Höngg, du brauchst wieder eine Vision

Was wurde eigentlich aus der Umfrage zur Lage des Höngger Detailhandels, welche 1034 Hönggerinnen und Höngger Anfang Jahr ausgefüllt hatten? Vor Wochenfrist hatten Besitzer oder Verwalter von Höngger Geschäftsliegenschaften die Gelegenheit, sich über die Ergebnisse zu informieren – und über die daraus abzuleitenden Konsequenzen.

Leere Verkaufslokale und fast keine Interessenten; fehlende Kommunikation; ein Verkehrsaufkommen, welches die Aufenthaltsqualität schwer beeinträchtigt; kein echter Dorfplatz; kein Quartiermarketing und noch einiges mehr: Höngg muss wieder vorgehen – und dies im doppelten Sinn. Bloss: wer bündelt die Ressourcen? Die Spurgruppe des HGH zeigt Wege auf, auch solche, die weit sein werden – Skepsis ist berechtigt, doch Resignation keine Lösung.

Die Artikelserie im «Höngger» 2012 unter dem Titel «Dörfs es bitzeli meh si?» hatte zur Folge, dass unter dem Patronat des Vereins Handel und Gewerbe (HGH) im Januar 2013 eine Umfrage zu den Wünschen und Bedürfnissen der Höngger Bevölkerung bezüglich des lokalen Detailhandelsangebots durchgeführt wurde. Bemerkenswerte 1034 qualitativ aussagekräftig ausgefüllte Fragebogen wurden retourniert und ausgewertet. Am 18. April wurden die ersten Ergebnisse an der Generalversammlung des HGH präsentiert und danach in einer Artikelserie im «Höngger» analysiert (siehe Infobox auf Seite 7). Danach wurde es still in der Öffentlichkeit. Doch hinter den Kulissen gingen die Arbeiten weiter: Ende Juni traf sich die Spurgruppe des HGH, welche sich ursprünglich aus Sorge um die leer stehenden Ladenlokale im Dorfzentrum zusammengeschlossen und die Umfrage lanciert hatte, zu einer längeren Arbeitssitzung, um das weitere Vorgehen zu konkretisieren. Die Ergebnisse dieses Nachmittags wurden von einer kleinen Kerngruppe Ende Juli zu einem Visionspapier zusammengefasst, das nun dem Vorstand des HGH und dem «Höngger» vorliegt.

Zentrale Rolle der Immobilienbesitzer

Wenn es darum geht, welche Firmen sich in Höngg ansiedeln, spielen Immobilienbesitzer respektive deren Liegenschaftsverwaltungen eine zentrale Rolle. Deshalb wurde vor Wochenfrist für sie ein Informationsabend organisiert. Mit Interesse wurden die Studienergebnisse betrachtet und die erstmalige Präsentation des Visionspapiers verfolgt. Die Vision, welche von der Spurgruppe des HGH verabschiedet wurde, definiert den Wunsch nach einem Höngg, das ein lebendiges, urbanes und bedürfnisorientiertes Stadtquartier mit einer verträglichen Mischnutzung ist. Höngg soll wieder vorgehen Um dies zu erreichen, wurden übergreifende Ziele formuliert und mögliche Massnahmen angedeutet. Als Erstes soll das Quartierbewusstsein aller Beteiligten, also Anbietern wie Konsumenten und Immobilienbesitzern gleichermassen, gestärkt werden. Zum Beispiel über einen emotionalen Slogan, den viel gewünschten Ausbau des Wochenmarktes, die Wiederaufnahme eines grossen Weihnachtsmarktes oder andere Massnahmen, welche von allen Höngger Firmen im Interesse ihrer Kundschaft mitgetragen werden. Als Beispiel eines Wunsches aus der Umfrage seien hier nur die einheitlicheren Ladenöffnungszeiten genannt. So sollen die Besonderheiten von Höngg sichtbarer und ein positiveres Image gebildet werden – sinngemäss unter dem positiv doppeldeutigen Motto «Höngg gaht vor».

Leerstände verhindern

Damit soll auch das zweite Ziel unterstützt werden: die Stärkung der Wirtschaftsstruktur durch eine verträgliche Mischnutzung von Gewerbe, Dienstleistungen und Wohnen. Leerstände von Ladenlokalen, wie sie seit geraumer Zeit leider zum Ortsbild gehören, sollen verhindert werden, denn sie signalisieren offen den Stillstand und riechen nach Niedergang. Erst wenn Höngg und sein Zentrum als Markt wieder attraktiv sind, finden sich auch neue, innovative Firmen, welche hier ansässig werden wollen. Dass es seit längerer Zeit nicht einfach ist, Firmen aus hier untervertretenen Branchen für eine Niederlassung in Höngg zu begeistern, davon wussten einige der anwesenden Immobilienbesitzer zu berichten. Die Interessenten, so der allgemeine Tenor, stünden nicht Schlange, man müsse oft einfach akzeptieren, wer sich gerade anbiete. Die beabsichtigte Etablierung einer Kommunikationsplattform zur Förderung des Austauschs zwischen Liegenschaftsbesitzern und Mietinteressenten wurde daher begrüsst. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass Lokale nicht nur wegen Faktoren, für die man selbst mitverantwortlich ist – wie Mietzins, Zustand oder Objektgrösse –, schlecht vermietbar sind, sondern auch wegen Umgebungseinflüssen.

Zu viel Verkehr und kein Dorfplatz

Damit waren Themen angesprochen, welche auch in der Umfrage als Probleme identifiziert worden waren. Zum Beispiel die von vielen als Belastung wahrgenommene Verkehrssituation im Zentrum. Zu viel und zu laut sei der Verkehr und ein Verlust an Aufenthaltsqualität die Folge davon – was ebenso kritisiert wird wie das Fehlen eines eigentlichen Dorfplatzes. Doch um solche Probleme positiv zu beeinflussen, braucht es ein gemeinsames Vorgehen aller Betroffenen und Beteiligten. Und ein solches fehlt bis anhin auf allen Ebenen, nicht zuletzt der politischen. Gemeinsam definierte Verbesserungsvorschläge zum Wohle von Höngg sind nirgends auszumachen. Kurz gesagt fehlt ein Quartiermarketing, das seinem Namen gerecht wird. Dies kommt auch im Visionspapier der HGH-Spurgruppe zum Ausdruck, wo als Massnahme die Schaffung einer interdisziplinären, breit abgestützten Arbeitsgruppe angeregt wird, bestehend aus HGH, Quartierverein (QVH), anderen Vereinen und Organisationen, Immobilienbesitzern und -verwaltungen, über Lokalpolitiker aller Parteien bis hin zu engagierten Bevölkerungskreisen und der Stadt Zürich respektive deren dem Präsidialdepartement angegliederte Stadt- und Quartierentwicklung. «Damit eine gesunde Entwicklung mit einem guten Ergebnis erzielt werden kann», so brachte es einer der anwesenden Immobilienbesitzer zum Ausdruck, «braucht es analog zur Medizin ein MRI, das zuerst eine Gesamtansicht des Patienten erstellt – und danach die Spitzenmedizin, welche die richtige Therapie verschreibt. Mit der durchgeführten Studie hat der HGH quasi das MRI gemacht.»

Wie geht es weiter?

Wer im übertragenen Sinn in Höngg die Rolle der Spitzenmedizin übernehmen wird, ist derzeit ungewiss. Der Vorstand des HGH hat deutlich gemacht, dass ihm dafür die personellen und finanziellen Ressourcen fehlen. Auch aus dem Quartierverein, dessen Präsident informell am Prozess beteiligt war, wurde bisher nicht die Bereitschaft signalisiert, eine Führungsrolle zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund nimmt die bestehende Spurgruppe des HGH im November die Arbeit wieder auf mit dem Ziel, die Gründung des interdisziplinär zusammengesetzten «Netzwerks Höngg» zu prüfen, welches die im Visionspapier gesetzten Ziele verfolgen und die entsprechenden Massnahmen in die Wege leiten könnte. Anfang November sollen an einer Pressekonferenz die Höngger Detailhandelsstudie und das weitere Vorgehen der breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der HGH, so hat dessen Präsident Robert Werlen zugesichert, wird das «Projekt einheitliche Ladenöffnungszeiten» Anfang 2014 prüfen. Und wenn die Gemeinderatswahlen 2014 vorüber sind, wird man sich dafür einsetzen müssen, einen überparteilichen runden Tisch zu etablieren, um Höngger Anliegen eine möglichst geeinte Stimme im Zürcher Rat zu verleihen.

Zuversicht, Skepsis und Resignation

Die Stimmung, welche nach besagtem Informationsabend für Immobilienbesitzer und -verwalter im Raum auszumachen war, schwankte zwischen Zuversicht, Skepsis und Resignation. Doch dies war in Anbetracht der Dimensionen, welche die Antworten auf die einfache Frage nach dem «Dörfs es bitzeli meh si?» unterdessen angenommen haben, auch nicht anders zu erwarten. Auch die Spurgruppe des HGH wird sich diesen Gefühlen stellen müssen – und weitergehen, denn Skepsis darf nicht in Resignation enden, sondern muss in gesunder Zuversicht aufgehen.

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