Georg Sibler – ein Nachruf

Georg Sibler war vieles: Historiker, Notar, Buchautor, Chronist, Archivar, Heraldiker, Stiftungsrat. Vor allem aber war Georg ein leidenschaftlicher Höngger. Nun ist er – 94-jährig – verstorben.

26. August 2022: Georg Sibler bei der Buchpremiere seiner Biografie. (Foto: zvg)

Nachrufe dürfen auch mal etwas persönlicher ausfallen. Im Fall von Georg Sibler gibt es dafür auch gute Gründe. Überall, wo ich mich in den letzten 30 Jahren in Höngg engagierte, war mir Georg ein freundschaftlicher Mentor und kluger Gesprächspartner. Die Abstände zwischen unseren Begegnungen wurden mit den Jahren immer kürzer, die Verweildauer dafür umso länger. Nicht selten ging das an Sonntagen so weit, dass Georg nach fünfstündigem Mittagessen um 17 Uhr nahtlos zum Nachtessen wechselte.

Wie gern hätte ich mit dem so geschichtsbesessenen Alt-Notar noch das aktuelle 175-Jahr-Jubiläum unserer Verfassung rauf und runter dekliniert. Nun – nach seinem Tod – muss ich ernsthaft befürchten, in eine Art historisches Vakuum zu fallen.
Gesprächsthemen gab es stets genug. Drei Beispiele:

Hauserstiftung Höngg

Als die Hauserstiftung 2005 ihr 75-jähriges Bestehen feierte und ich mich intensiv mit deren Geschichte befasste, begegnete ich Georg Sibler zum ersten Mal. Als langjähriger Stiftungsrat und Verfasser eines kleinen Werks über das älteste Höngger Altersheim war ich bei ihm natürlich an der richtigen Adresse. An unseren Gesprächen nahm zuweilen auch sein enger Freund Noldi Sperandio teil. Die beiden lehrten mich, lokalhistorische Gespräche und den Genuss von Höngger Wein als erfolgreiches Duett für mehr Lebensqualität zu begreifen.

Zunft Höngg

In der Zunft Höngg bekleidete Georg Sibler Ämter, die es vor ihm in dieser Form noch gar nicht gab. Für die Betreuung der Familienwappen, den Aufbau und die Führung des Zunftarchivs und vor allem die Herausgabe der alljährlichen Zunft-Chronik war Georg während Jahren die prägende Figur. Während meiner Zeit als Zunftschreiber unterstützte mich Georg mit seinem immensen Wissen über das Zürcher Zunftwesen. Viele meiner Textentwürfe unterzog ich vorgängig gern und zum Wohle der Adressaten seinem rigiden Faktencheck.

Schmid-Wörner-Stiftung Höngg

Einen geradezu existenziellen Beitrag leistete Georg Sibler zum Erhalt der Schmid-Wörner-Stiftung. Sowohl bei deren Gründung 1917 als auch später bei der Höngger Eingemeindung von 1934 ging nämlich vergessen, die Stiftung lege artis in das Handelsregister einzutragen. Dem Ansinnen der Stadt Zürich, diesen Fonds deshalb zu liquidieren, trat Georg im Jahr 1986 ebenso energisch wie erfolgreich entgegen. Ihm ist es zu verdanken, dass diese Höngger Institution heute noch existiert und weiterhin gemeinnützige Projekte in Höngg unterstützen kann.

Georgs kulturelles Lebenswerk und seine Beiträge zur Höngger Geschichte sind für unser Quartier von immenser Bedeutung. Mein Nachruf zeigt dies nur bruchstückhaft. Es fehlt der Hinweis auf die über 20 Hefte, die Georg Sibler als «Mitteilungen der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg» verfasst hat, und es fehlt vor allem die Erwähnung seines epochalen Werkes «Ortsgeschichte Höngg». Der Schaffung dieses Klassikers widmete Georg sieben Jahre seines Lebens.

Der Stiftungsrat der Schmid-Wörner-Stiftung Höngg freut sich sehr, dass Georg Sibler im beachtlichen Alter von 93 Jahren noch die Kraft für ein letztes Buchprojekt aufbringen konnte. Seine Biografie «Georg Sibler – Höngger Ortshistoriker» und das auf Initiative des Ortsmuseums Höngg mit Georg geführte Podcast-Interview bleiben uns als wertvolle Erinnerungen an eine grosse Höngger Persönlichkeit.

Von Bruno Dohner, Präsident Schmid-Wörner-Stiftung, Höngg

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