder das Foodfestival, die jetzt auf der Hardturmbrache residieren, in den Letzigrund umsiedeln könnte.
Ein Stadion für Hooligans und Chaoten?
Oft wird polemisch ins Feld geführt, «man» wolle kein Geld ausgeben für sprayende und prügelnde Randalierer. Solange die Clubs ihre militanten «Fans» nicht wie in England, dem Ursprungsland des Hooliganismus, im Griff hätten, so lange wolle man die doch nicht mit einem Stadion «belohnen». «Diese Stimmen muss man wahrnehmen», sagt Gubler, «doch ich möchte herausheben, dass diese Gruppen beider Clubs eine krasse Minderheit darstellen: Die grosse Mehrheit der Fussballfans sind einfach anständige Matchbesucher. Ich erinnere mich auch noch gut daran, wie man von Höngg aus zu Fuss mit der ganzen Familie zu den Spielen im Hardturm ging. Und wenn ich sehe, wie der Fussball als Breitensportart boomt, wie die WM wieder begeistert und bei den Junioren oder den Frauenteams ein steter Zuwachs herrscht, dann braucht Zürich endlich ein richtiges Fussballstadion, wo man nahe beim Geschehen sitzt und mitfanen kann. In einem solchen Stadion wären auch wieder Länderspiele möglich, und das wäre doch wunderbar». Nun wegen einer uneinsichtigen Minderheit von Chaoten erneut zu pauschalisieren und somit die friedliche Mehrheit zu bestrafen, das sei doch nicht fair.
Barbara Gubler leistet Support: «Fussball bewegt Massen, schafft Gemeinschaft und die Clubs nehmen, gerade beim Nachwuchs, eine soziale Funktion ein. Im Verhältnis dazu sind die Probleme, die einige wenige Chaoten verursachen, marginal und man darf den Fussball nicht darauf reduzieren». Anthony Sauter, der früher selbst in der GC-Fankurve aktiv war, nennt dazu Zahlen: «Von GC und FCZ zusammen sind es vielleicht hundert Personen, die für negative Schlagzeilen sorgen und so leider auch dieses Stadion gefährden».
Es geht um den Nachwuchs – und um Familienerlebnisse
«Dabei geht es doch auch um die Zukunft der Jugendlichen in Zürich: Man darf ihnen doch nicht die Idole wegnehmen, sondern sollte ihnen Perspektiven bieten», holt Sauter leidenschaftlich aus. Kein Wunder, denn ihn verbinden viele schöne Jugenderinnerungen mit dem Hardturm: «Dort, in dieser Atmosphäre meinen Idolen, einem Chapuisat, einem Sforza, Koller und allen anderen zuzuschauen und später nachzueifern, das war doch das absolute Highlight». Ja, er sei sich bewusst, dass dies die Optik des kleinen Anthonys von damals sei, doch mit seinem Einsatz für den neuen Hardturm wolle er der Jugend wieder solche Erlebnisse, die später zu verbindenden Erinnerungen werden, ermöglichen. Ihn erstaune es deshalb nicht, dass sie viele Mails von Jugendlichen bekämen, die «Höngg sagt ja» unterstützen wollen: «Sie wollen damit auch etwas für ihre eigene Zukunft gebaut sehen, nicht nur etwas für die beiden Clubs». Martin Gubler nimmt den Steilpass auf: «Wir sehen doch bei unseren Juniorinnen und Junioren, was ihnen die Vorbilder bedeuten. Sie kommen zurück von einem Match und versuchen umzusetzen, was sie in den grossen Ligen gesehen haben – und wer weiss, einige von ihnen bekommen später dort sogar eine Chance, den sportlichen Weg bis hoch hinauf zu gehen».
Politisch kein Fairplay
Zu dem, was die SP nun tat, nämlich im Nachhinein das ganze Projekt «Ensemble» durch die Forderung nach einem höheren Anteil an gemeinnützigen Wohnungsbau zu gefährden, dafür hat der SVH-Präsident deutliche Worte: «Das ist schade. Die Stadt, die Clubs und die Bauherrschaften hatten sich zusammengerauft und positioniert, und nun diese Kehrtwende? Das ist kein Fairplay». Der Fussball verbinde doch alle Lager, auch die politischen. Dass ausgerechnet die SP nun diesen möglichen Todesstoss für das Stadion lanciert habe, sei unverständlich.
«Mit dieser Kehrtwende hat sich die SP sicher keinen Gefallen getan», mutmasst auch Sauter und Barbara Gubler fügt an, dass für sie bei einer Ablehnung des Stadions eine grosse Welt zusammenbrechen würde: «Das ist die letzte Chance. Diese nicht zu nutzen und damit einem wichtigen Teil im Leben vieler wieder eine Heimat zu geben, das wäre einfach nur traurig». Vor allem wenn man dies aus irrationalen, emotionalen Gründen tun würde. Sei es nun, weil man gegen Hochhäuser oder gegen Chaoten sei. Und: «Die Eishockeyaner und die Volleyballer bekommen ihr Stadion, für die Weltstadt Zürich ist es Zeit, auch den Fussballern und ihrem Nachwuchs wieder ein Stadion zu stellen».
So wehrt sich ein Teil von Höngg weiter gegen die Hochhäuser und ein anderer Teil setzt sich für das Stadion ein. Dass die Meinungen in Höngg geteilt sind, hatte sich bereits an der Informationsveranstaltung des Quartiervereins zu diesem Thema Mitte Januar 2017 und in den Leserbriefspalten dieser Zeitung gezeigt.
Weitere Informationen über «Höngg sagt Ja» unter www.hoenggsagtja.ch.
Und um Fairplay einzuhalten hier noch die Internetadresse der Gegnerschaft der Hochhäuser, die hatte der «Höngger» im Bericht über das «Komitee gegen den Höhenwahn» nämlich nicht genannt: https://sonicht.org/
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