Halloween im Heizenholz

Die Grabhügelgruppe «Heiziholz» aus der älteren Eisenzeit ist eines der bedeutendsten archäologischen Denkmäler der Stadt Zürich. Es empfiehlt sich die Erkundung bei einem herbstlichen Waldspaziergang.

Karte zu den Grabhügeln im «Heiziholz». Nachlass Jakob Heierli, Archäologie Schweiz, Basel.
Unscheinbar im Herbstwald: einer der Grabhügel im Heizenholz.
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Von Thomas Bürgisser

Die erdachte Legende verschollener Zwillingsschwestern, die eine jahrtausendealte Totenruhe störten, Irrlichter im nächtlichen Wald, gespenstisches Flüstern, schemenhafte Gestalten zwischen den Bäumen und Ermahnungen einer keltische Druidin – letztes Jahr nutzten Bewohner*innen der Genossenschaft Kraftwerk Heizenholz die nahen Grabhügel als Kulisse für eine stimmungsvolle Halloween-Inszenierung.

Die Informationstafel der Kantonsarchäologie eingangs der Grünwaldstrasse ist wohl vielen aus Waldspaziergängen vertraut. Gleich dahinter findet sich eines der insgesamt fünf keltischen Hügelgräber. Drei weitere Erhebungen sind eingangs der Alten Regensdorferstrasse auszumachen. Der umfangreichste Grabhügel schliesslich lag rund 400 Meter weiter nördlich, tiefer im Wald, und war von einem Kranz grosser roter Ackersteine umgeben.

Dieser stand am Beginn der archäologischen Entdeckung der Grabhügelgruppe. Im Jahr 1836 wurde er nämlich von Höngger Bauern fast vollständig abgetragen. Dabei fanden die Bauern Menschenknochen, zerbrochene Krüge, Eisen- und Erzwaren, die jedoch weder beachtet noch aufbewahrt wurden. Die Feldsteine zerschlugen sie achtlos und belegten damit den neuen Weg, der durch das Gehölz führte: die heutige Grünwaldstrasse.

Fundstücke

Alarmiert begab sich der Zürcher Altertumsforscher Ferdinand Keller nach Höngg, um in den Jahren 1839 und 1841 die übrigen vier «helvetischen Heidengräber und Todtenhügel» zu eröffnen und zu verzeichnen. Die Knochen und Totengaben, die bei den Ausgrabungen zutage gefördert wurden – Schwerter, Lanzenspitzen, Messer und Schmuck aus Eisen, Bronze und Silber, sowie irdene Töpfe – wurden dokumentiert.

Allein ging auch Keller nicht nach allen Regeln der Kunst vor: So liess sich später nicht mehr rekonstruieren, aus welchem Hügelgrab welche Fundstücke stammten. Bei den Artefakten aus dem Heizenholz, die heute im Landesmuseum aufbewahrt werden, handelt es sich leider nur noch ein Teil der damals gehobenen Schätze.

Ruhestätte eines «Kriegers»

Eine fundierte archäologische Würdigung nahm rund fünfzig Jahre später Jakob Heierli vor, Dozent an der Universität Zürich. Dieser widmete sich in den 1880er Jahren intensiv der Erforschung und Popularisierung der schweizerischen Urgeschichte. Heierli ordnete den Fundort «Heiziholz» der frühen Eisenzeit zu, ca. 800 bis 480 Jahre vor Christi Geburt.

Auf Grund ihrer einheitlichen Bestattungsweise in Hügelgräbern (tumuli) sowie ähnlicher Grabbeilagen wird diese Epoche nach dem bedeutendsten Fundort Hallstatt im österreichischen Salzkammergut benannt. Die Hallstattkultur ist in einem Gebiet zwischen Ostfrankreich und Slowenien nachgewiesen.

Wir wissen, dass sich damals auf dem Uetliberg ein keltischer Fürstensitz mit einer von Wällen umgebenen, dorfartigen Siedlung befand. Bislang sind im Kanton Zürich kaum weitere Überreste aus der Hallstattzeit überliefert. Es erscheint jedoch plausibel, dass sich in der Umgebung weitere befestigte Höhensiedlungen, Gehöfte und Nekropolen befunden haben.

Gerade weil es sich um äusserst rare Fundstücke handelt, wurde die Grabhügelgruppe Heiziholz 1981 zum Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte und archäologischen Denkmäler der Stadt Zürich aufgenommen. Wie Patrick Nagy von der Kantonsarchäologie ausführt, lassen die erhaltenen Grabbeilagen auf die letzte Ruhestätte eines «Kriegers» schliessen, der im Zusammenhang mit dem «Fürstensitz» auf dem Uetliberg stand.

Das Wissen um die Menschen, die vor rund Zweieinhalbtausend Jahren im Heizenholz – nahe des heutigen Friedhofs – beigesetzt wurden und wohl auch in der Nähe siedelten, bleibt rudimentär. Ihr Totenkult weist auf eine sozial und politisch stark differenzierte Gesellschaft hin. Die Kelt:innen betrieben Ackerbau, Viehzucht, Jagd sowie Handwerk und standen in kulturellem Austausch mit dem mitteleuropäischen Raum.

Von ihrer Sprache wissen wir heute nur noch aus spärlichen römischen Überlieferungen. Umso mehr Raum bleibt für Spekulationen, über die sich bei einem herbstlichen Waldspaziergang – vielleicht gerade zur Halloween-Zeit – bestens sinnieren lässt.

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