«Es tut gut, Routinen aufzubrechen»

Die GZ-Welt ist ihr bereits vertraut, doch Höngg ist ein neues Pflaster für sie: Mitte Oktober hat Silvana Kohler die Nachfolge von Patrick Bolle als Leiterin des GZs Höngg angetreten.

Ihren neuen Arbeitsplatz, das Team und das Quartier muss sie zwar erst noch genauer kennenlernen, doch die Begeisterung für ihren Job und die Freude an der neuen Herausforderung sind bereits jetzt deutlich zu spüren: Voller Elan begrüsst Silvana Kohler den «Höngger» im GZ Höngg zum Interview, nur zwei Wochen, nachdem sie hier angefangen hat.  Nach dreizehn Jahren Quartierarbeit im GZ Bachwiesen, gleich auf der anderen Seite der Europabrücke, hat sie den Sprung in ein anderes Quartier und in eine neue Verantwortung gewagt. Die Frage, was sie bei ihrer Arbeit motiviert, ist schnell beantwortet: «Gemeinschaftszentren stellen für mich Drehscheiben und Begegnungsorte im Quartier dar – für alle seine Bewohner*innen, ob sie nun schon lange hier leben oder gerade erst neu zugezogen sind. Es bereitet mir grosse Freude, an einem solchen Ort zu arbeiten und dazu beizutragen, dass es bei unserem Angebot für jede*n etwas dabei hat.»

Eine Ethnologin im GZ

Ursprünglich war die in Chur aufgewachsene Kohler zum Studium nach Zürich gekommen. An der Uni absolvierte sie ihr Ethnologiestudium und war anschliessend während mehrerer Jahre und an verschiedenen Orten in der Flüchtlingsarbeit tätig. So gab sie Deutschkurse für Asylsuchende und entwickelte mit «Maps» einen monatlich erscheinenden Veranstaltungskalender, der in mehreren Sprachen auf öffentliche und kostenlos zugängliche Events hinweist. In Bern war sie anschliessend in der Flüchtlingshilfe für die Aus- und Weiterbildung von Hilfswerksvertretungen zuständig, die die Asylsuchenden bei ihren Interviews begleiten. Während fünf Jahren pendelte sie von Zürich aus zur Arbeit nach Bern, weil es ihr hier in der Stadt so gut gefiel und sie den Wohnort nicht wechseln wollte. Doch irgendwann wurde das Pendeln zu mühsam. So kam sie 2008 zum GZ Bachwiesen.  Damals gehörten die Gemeinschaftszentren noch zur Pro Juventute und Kohlers Fachgebiet, die heutige Quartierarbeit, hiess «Integration, Familie und Quartier» – «ein Begriff, der», so Kohler, «eigentlich ziemlich schön wiedergab, um was es in unserer Arbeit geht.»

Beruf und Privates – Spagat oder Kombination?

Genauso alt wie ihre Tätigkeit beim GZ ist auch ihr Sohn. «Die damalige Betriebsleiterin des GZs  hat mich eingestellt, obwohl ich bereits schwanger war. Nach der Geburt habe ich ein halbes Jahr pausiert und den Mutterschaftsurlaub um einige Monate unbezahlte Ferien verlängert. Danach habe ich mein Pensum von 60% wieder aufgenommen – und war sehr froh um die Flexibilität in diesem Beruf.» Doch obwohl oder gerade weil sie mit ihrer Familie ganz in der Nähe des GZ Bachwiesen wohnte, hat ihr Sohn das Gemeinschaftszentrum die ersten drei Jahre nicht aus der Nähe zu sehen bekommen. «Anfangs war ich da sehr strikt. Ich wollte Beruf und Privatleben sauber trennen und in meiner Freizeit nicht auch noch im GZ vorbeikommen.» Mit der Zeit aber habe sie gemerkt, dass es auch sein Gutes hat, wenn man den Besucher*innen des GZs und der Angebote privat begegnet. «Es hat für den Kontakt zur Quartierbevölkerung durchaus Vorteile, wenn man sich im Migros an der Kasse begegnet oder auf der Strasse noch kurz einen Schwatz halten und Informationen austauschen kann. Wichtig ist dabei aber, die Balance zwischen den beiden Lebensbereichen hinzukriegen.»

Unverhofft kommt oft

Nun aber entfernt sie sich beruflich aus ihrem Wohnquartier. Dabei hat sie diese Veränderung gar nicht aktiv gesucht, sondern stiess eher zufällig auf die ausgeschriebene Stelle – und merkte, dass sie – trotz der Begeisterung für ihren Job – gerne nochmals eine neue Form von Verantwortung wahrnehmen würde. Denn: «die Arbeit im GZ ist zwar überaus vielfältig, doch auch hier entwickeln sich mit den Jahren gewisse Routinen. Da tut es gut, diese mal wieder aufzubrechen und an einem neuen Ort anzufangen.»
Und vom längeren Arbeitsweg profitiere nun auch noch ihre Fitness, ergänzt sie schmunzelnd.  Denn diesen legt sie konsequent mit dem Fahrrad zurück – und in punkto Ausdauer hat es der Weg – zumindest die Teilstrecke vom Wipkingerplatz bis hoch zum Zwielplatz – ja durchaus in sich.

Das macht Höngg so besonders

Vieles an ihrer neuen Tätigkeit ist Kohler natürlich bereits vertraut, ein Teil der Arbeit läuft in jedem Gemeinschaftszentrum gleich ab. Und doch gibt es zwischen den einzelnen Quartieren deutliche Unterschiede. «Im GZ Höngg besteht meines Erachtens die grösste Herausforderung darin, dieses weitläufige Quartier ganz zu erfassen und zu integrieren. Die zwei Häuser am Zwielplatz und im Rütihof gemeinsam zu führen, das ist schon eine Besonderheit hier im Quartier. Die Klammer zu finden, die diese beiden Orte und ihre unterschiedliche Klientel miteinander verbindet, das ist nicht ganz einfach.» Spannend seien die Unterschiede zwischen den beiden Häusern: einerseits der Standort Rütihof, idyllisch im alten Dorfkern und in einer alten Scheune, mit Umschwung und im Grün legen, andererseits der Standort im Zentrum, mittendrin am Verkehrsknotenpunkt Meierhofplatz-Zwielplatz, an der vielbefahrenen Strasse, ohne jeglichen nutzbaren Aussenraum. Anders als viele der anderen Gemeinschaftszentren wie etwa das GZ Bachwiesen oder das GZ Wipkingen, stellen die beiden Häuser in Höngg keinen klassischen «Quartiertreffpunkt» dar, einen Ort, wo man sich begegnet, Kaffee trinkt und auf dem Spielplatz mit den Kindern verweilen kann. «Unsere Arbeit hier in Höngg besteht daher zu einem grossen Teil auch aus mobiler Arbeit», erklärt Kohler. «Das macht das Ganze vielleicht ein bisschen schwieriger als in anderen Gemeinschaftszentren», so Kohler, «aber nicht minder spannend. Wir müssen uns also aus dem Haus heraus und rein ins Quartier bewegen.»

Pläne?

Ob sie bereits Pläne für «ihr» Quartier habe? Sie sei erst seit zwei Wochen im Amt, lacht Kohler auf die Frage des «Hönggers». Daher wolle sie zunächst mal einfach nur mit einem interessierten Blick verfolgen, was hier im Quartier so passiert, sozusagen die «Ethnolog*innenbrille» aufsetzen. «Mit meinen Ideen überfahren möchte ich hier niemanden», sagt sie. Doch sie könne sich gut vorstellen, schwerpunktmässig in Zukunft an der Vernetzung im Quartier, der Kooperation mit Vereinen, den Schulen, dem Gewerbe, den Kirchen und anderen Organisationen zu arbeiten und die Freiwilligenarbeit im Gemeinschaftszentrum noch auszubauen. «Das GZ kann für die Quartierbewohner*innen Räume bieten, in denen sie sich ausprobieren, austoben und experimentieren können. Ich denke, es gibt viele Ideen und ein grosses Potenzial hier im Quartier, von denen wir alle profitieren könnten.»

Im Quartier auf Entdeckungsreise

«Auf jeden Fall», so Kohler weiter, «bin ich sehr gespannt auf Höngg, das Quartier und seine Bewohner*innen. Bis jetzt bin ich vom Team und den Menschen, die ich hier kennenlernen durfte, sehr herzlich aufgenommen worden und freue mich auf mein neues Tätigkeitsfeld. Leider können wir wegen der momentanen Situation die Türen des GZs nicht ganz so weit offen haben, wie ich das gerne hätte und ein Besuch bei uns ist nicht so unkompliziert möglich wie sonst. Dennoch möchte ich aber alle Quartierbewohner*innen ganz herzlich einladen, vorbeizukommen und uns ihre Ideen oder Bedürfnisse mitzuteilen – oder mir ihre Lieblingsecken in Höngg zu zeigen.»

 

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