Politik
Häusliche Gewalt findet mitten unter uns statt
Gewaltprävention ist gut und wichtig. Doch darf nicht ausgeblendet werden, dass ein grosser Teil der Gewalt im privaten Umfeld stattfindet.
14. Dezember 2017 — Eingesandter Artikel
Am 7. Dezember präsentierte Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Mario Fehr zusammen mit der Kantonspolizei der Öffentlichkeit seine Pläne, mit welchen Massnahmen im Kanton Zürich künftig «Extremismus und Radikalisierung bereits im Keim erstickt werden» sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt ab 1. März 2018 die neue «Integrationsstelle gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus» ihren Betrieb auf. An der Pressekonferenz war ebenfalls zu erfahren, dass die Kantonspolizei in den vergangenen fünf Jahren ein sogenanntes Bedrohungsmanagement aufgebaut hat, dessen Aufgabe es ist, «gefährliche Situationen und Personen zu erkennen, richtig einzuschätzen und schliesslich die Lage zu entschärfen».
Gewalt im privaten Bereich
An der Pressekonferenz wurden unzählige Organigramme, Modelle und Szenarien präsentiert. Von höchster Stelle fiel auch das Stichwort «jihadistisch motivierte Straftäter». Eher am Rande erwähnt wurde die häusliche Gewalt. Doch häusliche Gewalt, Gewalt also im privaten Umfeld, ist kein Randphänomen. 2015 gab es im Kanton Zürich 4775 Meldungen wegen häuslicher Gewalt. Rund die Hälfte der Fälle führte zu einem strafrechtlichen Verfahren. In 1081 Fällen oder in jedem fünften Fall kam es zu Gewaltschutzmassnahmen.
Jedes zweite Tötungsdelikt
Auch die gesamtschweizerischen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Gewalt gegen Frauen ist leider kein Fremdwort. 2015 wurden in der Schweiz 17’297 Fälle von häuslicher Gewalt registriert (die Dunkelziffern sind massiv höher). Im Jahr 2015 starben 36 Menschen infolge häuslicher Gewalt. Konkret: Mehr als die Hälfte aller Tötungsdelikte in der Schweiz erfolgt im häuslichen Bereich. Betroffen sind aber nicht nur Frauen, sondern auch Kinder. Pro Jahr erleben in der Schweiz rund 27‘000 Kinder häusliche Gewalt mit. Die Auslastung der Frauenhäuser in der Schweiz ist so hoch, dass regelmässig schutzsuchende Frauen und Kinder abgewiesen werden müssen. Die Folgekosten häuslicher Gewalt belaufen sich gemäss einer vorsichtigen Schätzung aus dem Jahr 2013 jährlich auf 188 bis 310 Millionen Franken.
Es geht nicht darum, die eine Gewalt gegen die andere auszuspielen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass häusliche Gewalt massiv häufiger und regelmässiger vorkommt als «jihadistische Gewalttaten». Es würde mich darum sehr interessieren, mit welchen Massnahmen der Kanton Zürich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Kinder bekämpft.
Judith Stofer, Kantonsrätin AL, Zürich, Wahlkreis 6/10
0 Kommentare