Georg Sibler wird persönlich

Er schrieb die «Ortsgeschichte Höngg» und gilt als «historisches Gewissen» des Quartiers: Der 94-jährige Georg Sibler hat ein enormes Wissen über Höngg. Nun erzählt er in einem Buch aus seinem Leben.

Der Autor Georg Sibler am 28. Februar 2009 in der Stube des Ortsmuseums Höngg. (Foto: zvg)

Als Georg Sibler das erste Mal von Höngg erfuhr, besuchte er die 5. Klasse der Primarschule in Dättlikon. In einem Lesebuch interessierte ihn besonders der Teil mit historischen Erzählungen. Die erste Geschichte, die dort aufgeführt wurde, trug den Titel «Zürich im Jahr 1333», geschrieben von einem gewissen Reinhold Frei aus Zürich-Höngg. Damals fragte sich der junge Georg, was das wohl für ein Dorf in der Nähe von Zürich sei.

In dieser Zeit abonnierten Siblers Eltern auch eine Schülerzeitung, die wiederum von Frei herausgegeben wurde. Bei einem Wettbewerb zum Thema Zunamen schickte Sibler dann die längste Liste ein, was Frei sehr beeindruckte. Der Lehrer, Ortshistoriker und Gründer des Ortsmuseums Höngg, sollte bald einen wesentlichen Einfluss auf Sibler haben. Dieser zog 1955 der Arbeit wegen nach Höngg und traf dort bald auf Frei. Einige Jahre später war es Sibler selbst, der Freis «Nachfolge» übernommen hat.

«Oral History»
Das ist nur eine der Anekdoten, die seit Kurzem über Sibler nachzulesen sind. Sie steht mit vielen anderen Erlebnissen und Geschichten im Buch «Georg Sibler – Höngger Ortshistoriker», das die Mitteilung Nr. 56 der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg ist. Geplant waren seine Memoiren nicht, obschon der 94-Jährige schon lange deswegen bekniet wurde. Zunächst sollte es «nur» ein Interview im Rahmen der Reihe «Oral History» für das Ortsmuseum Höngg sein. In diesem Format sprechen Zeitzeugen vor der Kamera.

Die Historikerin Manda Beck traf sich mit Sibler im Dezember 2021 und führte ein rund zweistündiges Interview. Es sind Momente, in denen Sibler viel Wissenswertes preisgibt – und viele persönliche Einblicke. Er nimmt dabei Stellung zu Fragen wie «Wie beschreiben Sie Ihre damaligen Lebensverhältnisse?» und «Wie erleben sie Ihre Pensionierung?». Das Interview wurde im August auf YouTube veröffentlicht. Doch das Video hatte mehr Potenzial.

Sanfte Überredung
Dass Sibler mit seinem Leben auch ein Stück der Geschichte Hönggs beschreibt, bemerkte auch Bruno Dohner. Der Anwalt und Präsident der Schmid-Wörner-Stiftung, der auch ein enger Vertrauter Siblers ist, sah in dem Interview die Grundlage für ein neues Werk des Lokalhistorikers. «Es benötigte sanfte Überredungskünste, um das Buch zu realisieren», sagt Dohner.

Es sei weniger das Offenlegen persönlicher Ereignisse, so Sibler, sondern eher die Arbeit gewesen, die ihn zunächst zögern liess. «Ein Buch benötigt eine gewissenhafte Recherche, das kannte ich von der Ortsgeschichte her.» In der Tat ist diese eine Meisterleistung, die sieben Jahre Arbeit benötigte: Auf rund 450 Seiten schreibt Sibler darin akribisch die Geschichte Hönggs nach. Doch nun berichtet der Autor von sich selbst: Georg Sibler wird persönlich.

Weiterführende Gedanken
Die Überredungskünste haben gewirkt, für die Finanzierung des Buches kam die Schmid-Wörner-Stiftung auf und Dohner übernahm die Redaktion. Für Satz und Druck zeichneten sich die Gebrüder Erich und Louis Egli aus. Und es sollte nicht nur das niedergeschriebene Interview mit insgesamt 21 Fragen und Antworten sein, das die Journalistin und Redaktorin Liliane Foster sowohl lektorierte wie korrigierte. Hinzu kam ein zweiter Teil, die «Weiterführenden Gedanken von Georg Sibler». Wie viele Hönger*innen wissen, arbeitete er 35 Jahre auf dem Notariat, Grundbuch- und Konkursamt Höngg-Zürich, zwölf davon als Notar. Ebenfalls bekannt ist sein Schaffen als Historiker und Autor.

In seinem neuen Buch richtet er den Fokus aber nun auf jene Aspekte seines Lebens, die ihn ebenso geprägt haben: Es sind sieben Kapitel, die er dem Militär, der Studentenver­bindung, der Zunft Höngg, dem Ortsmuseum Höngg, der Hauserstiftung Höngg, der Schmid-Wörner-Stiftung und schliesslich seiner Freizeit, den Feiern und den Ferien widmet. Mit dabei sind, wie schon beim Interview, immer wieder Fotos, die eine lebendige Geschichte vermitteln.

Freilich ist das letzte Kapitel, das privateste der sieben, kein klassischer Bericht aus dem Nähkästchen. Aber warum Sibler bei seiner Hochzeit einen alten Zylinder als «Realisation eines Witzes» trug oder mit seiner Familie während fast 50 Jahren die Ferien in Pontresina verbrachte, ist erhellend.

Ein Abschiedswerk
Sibler sei das «historische Gewissen» von Höngg, von dem nun etwas mehr zu erfahren sei, sagt Dohner. Das Buch werde zudem wohl das Abschiedswerk Siblers sein. Das sagt sowohl der Redaktor Dohner ganz offen, wie auch Sibler selbst. Aber von Wehmut oder gar Traurigkeit kann nicht die Rede sein. Viel eher sind es Freude und Stolz auf das Erreichte und auf ein Leben, das für Höngg so wertvoll ist. «Ich beantworte Fragen zur Ortsgeschichte noch immer mit Leidenschaft», sagt Sibler. Ernstgemeinte Anfragen seien immer willkommen.

«Georg Sibler – Höngger Ortshistoriker»

Mitteilung Nr. 56 der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg.
92 Seiten und rund 50 Bilder.
Erhältlich beim Ortsmuseum Höngg, «Kapitel 10» und der «Höngger»-Redaktion für 20 Franken.

«Oral History»
Das Interview mit Georg Sibler ist auf dem Youtube-Kanal des Ortsmuseums Höngg zu sehen.

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