Vorsichtig wird die grosse Holzkiste aus dem Lieferwagen gehoben. Hans Nikles, Tierpfleger und Vizepräsident des Fördervereins Tierpark Waidberg Zürich, und Jan Leu, Tierpfleger vom Wildnispark Zürich Langenberg, stellen sie sanft im Inneren des Geheges ab und schliessen das Gatter. Es ist ein freudiger Tag im Höngger Tierpark, der Damwild seit 1974 eine Heimat bietet. Ein rund zehn Monate junger Hirschstier aus dem Tierpark in Langnau am Albis wurde ausgewählt, um künftig den sechs Damhirschkühen Gesellschaft zu leisten. Der fast zehnjährige Vorgänger musste eingeschläfert werden, da er sich gegenüber den Pflegern sowie den Weibchen aggressiv gebar.
Die Spannung bei der Ankunft des jungen Hirsches ist spürbar. Doch sein Empfangskomitee, darunter Ernst Tschannen, Präsident des Fördervereins, ist guter Dinge. Das behutsame Einfangen im Tierpark Langenberg verlief ohne Probleme – und ohne Narkose. «Eine Betäubung birgt auch Risiken», sagt Pfleger Leu.

Ein vielversprechender Start

Die Schiebetür der Kiste wird geöffnet und flugs trottet der Hirschstier neugierig hinaus. Es ist eine Frage von Sekunden und das Wildtier rennt frech den Hang hinunter. Angst scheint es nicht zu haben. Und auch keine Zeit für die Menschen, die seine Schritte gebannt verfolgen. Derweil reagieren die sechs Hirschkühe, die zwischen zwei und zehn Jahre alt sind, und verfolgen den Neuling intensiv, bis dieser nur Augenblicke später mitten in der Herde weilt. Der neue Platzhirsch in spe wird, so scheint es, in deren Mitte sofort aufgenommen.
Der Start des Vorhabens, das auch eine Blutauffrischung im Tierpark verspricht, ist gelungen. «Ich war völlig perplex, wie ruhig er war und wie furchtlos er auf die Herde zugegangen ist, das ist vielversprechend», sagt Tschannen. Auch Mirella Wepf, Projektleiterin Kommunikation des Wildnisparks Zürich Langenberg und Sihlwald, ist erfreut: «Toll, dass dieses Jungtier vom Langenberg einen schönen, neuen Platz gefunden hat».
Noch ist der Hirschstier das kleinste und zierlichste Tier im Gehege. Das wird sich aber bald ändern. «Schon im Herbst wird der Hirsch geschlechtsreif», sagt Nikles, der als Tierpfleger im Waidberg aus nächster Nähe miterleben darf, wie aus dem Neuling ein stolzer Damhirsch wird. Denn in den kommenden Monaten wird sich das charakteristische schaufelförmige Geweih erst entwickeln.