«Gott ist keine Spiesserin»

Mitte November zeigten sich sieben Pfarrerinnen in der reformierten Kirche Höngg feministisch-kämpferisch. Mit ihren vergnüglichen, mitreissenden, zum Nachdenken anregenden Texten hatten sie ihr Publikum am «Preacher Poetry Slam» schnell in der Tasche. Doch gewinnen konnte nur eine.

Genossen den Applaus (v.l.n.r.): Manuela Schäfer, Franziska Kuhn, Diana Päpcke, Rahel Strassmann, Cornelia Camichel, Diana Trinkner und Anna Lerch. (Foto: pen)

«Gott ist keine Spiesserin» – ein nicht ganz gewöhnlicher Titel für eine kirchliche Veranstaltung. Mit einem nicht minder ungewöhnlichem Programm: Am 15. November traten sieben Pfarrerinnen in der reformierten Kirche Höngg mit ihren selbstverfassten Texten zum «Preacher Poetry Slam» gegeneinander an. Predigen können sie, aber können sie auch slammen? Können sie das Publikum als Jury überzeugen? Das war die Frage, der sich die sieben Theologinnen aus der ganzen Schweiz zu stellen hatten – und die Frage, auf deren Beantwortung auch die rund hundert vornehmlich weiblichen Zuschauer*innen an diesem von der Höngger Pfarrerin Nathalie Dürmüller organisierten Abend gespannt warteten.

Naturjodel und ein Opferlamm als Auftakt

Am Anfang war Musik: Eröffnet und musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Johanna Schaub, die Jodelstücke zum Besten gab, wie sie selten gehört werden. «Naturjodel» heisst das Genre, zu dem sie sich selber am Cello begleitete. Ein gelungener Auftakt, mit dem sie bewies: Auch Jodel muss überhaupt nicht spiessig sein. Anschliessend übernahm die Züri-Slam-Meisterin 2023, Julia Steiner, das Mikrofon. Ihr fiel die Aufgabe zu, durch den Abend zu moderieren – und als «Opferlamm» den Slam mit einem eigenen Text zu eröffnen. Opferlamm deshalb, weil sie sich und ihren Text sozusagen für das Publikum opferte: Sie slammte zwar ausser Konkurrenz, diente der Publikumsjury jedoch als Referenzwert.
In ihrem witzig-spritzigen, aber zuweilen auch in die Tiefe gehenden Vortrag setzte sie sich mit dem eigenen Suchtpotenzial auseinander – weil sie ihren Nasenspray länger als die erlaubten fünf Tage verwendet hatte. Damit war die Messlatte gesetzt, das Publikum eingeheizt, der Wettkampf konnte beginnen.

Mut für sechs Minuten

Ausser der Höngger Pfarrerin Diana Trinkner stellten sich mit Rahel Strassmann, Cornelia Camichel, Franziska Kuhn, Anna Lerch, Manuela Schäfer und Diana Päpcke sechs weitere Pfarrerinnen aus der ganzen Schweiz der Herausforderung. Thematisch gab es keine Einschränkungen, die einzige Vorgabe war die Einhaltung einer Zeitlimite von sechs Minuten. Das Voting übernahmen fünf Gruppen im Publikum, die mittels Nummerntafeln mit den Zahlen von 1 bis 10 ihr gemeinsames Urteil abgeben durften.

Trinkner eröffnete den Wettkampf mit einer bissig-witzigen Auseinandersetzung mit der biblischen Geschichte von Hiob, der von Gott arg auf die Probe gestellt wurde. Wie wohl hat seine Frau diese Schicksalsschläge verarbeitet, fragte sich Trinkner – eine Frage, die in der Bibel völlig ausser Acht gelassen wird.

Es folgten sechs ganz unterschiedliche Beiträge, in Prosa oder Reimform, mit Gesangseinlagen und wilden Stakkato-Aufzählungen, mutig, witzig, berührend, rührend, gesellschaftskritisch und vor allem natürlich feministisch. Da wurde mit Evas Sündenfall abgerechnet, der inneren Stimme der «Utopia» Raum gegeben oder festgestellt, dass Gott weniger Spiesserin, sondern vielmehr «Geniesserin» ist. Eine Auseinandersetzung mit romantischen Liebesvorstellungen in Bezug auf eine Reise nach Paris gehörte ebenso ins Repertoire wie die Feststellung, dass eine Schöpferin das Bundesland Hessen schaffen und als fertig bezeichnen kann, unmöglich spiessig veranlagt sein kann.

Und schliesslich wurde auch noch mit der Trias Kinder, Kirche und Küche sowie ein wenig Weltpolitik abgerechnet – und mit der Tatsache, dass für diesen Spagat eigentlich acht Arme notwendig wären.

Für die Siegerin gibt’s «Greta»

Das Publikum folgte den sieben Frauen an diesem äusserst kurzweiligen Abend begeistert. Keine leichte Entscheidung, hier eine Siegerin zu küren. Am Ende war das Voting dann aber doch eindeutig: Diana Päpcke mit ihrem inneren Monolog zu den drei Ks, «Kinder, Kirche, Küche», gewann die Gunst des Publikums für sich und durfte die Flasche Greta-Gin nach Hause tragen. Das Publikum dagegen durfte die Erkenntnis mitnehmen, dass nicht nur Gott keine Spiesserin, sondern auch die Pfarrerinnen alles andere als bünzlig sind.

Der Poetry Slam steht als Veranstaltung nicht alleine. Er ist vielmehr Teil der der feministischen Themenreihe «Gott ist keine Spiesserin», innerhalb derer im Verlauf dieses Jahres bereits an zehn Abenden an verschiedenen Orten in der Stadt Zürich Veranstaltungen zu feministischen Themen stattfanden: von Referaten über Diskussionsveranstaltungen bis hin zu Konzerten. Im nächsten Jahr wird die Reihe fortgesetzt – mit experimentellen Gottesdiensten «jenseits von Herr und Herrlichkeit», wie das Programm verspricht.

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