Gesammelte Freundlichkeiten

Zum Tag der «Random acts of kindness» sammelt der «Höngger» Komplimente. Doch gleichzeitig will er auch mal sehen, was eigentlich tagtäglich so Gutes geschieht hier im Quartier. Ein Protokoll der Nettigkeiten.

Für die Nachbarin einkaufen zu gehen ist nur eine der vielen Möglichkeiten, anderen etwas Gutes zu tun. (Fotos: unsplash)

«Das Glück Deines Lebens hängt von der Beschaffenheit Deiner Gedanken ab», sagte mein Jahreskalender den ganzen Monat Dezember zu mir. Wie wahr, dachte ich oft. Gerade in der kalten und dunklen Jahreszeit, mit Pandemie und sonstigem Stress rundherum, verliert man sich so leicht in negativen Gedanken. Irgendwas läuft schief – und das tut es ja eigentlich immer – und schnell ist alles ganz doof, traurig, schlecht. Murphy’s Law. Alles hat sich gegen mich verschworen. Mein Selbstmitleid ist das einzige, das noch bedingungslos zu mir hält. Wie langweilig.

Aufs Positive konzentrieren

Warum nicht also mal gegensteuern? Irgendwas läuft ja auch immer gut, jeden Tag. Jeden Tag begegne ich netten Menschen, erlebe positive Dinge. «Random acts of kindness», «zufällige Freundlichkeitstaten»,  passieren ständig, man muss sie nur sehen. Deswegen also hier ein Protokoll der gesammelten Freundlichkeiten, die mir so im Alltag begegnen – um die Beschaffenheit der Gedanken mal umzupolen.

Tiere tun gut

Frühmorgens aus dem Bett schälen. Etwas schwierig im Dunkeln und dann ist es noch so kalt. Egal, da muss ich durch. Die Kinder machen sich für Schule und Job bereit, ich muss erst einmal die Tiere versorgen. Die Reaktion der Tiere auf meinen Besuch ist selbst eigentlich schon ein «act of kindness». Wie sich die beiden Katzen darüber freuen, von mir gefüttert und gestreichelt zu werden, wie fröhlich die Gänse den neuen Tag begrüssen – wer will da Trübsal blasen? Eine erste Spaziergängerin schlendert vorbei, die Katzen eilen zu ihr, um sie zu begrüssen und um ihre Beine zu streichen. Sie freut sich – und äussert die erste positive Bemerkung des Tages: «Es tut mir immer so gut, hier vorbeizukommen und die Tiere zu sehen.»

Kleine Gesten zählen

Jetzt aber schnell zurück zu den Kindern. Auf dem Heimweg fährt bei der Bushaltestelle gerade der 46er Richtung Bahnhof ab. Verzweifelt versucht eine ältere Dame, den Bus noch zu erreichen, sprintet und winkt, doch es ist zu spät. Der Bus ist abgefahren. Sie will sich schon ärgern, da hält der Chauffeur in der Kehrschlaufe an und fordert sie auf, einzusteigen. Kleine Geste, grosse Wirkung. Etwas später am Vormittag der Einkauf. In der Schlange ganz vorne an der Kasse ein Kind, das offensichtlich sein Taschengeld in Süssigkeiten investiert. Lauter 10-Rappen-Münzen auf dem Förderband der Kasse, die Kassiererin zählt. Es fehlen 20 Rappen, um die sauren Zungen zu bezahlen. Die Frau hinter dem Kind greift ohne zu zögern in ihr Portemonnaie und bezahlt die fehlenden 20 Rappen aus der eigenen Tasche. Ist ja nix dabei. Doch das Kind strahlt. Überhaupt, das Personal hier im Denner am Meierhofplatz. Das gehört auch zu den positiven Meldungen. Wie freundlich sie ihre Kund*innen bedienen. Da fühlt man sich gleich sehr willkommen. Und genauso freundlich wird man auch von der «Taxi»-Verkäuferin begrüsst, die vor dem grossen Coop ihre Zeitschrift verkauft. Schlechtes Wetter und gestresste Passant*innen scheinen ihr nichts auszumachen – ihre gute Laune ist jedenfalls ansteckend.

Hilfsbereitschaft im ÖV

Im Bus das nächste positive Erlebnis:  Eine Frau betritt den Bus, sie hält sich den Schal vor das Gesicht, hat offensichtlich keine Maske und es ist ihr unangenehm. Ein Mitreisender nimmt eine eingepackte Einwegmaske aus dem Rucksack und bietet sie ihr an. Erleichtert nimmt sie sie an, kann aber im Stress die Verpackung nicht aufreissen. Verzweifelt reisst sie am Plastik. Ihre Nachbarin nimmt ihr die Maske aus der Hand und befreit sie aus der Verpackung.

Beeindruckende Grosszügigkeit

Abends steht ein Essen mit einer guten Freundin in einem thailändischen Restaurant in der Umgebung auf dem Programm. Gut gespiesen und sogar für die Kinder noch etwas im Take-away mitgenommen. Beim Bezahlen zähle ich auf, was ich alles konsumiert habe. Der Wirt unterbricht und sagt: «Also, dieses Getränk kann ich hier beim besten Willen auf der Rechnung nirgends finden. Das ist wohl vergessen gegangen», ergänzt er augenzwinkernd, verrechnet den geringeren Betrag und weigert sich zudem noch, die Höhe meines Trinkgelds zu akzeptieren.

Nettigkeit ist ansteckend

Auch wenn die oben geschilderten Beispiele zugegebenermassen nicht wirklich alle am selben Tag passiert sind, sondern der Dramaturgie willen etwas zusammengerafft erzählt wurden – sie sind alle wahr. Und sicher könnte ich noch unzählige weitere solcher kleinen netten Geschichten erzählen, wenn ich sie nicht vergessen hätte, weil ich zuweilen zu sehr damit beschäftigt war, mich auf das Negative zu konzentrieren. Dabei wäre es doch so einfach. Ich nehme das Erlebte als Anstoss. Werde mich gleich morgen mit einer kleinen Geste revanchieren – völlig egal, bei wem. Hauptsache nett sein. Kostet nix, tut gut und wirkt ansteckend.

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