Höngg: Die erste städtische Kernzone

Bevor das nächste, brandheisse Thema «Dorfplatz» auf den Tisch kommt, befasst sich der «Höngger» mit der Kernzone. Diese umfasst schutzwürdige Ortsbilder, die in ihrer Eigenart erhalten oder erweitert werden sollen.

1
Panoramaaufnahme Zentrumsüberbauung Höngger Markt

Sozusagen den Abschluss einer intensiven und vor allem langen Zeit der Pläne und Verwerfungen bildete die Kernzonenregelung, die im Sinne des Paragraphs 50 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes 1984 festgesetzt wurde. Die seit 1956 bestehenden Baulinien hatten Abrisse und Neuüberbauungen im mittlerweile heruntergekommenen Höngger Dorfkern verunmöglicht, mit dem neuen Instrument der Kernzone sollte dieses Hindernis zumindest teilweise entfernt werden. Es handelte sich dabei um die erste städtische Kernzone im Kanton Zürich. Ziel war es, einerseits die drei Eckpunkte Kirche, Haus zum Kranz und Meierhof/Weingarten, die das Ortsbild von Höngg prägten, zu bewahren und die durch einzelne Bauten und Fassaden, sowie dazwischenliegende Freiräume gebildete Raumstruktur zu schützen. Das bedeutet, dass bei Neu- oder Umbauten die Ausmasse der Vorgängerbauten als Referenz zu beachten sind. Der Stadtrat betonte, dass «niemand die Absicht habe, das im Lauf von Jahrhunderten gewachsene Dorfbild in allen Einzelheiten zu erhalten», wie der Tagesanzeiger am 15. Oktober 1980 zitierte. Vielmehr solle der Raum innerhalb der drei Eckpfeiler so gestaltet werden, dass er für das Gewerbe und Passanten attraktiv werde, damit eine gute Durchmischung gewährleistet werden könne. Dadurch, dass, wie erwähnt, die Masse der Altbauten eingehalten werden mussten, die Baulinien aber aufgehoben werden konnten, sollte die Aufwertung des Höngger Dorfzentrums erleichtert werden.

Hier finden Sie den ergänzten Kernzonenplan für Höngg.

Das Zentrum wird erneuert

Im Laufe der Achtziger Jahre wurden rund zwei Dutzend Häuser abgerissen und neu erstellt oder renoviert. Eines der ersten Objekte, das in den Geschmack der Erneuerungswelle kam, war die Häusergruppe «zum Central», zu denen auch das Haus an der Ecke Limmattalstrasse/Ackersteinstrasse gehört, in welchem sich heute die Raiffeisenbank befindet. Die Ortsgeschichtliche Kommission des Verschönerungsvereins Höngg hat der Geschichte dieser Häuser eine ganze Mitteilung gewidmet (siehe Infobox). Das Tiefbauamt der Stadt Zürich informierte die Höngger Bevölkerung ab 1987 regelmässig via «Höngger» unter der Rubrik «Gemeinsam für das Zentrum Höngg» über die laufenden und anstehenden intensiven Bauarbeiten. «Es wird eine neue Kernzone entstehen, die sich in einer wohnlichen Umgebung ausdrückt», schrieb das Amt am 25. September 1987.
Das wohl grösste Bauvorhaben plante die Firma Frutiger Generalunternehmung AG im Spickel zwischen Limmattal- und Regensdorferstrasse. Die «Zentrumsüberbauung Höngger Markt» wurde von den Architekten Bryner und Partner ausgearbeitet und durchgeführt. Die auf dem Areal stehenden Häuser wurden abgerissen und in ähnlicher Kubatur und Grösse – wie vom Kernzonenplan vorgeschrieben – wiederhergestellt. In der neuen Überbauung fanden neben dem Bankverein (heute UBS) und dem Coop auch 24 Wohnungen und eine Tiefgarage für rund hundert Autos Platz. Kurz nach Eröffnung des neuen Zentrums am 1. Dezember 1989 monierte die Neue Zürcher Zeitung: «Die echte und sicher nicht in allen Teilen dringend erneuerungsbedürftige Substanz ist einer Theaterkulisse gewichen; in diesen Tagen lässt sich auch vermuten, man habe sich nach einem Adventskalender gerichtet». In «1934-2009. Vom Dorf Höngg zum Quartier Zürich-Höngg» ist nachzulesen, dass der ausführende Architekt Reinhold Bryner schon während der Ausführung Zweifel an der Qualität der Lösung bekommen haben soll. «Mittlerweile besteht ein grosser Konsens darüber, dass eine Chance verpasst wurde und Sanierungen in dieser Art nicht mehr stattfinden sollten», schreiben François G. und Yves Baer in ihrem Werk, ohne dies weiter auszuführen.

Erweiterte Kernzone stösst teilweise auf Unverständnis

In der Bau- und Zonenordnung (BZO) sind mittlerweile insgesamt 26 Kernzonen ausgewiesen. Gemäss Raumplanungsgesetz (RPG) müssen Nutzungspläne periodisch, spätestens jedoch nach fünfzehn Jahren überprüft und angepasst werden, wenn sich die Verhältnisse geändert haben. 2016 wurde die Teilrevision der Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich BZO 2014 vom Gemeinderat angenommen und dem Kantonsrat zur Genehmigung überwiesen. Dessen Entscheidung wird im Sommer dieses Jahres erwartet. Den Erläuterungen zur Teilrevision ist zu entnehmen, dass «die bäuerlichen Dorfkerne (…), Höngg, (…), in ihrem Perimeter den örtlichen Verhältnissen des jeweils schützenswerten Dorfkerns angepasst [wurden]. Die Erweiterungen umfassen Gebäude, die aufgrund ihrer Lage und Gestaltung die jeweilige Kernzone wesentlich prägen oder für die geschichtliche Entwicklung des Ortskerns wichtig sind. Überbauungen, die mit dem eigentlichen Dorfkern keine Gemeinsamkeiten mehr haben, wurden konsequenterweise aus der entsprechenden Kernzone entlassen». Im Detail wurde die Kernzone Höngg bis zur Bäulistrasse 45 erweitert. Ausserdem wurde ein Haus an der Gsteigstrasse aufgenommen und eine neue Kernzone für den Riedhof – einen Einzelhof aus dem 19. Jahrhundert abseits des Dorfkerns – definiert. «Bei diesem handelt es sich um einen von mehreren ehemaligen Weilern und Einzelhöfen auf Stadtgebiet, die so in ihren Grundzügen erhalten werden sollen», schreibt das Hochbaudepartement. Die Erweiterung um die Bäulistrasse begründet es damit, dass diese «die historische Erschliessung des ursprünglichen Dorfkerns Höngg darstellt (…). Das Gebäude an der Bäulistrasse 45, das den Auftakt des Dorfkerns bildet, sowie die bestehende Mauer, welche die Bäulistrasse auf deren Südseite begleitet, sind prägende Elemente der alten Dorfstruktur». Neu in der Kernzone stehen aber auch die Häuser an der Bäulistrasse 51 bis 55, die von der Limmatstrasse her nicht sichtbar sind. Die betroffenen Hauseigentümer müssen zwar nicht im gleichen Profil bauen, wie es im Dorfkern der Fall ist, aber im Falle eines Um- oder Neubaus muss das neue Gebäude das ursprüngliche Volumen ausweisen. Das stösst bei den Bewohnern auf Unverständnis, da nicht ersichtlich sei, inwiefern diese Häuser für das Ortsbild des Dorfkerns relevant seien. Auf Anfrage erläutert das zuständige Departement seine Entscheidung: «Die Bäulistrasse war die alte Landstrasse nach Zürich, bevor es die Limmattalstrasse gab, beziehungsweise ging sie beim <Schwert> an der Limmattalstrasse 111 in die heutige Limmattalstrasse über. Der noch bestehende Teil der alten Landstrasse wurde zusammen mit dem markanten Bau an der Bäulistrasse 46 in die Kernzone integriert. Was beidseits der Bäulistrasse an Gebäuden steht, hat bezüglich dieser Strasse Bedeutung, nicht bezüglich der Limmattalstrasse. Für die Häuser der Bäulistrasse 51 bis 55 wurde ein Baubereich definiert. Dadurch ist nur ein Neubau mit demselben Volumen möglich, das Profil muss hingegen nicht übernommen werden». Die öffentliche Auflage und damit die Möglichkeit, Rekurs einzulegen, liegt schon Jahre zurück, wie erwähnt steht nur noch die Genehmigung durch die kantonale Baudirektion aus. Die Lehre, die die Hauseigentümer daraus ziehen müssen, ist, sich stets selber auf dem Laufenden zu halten, um rechtzeitig intervenieren zu können. Diese bittere Pille müssen sie, wie es scheint, dieses Mal schlucken.

Rebstockgebäude neu ausgewiesen

Eine interessante Neuerung des Kernzonenplans, welche Änderungen des Rebstockgebäudes betreffen: Bislang stand es unter Profilerhaltung, neu ist es als «Baubereich» ausgewiesen. In der Signatur ausgelassen wurde eine Ecke des Gebäudes Richtung Taxistand. Dort kann gemäss Kernzonenregelung bei einem Abbruch nichts mehr erstellt werden, an dieser Stelle würde der Meierhofplatz in der Folge erweitert werden. Weiter wurde die Firstrichtung aller Gebäude aufgehoben. Da Höngg die erste städtische Kernzone war, war sie detaillierter ausgearbeitet, spätere Kernzonen wurden vereinfacht. Das Hochbaudepartement der Stadt Zürich schreibt auf Anfrage: «(…) oftmals ergibt sich die Firstrichtung bereits klar aus der Gebäudeform, sodass lediglich eine Richtung sinnvoll oder möglich ist. Zudem ist die Firstrichtung bereits in der Profilerhaltung mit aufgenommen. Für Gebäude, für welche lediglich ein Baubereich und keine Profilerhaltung definiert ist, kann die Firstrichtung theoretisch geändert werden. Die Änderung muss aber den regulären Baubewilligungsprozess durchlaufen». Als einzige Zusatzvorschrift für die Kernzone Höngg verbleibt damit die Bestimmung zu den einzuhaltenden Arkadenlinien.

Quellen:
Baer, François G. und Yves: 1934-2009. Vom Dorf Höngg zum Quartier Höngg. Quartierverein Höngg, Zürich-Höngg 2009.
«Die Häusergruppe zum Central in Höngg». Mitteilung Nr. 32 der Ortsgeschichtliche Kommission des Verschönerungsvereins, Höngg 1987.
Stadt Zürich. Hochbaudepartement. Amt für Städtebau (AfS): Teilrevision der Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich BZO 2014. Erläuterungsbericht nach Art. 47 RPV

1 Kommentare


Themen entdecken