«… und schon zweimal unehelich geboren…»

Wer als arm galt, das war auch früher eine Frage der Definition. Und wie man mit Armut gesellschaftlich umging war eine Frage des gerade herrschenden Zeitgeistes. Ein Blick in die «Armengeschichte» von Höngg zeigt dies schön auf – und führt vor Augen, dass Armutsrisiken sich im Wandel der Zeit gleichen.

Steuerdaten waren, wie heute auch noch, so schon früher mehr oder weniger verlässliche Quellen, um zu erfahren, wie gut es den Bürgerinnen und Bürgern einer Gemeinde geht. Oder früher ging. So zeigt auch die «Ortsgeschichte Höngg» (OGH) anhand von Steuerdaten des Jahres 1467 auf, dass sich «in Höngg eine Beobachtung einer Oberschicht und einer deutlich abgesetzten Unterschicht» nicht nachweisen lässt. Doch «sicher gab es Arme und Reiche», so die OGH, «diese lebten aber offenbar nicht in klar geschiedenen Klassen». Die eigentliche Armenfürsorge war in jener Zeit eine Aufgabe der Kirche. Im frühen Mittelalter galt die Regel, dass ein Viertel der Einnahmen des Zehnten, welche an die Kirchgemeinde flossen, den Armen zu Gute kommen sollte. Doch erst die Reformation brachte im Zürcher Gebiet mit der Almosen-Ordnung von 1525 eine dauerhafte Regelung.

Bettlerjagden und Bettlerfuhren

Eine seltsame Art der «Fürsorge» waren die sogenannten «Bettlerjagden» oder «Bettlerfuhren». Um die Bettler loszuwerden, wurden diese kurzerhand eingesammelt und zur Gemeindegrenze geführt. Kranke, gehunfähige Bettler wurden in die Stadt ins Spital gefahren – wenigstens hätte man dies tun sollen, doch die Höngger beliessen es oft dabei, diese «Kunden» einfach an der Grenze zu Wipkingen abzuladen. Sollten doch die Nachbarn schauen. Die Höngger wurden für dieses Tun regelmässig verurteilt. So klagten 1626 die Wipkinger über das Tun der Höngger, und der Zürcher Rat gab ihnen Recht: die Höngger sollen ihre Bettler bis zum Spital führen und nicht in Wipkingen abladen. Das Urteil wurde 1694 bestätigt, was zeigt, dass die Höngger dem Urteil von 1626 wohl keine nachhaltige Beachtung geschenkt hatten.

Parallelen zu heute

In die andere Richtung, von der Stadt auf das Land, wurden Arme mit Brotlieferungen unterstützt. Erste Hinweise darauf gibt es gegen Ende des 16. Jahrhunderts und bis 1839. Das Almosenamt in Zürich unterstützte Bedürftige auf dem Land, also auch in Höngg, zudem mit Geld oder Winterkleidern. Für das Jahr 1590 sind in Höngg fünf Erwachsene und 23 Kinder vermerkt, die zu Brot kamen und «wenig später» 15 Erwachsene und über 30 Kinder. Der Rat von Zürich liess ihnen wöchentlich elf Viertel Brot liefern.

Im Hungerjahr 1692 hatten die Pfarrer der Landschaft ihre «Sozialfälle» dem Zürcher Almosenamt zu melden. Der Höngger Pfarrer meldete 23 «Almosengenössige», sieben weitere, die nur Winterkleider bezogen und 14 Personen, «die sich nicht mehr durchbringen mögen». Zürich lieferte daraufhin wöchentlich 43 Brote für 21 Empfänger und zur Verteilung an sieben Empfänger monatlich 11 Pfund 5 Schilling Bargeld. An 21 Personen wurden 48 Paar Schuhe, 13 Paar Strümpfe und ein Unterrock verteilt.

«gutmütig, leichtsinnig, ab 1875 Wittwer, gebrechlich, sank er mehr und mehr ins Trinken, und ward arbeitsunfähig»