Genossenschaftliches Wohnen im Rütihof

Der kleine Bauernweiler Rütihof hat sich in den letzten 40 Jahren zu einer eigenen Kleinstadt entwickelt. Ein Grossteil der Überbauungen besteht aus Genossenschaftsbauten.

Ringbau im charakteristischen Rot - die ABZ-Siedlung Rütihof 1. (Foto: Ilias Islam)

Bis in die 70er-Jahre war der Rütihof nicht viel mehr als ein paar Bauernhöfe, bestehend aus einer Handvoll Gebäude, direkt an der Stadtgrenze gelegen, vom Zentrum Hönggs weit entfernt. 1979 aber beschloss der Gemeinderat die Umzonung des Landwirtschaftslandes in Bauland, die grosse Bauphase begann. Diverse Baugenossenschaften liessen sich hier nieder und bilden heute einen grossen Komplex von Siedlungen im gemeinnützigen Wohnungsbau. 

Vom Bauernhof zur Siedlung

Zu den ersten, die im Rütihof zu bauen begannen, gehörte die «Allgemeine Baugenossenschaft Zürich» (ABZ). Wie die Präsidentin der Genossenschaft, Nathanea Elte, berichtet, erhielt die ABZ «das Bauland zu Beginn der 80er-Jahre von der Firma Siemens im Tausch gegen zwölf Einfamilienhäuser in Albisrieden.» 1983/84 erstellten die Architekten Schwarzenbach und Maurer das charakteristische hufeisenförmige Gebäude zwischen Rütihof- und Geeringstrasse. Auf sechs Stockwerken beinhaltet es 111 Wohnungen, ein Restaurant, ein Lebensmittelgeschäft sowie einen Coiffeursalon. 1990 konnte auch die Siedlung «Rütihof 2» bezogen werden, bestehend aus einer Häuserzeile mit weiteren 46 Wohnungen, zusätzlichen Gewerberäumen und einem Kindergarten.

Das Konzept: Wohnen für alle

Der Name «Allgemeine Baugenossenschaft» beinhaltet bereits das Konzept der 1916 in Zeiten schwerer Wohnungsnot gegründeten Genossenschaft: hier soll jede*r Mitglied werden können. Die Strategie der ABZ, so erklärt es Elte, sei es bis heute, «vor allem denjenigen Wohnungen zu vermitteln, die es sonst schwer haben auf dem Wohnungsmarkt.» Daher finden sich bei der Genossenschaft verhältnismässig viele Mitglieder im niedrigeren Einkommensspektrum.
Die Wohnungen der Siedlung im Rütihof sind für alle Altersklassen und Familiengrössen konzipiert – von 1.5 bis zu 5.5-Zimmerwohnungen. Bei der Gestaltung der Wohnungen achte die Genossenschaft darauf, «diese möglichst zu optimieren, das heisst, wenig Verkehrsfläche und nicht nutzbaren Raum zu schaffen. Auf aufwändige Details wird zugunsten einer günstigeren Miete verzichtet.»

Sonnengarten: mehr als 200 Wohnungen

Eine weitere grosse Genossenschaft, die bereits in den frühen 80er-Jahren im Rütihof Fuss fasste, ist die «Baugenossenschaft Sonnengarten». Diese wurde 1944 mit dem Ziel gegründet, nach dem Krieg in der Stadt für günstigen Wohnraum zu sorgen. 1981 erwarb sie im Rütihof mehrere Parzellen im Baurecht. Die Architekten Guhl, Lechner und Partner entwarfen drei dreistöckige Häuserzeilen, die sich um einen Hof gruppieren.
In insgesamt drei Etappen wuchs die Sonnengarten-Siedlung mit der Erweiterung um drei lange Häuserzeilen sowie einen würfelförmigen Bau bis Ende der 90er-Jahre schliesslich zu ihrer jetzigen Grösse heran und beherbergt nun neben mehr als 200 Wohnungen auch ein Café, einen Hort, Alters- bzw. Jugendwohnungen sowie eine Töpferwerkstatt.
Die Wohnungen stellen primär kostengünstigen Wohnraum für junge Familien zur Verfügung. Es befinden sich nur wenige kleinere Wohnungen in der Siedlung, das Gros sind Wohnungen mit einer Grösse von 3.5 bis 5.5 Zimmern. Wichtig sei der Genossenschaft, so Silvia Hochrein, Leiterin Immobilien bei der Baugenossenschaft, dass es «für alle etwas dabei hat. Wir sind primär für Geringverdienende da, achten aber auch auf eine gute Durchmischung. Dies ist uns sehr wichtig.»

Siedlung Rütihof 1 der Baugenossenschaft Sonnengarten. Die Häuser im Hintergrund gehören zur Baugenossenschaft des Kaufmännischen Verbands Zürich. (Foto: Dagmar Schräder)

Bauen für den Mittelstand

Eine sehr lokale Genossenschaft mit einem etwas anderen Background ist die liberale Baugenossenschaft, LBG. Diese wurde 1981 auf Initiative bürgerlicher Politiker*innen aus Höngg und Wipkingen sowie kleiner Gewerbetreibender gegründet. Der gemeinnützige Genossenschaftsbau zu jener Zeit, so erklärt Hans Ueli Affolter, Präsident der Genossenschaft, «war damals eher von biederer Struktur und primär kostengünstig. Dem wollte die LBG etwas Grosszügigeres gegenüberstellen und auch dem Mittelstand erschwingliche Wohnungen zur Verfügung stellen».
1982 erhielt die LBG eine Parzelle im Rütihof im Baurecht und realisierte 1986 ihr Projekt mit 61 Wohnungen in vier Liegenschaften. Die Siedlung besteht aus einem Rundhaus und drei Reihenhäusern mit Maisonettewohnungen in einem terrassierten Bau, etwas aufwendiger und in den Grundrissen grösser als die Wohnungen der anderen Genossenschaften, dafür aber auch in einem etwas höheren Preissegment. Rund 120 Menschen bewohnen die kleine Siedlung. Während in den Reihenhäusern vorwiegend Familienwohnungen zu finden sind, beinhaltet das Rundhaus kleinere Wohnungen und ist mit einem Lift ausgestattet. 

In den Hang gebaute Maisonettewohnungen mit grosszügigen Terrassen: die Siedlung der LBG im Rütihof (Foto: Ilias Islam)

Gemeinschaft gestalten

Was Genossenschaftssiedlungen ausmacht, ist aber nicht nur der erschwingliche Wohnraum auf Basis von Kostenmieten, sondern auch das Zusammenleben innerhalb der Überbauung. «Wichtig für uns ist das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Siedlung, neben der <Hardware> sozusagen die <Software> der Genossenschaft», erklärt etwa Elte. Schliesslich sind die Bewohner*innen bei ABZ und Sonnengarten nicht nur Mieter*innen, sondern auch Mitglieder und damit Anteilshaber*innen, welche über die Geschicke «ihrer» Genossenschaft mitentscheiden und diese mitgestalten können und sollen.
Architektonisch versuchen die Genossenschaften mit verschiedenen Mitteln, Gemeinschaft zu fördern und gestalten – etwa über die im Halbkreis angeordneten Eingänge der ABZ-Siedlung, welche in einem Arkadengang rund um den Innenhof liegen und so mehr Begegnungen ermöglichen als Reihenhäuser. Oder die vom Grafiker Hansruedi Scheller mit verschiedenen Farben gestalteten Eingänge, die Identität schaffen und der Orientierung dienen sollen. Sehr wichtig sind auch die von den Bewohner*innen für verschiedenste Anlässe nutzbaren Gemeinschaftsräume sowie flexible Atelier- und Hobbyräume, welche individuell gemietet werden können.
Ein ganz entscheidender Faktor sind zudem die für alle zugänglichen Aussenräume mit Spielplätzen und Grünanlagen. Hier haben sich die Ansprüche in den letzten vierzig Jahren gewandelt, so dass die Aussenräume bei allen drei Genossenschaften erneuert und neu gestaltet wurden. Bei der BG Sonnengarten wurden etwa die neuen Spielplätze im Mitwirkungsverfahren und unter Beteiligung der hier lebenden Kinder erstellt. Unter dem Motto «Gartenstadt» wird heute versucht, die «Stärken des Standortes mit den Bedürfnissen der Bewohner*innen zu verknüpfen», wie Hochrein erklärt. Auch bei der LGB wurden die Aussenräume aufgewertet. Eine funktionierende Biodiversität steht hier im Fokus, zudem haben sich Bewohner*innen zu einer «Urban Gardening»-Gruppe zusammengetan.

Der «Raketenspielplatz» in der Siedlung der BG Sonnengarten wurde mit Hilfe der hier wohnenden Kinder entworfen. (Foto: Dagmar Schräder)

Kleinstadt ohne grosse Infrastruktur

Doch nicht nur die einzelne Genossenschaft ist für das Gemeinschaftsgefühl entscheidend, sondern auch das Gesamtgefüge des Wohnquartiers. Dieses ist seit den 80er-Jahren stark gewachsen – rund 4000 Menschen leben mittlerweile im Rütihof, Tendenz steigend. Weitere Genossenschaften wie die ASIG sind hinzugekommen, aber auch andere Institutionen sowie zahlreiche private Bauherren. Architektonisch resultiert daraus ein buntes Mischmasch an Stilrichtungen, wie der Architekturführer Zürich feststellt: «Auf die strengen Bauten der ersten Phase folgten die gemütlichen 1980er- und die verspielten 1990er-Jahre – alles in allem ein ziemliches Durcheinander an Stilen».
Aus städteplanerischer Sicht und nach Ansicht vieler Quartieranwohner*innen ist in diesem «Durcheinander» trotz aller vorhandener Wohnqualität und der grossen Beliebtheit der Wohnlage noch Luft nach oben – vor allem in Bezug auf die Infrastruktur, welche nicht mit dem Quartier mitgewachsen ist. Gleichzeitig erweist sich die Lage für Gewerbe gerade wegen seiner Abgeschiedenheit als nicht ganz einfach – wie etwa das Beispiel des mittlerweile geschlossenen Restaurants Rütihof zeigt. Für die Zukunft und in Hinblick auf weitere geplante Bauprojekte besteht hier noch Optimierungspotenzial – um das Gemeinschafts- und Lebensgefühl innerhalb der «Kleinstadt» noch weiter verbessern zu können.

Bild aus dem Jahr 1982: das grosse Bauen hat begonnen. (Foto: Archiv Höngger)

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