Quartierleben
Gemüsegärten auf kleinstem Raum
In der Siedlung der ASIG-Genossenschaft im Rütihof haben Bewohnerinnen und Bewohner ein «Urban Gardening»-Projekt gestartet: In alten SBB-Rahmen und Paletten wird hier gemeinschaftlich Gemüse angebaut.
16. August 2017 — Dagmar Schräder
Wer durch den Rütihof spaziert und der Rütihofstrasse bis zum Ende der Siedlung folgt, dem fällt, auf einer kleinen Wiese unterhalb der letzten Häuser der ASIG-Genossenschaft, eine bunte Ansammlung von Holzkisten und Paletten auf verschiedenen Höhen auf, bepflanzt mit den unterschiedlichsten Gemüsesorten. Ein Kunstprojekt? Ein Ableger des Bauspielplatzes? Nein, dies ist der neue Gemeinschaftsgarten, den Bewohnerinnen und Bewohner der ASIG ins Leben gerufen haben.
Ein Gärtchen vor der Wohnungstür
Ursina Zanelli, eine der Mitbegründerinnen des Projekts, erklärt, wie diese Form des «Urban Gardenings» entstanden ist: «Auf der jährlichen Mieterversammlung der ASIG-Siedlung hier im Rütihof haben Natascha Binder und ich vergangenes Jahr den Antrag gestellt, in Holzkisten kleine Gemüsegärtchen anzulegen. Wir wollten damit ein generationenübergreifendes Gemeinschaftsprojekt schaffen, das allen Mieterinnen und Mietern offensteht». Den Wunsch, in einem kleinen Garten ihr eigenes Gemüse anzubauen, hegten, so erklärt Zanelli, viele Stadtbewohnerinnen und –bewohner, die Möglichkeiten dazu seien jedoch in Zürich – wie in allen Städten – ziemlich begrenzt. Zudem würden viele der existierenden Familiengärten in naher Zukunft Bauprojekten zum Opfer fallen. «Deswegen gefiel uns diese Idee, auf kleinstem Raum direkt vor der Wohnungstür einen Garten zu schaffen, besonders gut», führt Zanelli aus. Auch die Mieterversammlung war begeistert: Zanelli und Binder erhielten den Auftrag, ein Konzept für das «Urban gardening»-Projekt zu erstellen und sich auf die Suche nach dem geeigneten Material zu machen.
«Stadtgmües» mit alten Sorten
In einem Aufruf an alle Bewohnerinnen und Bewohner der ASIG-Siedlung informierten die beiden in der Folge über ihre Idee und suchten nach Interessentinnen und Interessenten, die sich an dem Gemeinschaftsgarten beteiligen wollten. Es fanden sich elf Einzelpersonen beziehungsweise Familien, mit denen jeweils ein Pachtvertrag über eine Gemüsekiste abgeschlossen wurde. Die dafür benötigten SBB-Rahmen und Euro-Paletten konnten als Occasionen kostengünstig zu einem Preis von je 70 Franken erworben werden, die Kosten für die Erde sowie die Werkzeugkiste wurden von der Genossenschaft übernommen. Bei der Suche nach Paletten und Gemüsekisten stiessen die beiden zudem auf das «Stadtgmüesler»-Projekt der Schweizer Samenzüchter-Firma Zollinger. Dieses vom Bundesamt für Wald und Landschaft subventionierte Projekt stellt Initiativen wie derjenigen in der ASIG-Siedlung gratis jeweils sechs Paletten mit «pro specie rara»-Setzlingen zur Verfügung, die dann nur noch gepflegt und geerntet werden müssen. Das Ziel des «Stadtgmües» ist es, alte, traditionelle Gemüsesorten zu erhalten und in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig es ist, die einheimische Sortenvielfalt zu bewahren. «Dies erschien uns als ideale Ergänzung zu unserer eigenen Idee, sodass wir uns bei der Firma Zollinger darum bewarben, sechs ihrer Kisten aufstellen zu dürfen», erläutert Zanelli.
Eine funktionierende Gemeinschaft
Am 8. April dieses Jahres wurde aus der Idee schliesslich Realität: Gemeinsam stellten die neuen Gärtnerinnen und Gärtner die insgesamt elf Paletten und Kisten auf, füllten sie mit Erde und begannen sie zu bepflanzen. Dabei sind die Inhaber der Kisten in der Auswahl völlig frei, jeder gestaltet seine Kiste nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen – lediglich die «pro specie rara»-Kisten sind fixfertig geliefert worden. Bei der Gartenarbeit unterstützen sich die Gärtner jedoch selbstverständlich: «In Bezug auf das Bewässern haben wir unser eigenes Informationssystem mit verschiedenfarbigen Stöcken geschaffen. Wer einen roten Stock in seiner Kiste aufstellt, möchte gerne selber giessen, grün bedeutet, auch andere dürfen giessen, weiss signalisiert, dass der Besitzer in den Ferien ist. Die Kommunikation funktioniert hervorragend.» Auch sonst sind die ersten Erfahrungen, die die Organisatorinnen mit ihrem Gärtchen und der Gartengemeinschaft machen, sehr positiv. «Die Zusammenarbeit im Garten funktioniert sehr gut, zwischen Alt und Jung und Angehörigen der verschiedensten Kulturkreise. Über das ganze Gartenjahr hinweg kommen hier Nachbarn zusammen, helfen sich bei der Gartenarbeit, tauschen sich aus und erfreuen sich zudem noch an selbst angebautem und gesundem Gemüse», freut sich Zanelli.
Auch festliche Anlässe sind geplant oder haben sogar bereits stattgefunden: So wurden im Juni alle Bewohnerinnen und Bewohner der ASIG-Siedlung zu einem vom Mieterforum organisierten, gemütlichen Apéro eingeladen, im Herbst soll ein gemeinsames Essen mit Suppe aus den eigenen Kürbissen folgen. Die Gartenarbeit wird so auch zu einem sozialen Anlass. Und wer weiss, vielleicht schlägt die Idee ja Wellen und findet auch in anderen Siedlungen und Nachbarschaften Nachahmer?
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