Höngg ist zu 2,34 Prozent denkmalgeschützt

3331 Gebäude stehen in Höngg (Stand 2015). Davon sind 226 Gebäude (6,8 %) im kommunalen Inventar der Denkmalpflege aufgeführt, 78 davon stehen per Anfang 2019 ganz oder teilweise unter Schutz. Es sind nicht immer die, welche «man» erwarten würde. Und schon gar nicht jene, von denen «man» in Höngg glaubt, sie seien es. Warum ist das so?

Wurde einst fast abgerissen: Das Haus «Zum Kranz», 1506 erstmals schriftlich erwähnt, heute Heimat des Ortsmuseums Höngg.
Falsch: Das Postgebäude steht weder unter Denkmalschutz noch ist es in dessen Inventar – und wird es wohl auch nie sein.
Das letzte seiner Art hier, das Haus Regensdorferstrasse 19, und gerade deshalb nicht im Inventar der Denkmalpflege.
Die blauen Gebäude sind erst im Inventar, die roten stehen ganz oder teilweise unter Denkmalschutz.
Die blauen Gebäude sind erst im Inventar, die roten stehen ganz oder teilweise unter Denkmalschutz.
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Das Haus des Ortsmuseums und die Post stehen unter Denkmalschutz: Zwei Meinungen, die in Höngg ebenso verbreitet wie falsch sind.
Das Haus «Zum Kranz», am Vogtsrain 2, seit 1977 die Heimat des Ortsmuseums Höngg, wurde 1970 von der Stadt Zürich extra aufgekauft, um einem Enteignungsverfahren vorzugreifen, welches mit der damals geplanten Verbreiterung der Gsteigstrasse wohl unausweichlich gewesen wäre. Kurz gesagt: Die Stadt wollte das aus dem 16. Jahrhundert stammende Haus eigentlich zugunsten des Verkehrsflusses abreissen. Aus heutiger Sicht unglaublich. Erst als man sich das Haus in den folgenden Jahren näher anschaute, erkannte man dessen baugeschichtliche und historische Bedeutung, was es zu einem potentiellen Schutzobjekt machte. Die Bohlen-Ständerkonstruktion des früheren Bauernhauses konnte nach schriftlichen Quellen auf das Jahr 1506 datiert werden. Als das unsägliche Projekt der «neuen Gsteigstrasse» vom Tisch war, wurde das Haus renoviert und zum Ortsmuseum. Dennoch steht es bis heute nicht unter Denkmalschutz, sondern ist lediglich inventarisiert. Dies deshalb, weil die Stadt als Eigentümerin aufgrund der sogenannten «Selbstbindung» nach Paragraph 204 des Planungs- und Baugesetzes bereits verpflichtet ist, ihre inventarisierten Gebäude zu schonen und, wo das öffentliche Interesse überwiegt, ungeschmälert zu erhalten. Deshalb werden Bauten, die im Eigentum der Stadt sind in der Regel nicht formell unter Denkmalschutz gestellt.

Wenn die Gerüchteküche brodelt

Dies gilt auch für das Haus an der Regensdorferstrasse 19, wo im Erdgeschoss die Boutique «Il Punto» zu Hause ist. Es zählt zu den sogenannten Baumeisterhäusern und ist das letzte seiner Art an dieser Stelle, nachdem alle anderen, die sich bis gegen den Meierhofplatz hin hier einst aneinanderreihten, abgerissen wurden. Wer sich achtet, erkennt an den dreieckigen Dachaufbauten der Gebäude Regensdorferstrasse 13 bis 15 (CS, Bäckerei Steiner und «Marcello’s») eine Reminiszenz an diese verschwundenen Zeitzeugen. Jedenfalls erhielt die Boutique jeweils nur befristete Mietverträge und «im Dorf» kursierten Gerüchte, die Stadt wolle das Gebäude abreissen und zusammen mit den benachbarten Parzellen, die ebenfalls in ihrem Besitz sind, bis über die Ecke Wieslergasse und dem kleinen Haus Nummer 34 eine Grossüberbauung realisieren. Nur der Garagenbetrieb der Gebrüder Zwicky hätte noch gefehlt (und tut es bis heute), um eine gut bebaubare Parzelle zu haben. Als es die Stadt dann aber unterliess, nach dem Tod von Sattlermeister Pech dessen Grundstück an der Wieslergasse 26 zu erwerben, das ihren Besitz entscheidend ergänzt hätte, wurde es stiller um diese Gerüchte.
Auf das letzte Haus seiner Art an der Regensdorferstrasse angesprochen, sagt Stefan Gasser, Bereichsleiter Archäologie und Denkmalpflege des Stadtzürcher Amtes für Städtebau, man habe das Haus bei der letzten Inventarergänzung, als es um die sogenannten Baumeisterhäuser ging, angeschaut, dann aber bewusst andere Beispiele für diese Architektur ausgewählt: «Es wurden Gebäude gewählt, die in einem stimmigen historischen Kontext stehen. Das Haus an der Regensdorferstrasse 19 wäre als Baudenkmal hier relativ einsam und deshalb aus denkmalpflegerischer Sicht gegenüber anderen Beispielen weniger interessant». Trotzdem, so fügt er an, wegen der Selbstbindung müsste die Schutzwürdigkeit vor einem Abbruch nochmals beurteilt werden. Dies hat einen Grund: Anfang 2014 wurde eines der letzten und gut erhaltenen Bahnwärterhäuschen auf Stadtzürcher Gebiet abgerissen. Nur beim Bahnhof Wipkingen stehen noch zwei solche. 1886 erbaut und im Besitz der Stadt Zürich hatte es der damalige Stadtrat versäumt, das kleine Haus an der ehemaligen Strecke der linksufrigen Zürichseebahn beim Ulmbergtunnel in das Inventar der Denkmalpflege aufzunehmen. Dieser Fehler führte zu einer Korrektur im Umgang mit städtischen Bauten: Seither muss bei allen Gebäuden im Besitz der Stadt, die abgebrochen werden sollen, routinemässig der Denkmalwert überprüft werden, auch bei Gebäuden, die gar nicht im Inventar aufgelistet sind.
Doch von einem Abbruch an der Regensdorferstrasse 19 spricht derzeit wohl sowieso niemand, sonst wäre nicht neulich das Dach des Anbaus renoviert worden. Von einem Projekt auf diesem und den angrenzenden Grundstücken, so Gasser, sei ihm überdies nichts bekannt.
Für Höngg, so die Meinung dieser Redaktion, rät es sich jedenfalls, das Haus im Auge zu behalten und die Bauausschreibungen gut zu beachten, denn es wäre schade, würde es eines Tages weichen müssen.

Die Zeiten und die Prioritäten ändern sich

Am Beispiel des Ortsmuseums und der Regensdorferstrasse 19 zeigt sich gut, wie Denkmalpflege auch immer im zeitlichen Kontext zu sehen und zu verstehen ist. Wie sieht dieser heute aus? Oder anders gefragt: Würden die beiden Häuser, die 1977 an der Ecke Riedhofstrasse/Wieslergasse abgerissen und durch einen Parkplatz und die Wertstoffsammelstelle des erz «ersetzt» wurden, heute auch noch weichen müssen, nur um, wie damals lediglich geplant, eine Verbreiterung der Riedhofstrasse zu ermöglichen?
Das Prinzip, so Stefan Gasser, sei früher wie heute immer das Gleiche: Bei einem geplanten Abbruch muss der Stadtrat eine Güterabwägung vornehmen. Doch die Prioritäten ändern sich: «Zum Beispiel ist der Autoverkehr heute nicht mehr das einzige, alles dominierende planerische Thema. In gewissen Quartieren wird heute der Autoverkehr eher auf Tempo 30 beruhigt, so dass eine nicht zu breite Strasse auch Vorteile haben kann».
Doch auch die fachliche Einschätzung der Denkmalpflege kann sich im Verlauf der Zeit ändern, so Gasser: «Die Denkmalpflege ist immer Teil der Gesellschaft und handelt, aus der Gegenwart heraus, nach bestem Wissen und Gewissen. So galten etwa noch vor 80 Jahren gründerzeitliche Gebäude, also zwischen 1870 und 1910 erstellte Bauten, meistens im Stil des Historismus, bei Architekturhistorikern als wertlose Massenware. Erst ab 1960 wurde der Wert dieser Häuser erkannt und die Denkmalpflege beklagte deren Ersatz durch moderne Neubauten».
Gasser führt die Gebäude der «Modissa» und von «Bally» an der Bahnhofstrasse an, für welche Bauten des Historismus bedenkenlos abgerissen wurden. Und heute? Heute stehen die damaligen Neubauten selber im Denkmalinventar. Unabhängig von diesen Beispielen sagt Gasser selbst, dass es wichtig und oft anspruchsvoll sei, der Öffentlichkeit gegenüber zu erklären, warum etwas geschützt wird oder nicht.

Und die «brutale» Post?

Das Haus der Post, dieser markante Klotz, steht wie gesagt weder unter Denkmalschutz noch ist es in im Inventar aufgeführt. Es ist ein Vertreter des «Brutalismus», einem Architekturstil, der ab 1950 anzutreffen ist. Seit vor einigen Jahren die Aussenfassade isoliert wurde, ist der Bau aber nicht mehr auf den ersten Blick als jenem Stil zugehörig erkennbar, der Sichtbeton oft skulptural in Szene setzte. In Höngg ist dies an anderen Gebäuden, die inventarisiert sind, besser zu erkennen: Zum Beispiel an jenen neben und hinter dem Tramdepot Wartau. Oder die Gebäude an der Rebbergstrasse 41 a und b sowie Rebbergsteig 7 mit Baujahr 1963 bis 1965.

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