Für Umfeld und Umwelt aktiv

Schon seit Jahren lebt Dagmar Schräder im Rütihof und ist dort sehr aktiv. Ein Portrait über eine Hönggerin, der ihre Umwelt am Herzen liegt.

Dagmar Schräder ist im Quartier nicht nur für den «Höngger» aktiv.

Hönggerin war ich nicht von Anfang an: Die ersten zehn Jahre meines Lebens habe ich in Nordrhein-Westfalen auf dem Land gelebt, etwa eine Dreiviertelstunde von Köln entfernt. Dann bin ich mit meinen Eltern nach Zürich gezogen, wo wir wieder zehn Jahre verbracht haben, zuerst im Rütihof und dann am Schwert. Als ich zwanzig war, bin ich nach Berlin gegangen. Das ergab sich so, weil ich damals die Kinder einer Familie hütete, die nach Deutschland umzog und mich fragte, ob ich mitkommen wolle.

Nach Berlin zu gehen, kam mir gerade recht. In Zürich hatte ich gerade das erste Studiensemester in Ethnologie hinter mir und fand das Fach zwar sehr interessant, aber die Leute nicht so sehr. In Berlin fing ich mit Soziologie an, später kam dann noch Biologie dazu. Die ersten drei Jahre lebte ich bei der Familie, auf deren Kinder ich aufpasste, danach in verschiedenen WGs. Ich hatte eine gute und sehr spannende Zeit dort. Zum Beispiel war ich Greenpeace-Aktivistin, bin in Deutschland herumgereist, um gegen Atomkraft zu demonstrieren, und habe mich auch sonst sehr für die Umwelt eingesetzt. Insgesamt lebte ich sieben Jahre in Berlin. Während dieser Zeit habe ich auch meinen Mann kennengelernt – beim Fussballspielen – und als unser erstes Kind zur Welt kam, beschlossen wir, nach Zürich überzusiedeln. Ich fand es zwar immer noch mega cool in Berlin, aber für das Leben mit kleinen Kindern schien mir Zürich besser geeignet zu sein.

Nachdem wir ein Jahr lang im Seefeld zur Untermiete gewohnt hatten, fanden wir eine Wohnung im Rütihof. Es war allerdings nicht ganz so einfach, in Höngg wieder Fuss zu fassen. Die meisten meiner Freundinnen aus Kindertagen waren in der Zwischenzeit fortgezogen und die Schweiz ist nun mal die Schweiz – Leute richtig kennenlernen, das dauert oft sehr lange. Auch mein Plan, mich beispielsweise in der NGO «Erklärung von Bern» politisch zu engagieren, konnte ich damals nicht umsetzen. Mit Kindern sind solche Dinge etwas schwierig.

Aber das ist alles schon über fünfzehn Jahre her. Heute bin ich sehr gerne in Höngg zu Hause. Wir haben vier Kinder, die alle hier zur Schule oder in den Kindergarten gehen, und auch meine Eltern wohnen mittlerweile ganz nahe bei uns im Rütihof. Früher gab es hier einen Elternverein (EFR), in dem ich auch aktiv war, vor allem, indem ich geschrieben habe. Der EFR hat immer wieder Aktivitäten geplant, zum Beispiel zur Fasnacht oder zu Halloween, und im Herbst gab´s Marronibräteln. Irgendwann hat sich das verlaufen, weil die Kinder der Hauptorganisator*innen alle gleich schnell erwachsen wurden und niemand nachfolgte, aber das Marronibräteln gibt es noch immer, es findet jetzt auf dem Bauspielplatz statt. Dort war ich übrigens auch ein paar Jahre im Vorstand, wo ich die Öffentlichkeitsarbeit übernahm. Auch in diesem Rahmen habe ich viel geschrieben. Schreiben, das mache ich sowieso oft – auch fürs GZ, wo ich saisonale Mitarbeiterin bin, für den «Höngger» und für den QuarTierhof.

Beim QuarTierhof bin ich sehr aktiv dabei. Seit 2014 bin ich Mitglied des Vorstands und verantwortlich für unseren Hofladen. Das ist relativ viel Arbeit, aber ich mache sie gerne. Der Laden ist mittwoch- und samstagnachmittags offen und am Mittwoch bin immer ich dort. Wir verkaufen frische Eier, Gemüse und regionale Spezialitäten wie Käse und Würste. Einmal die Woche gibt es sogar selbstgebackenen Zopf. Das Gemüse bringt immer ein Bio-Lieferant. Es ist Zweite-Ware-Gemüse, das die Grosswarenhändler nicht nehmen können. Das heisst natürlich nicht, dass es schlecht ist, es sieht nur ein bisschen anders aus. Zum Beispiel sind die Karotten etwas krumm oder die Tomaten haben Nasen. Diese Ware verkaufen wir also, damit sie nicht fortgeworfen wird. In diesem Sinne ist der QuarTierhofladen ein Anti-Foodwaste-Projekt, also ein Vorhaben gegen Lebensmittelverschwendung. Ich fände es schön, wenn wir ihn ausweiten und zum Beispiel um einen Gratistauschladen ergänzen könnten. Dorthin könnten die Leute aus dem Quartier dann bringen, was sie nicht mehr brauchen, zum Beispiel einen Spaghettikochtopf, und dafür etwas anderes mitnehmen, vielleicht einen Stapel Bücher oder ein Paar Rollschuhe. Das ist viel besser als wegwerfen und neu kaufen.

Die Eier aus dem QuarTierhofladen stammen grösstenteils von unseren hofeigenen Hühnern. Wir haben etwa sechzig davon und ich bin für sie verantwortlich. Das heisst, dass ich jeden Morgen und Abend füttern und wöchentlich ausmisten gehe, meistens mit Hunden aus dem Quartier, damit die Auslauf kriegen. Selbst bei Bio-Freilandhühnern werden kurz nach dem Schlüpfen alle männlichen Küken vergast und die Legehennen nach einem Jahr, wenn sie eine Legepause einlegen, geschlachtet – aus ökonomischen Gründen. Bei uns auf dem QuarTierhof ist das natürlich anders. Bei uns leben gerade diese «ausgemusterten» Hühner. Eier legen sie trotzdem noch genauso schöne. Wer möchte, kann sich bei uns ein «Eierabo» lösen und jeden Samstag welche abholen.

Insgesamt verbringe ich ziemlich viel Zeit bei den Tieren, um die ich mich kümmere. Es war als Kind immer mein Traum, einmal einen Bauernhof zu haben. Heute bin ich zwar ein Stadtmensch, aber mit dem QuarTierhof bin ich gar nicht so weit von meinem Kindertraum entfernt.
Aber Stadtmensch hin oder her, so richtig in der Stadt leben wir im Rütihof ja nicht. Besonders jetzt, wo es auch keine Bäckerei und kein Restaurant mehr gibt, ist alles ein wenig zu verschlafen. Deswegen haben Menschen aus dem Quartier ein Pop-up-Restaurant aufgezogen. Es heisst «Reschti» und mein Mann und ich sind dort dabei. Er kocht sehr gut und ich helfe beim Organisieren. Einmal im Monat kann man also in unserem «Reschti» essen und mit anderen Menschen aus dem Quartier einen schönen Abend verbringen. Bisher haben wir das dreimal gemacht. Insgesamt haben wir etwa vierzig Sitzplätze, und letztes Mal waren fast fünfzig Leute da. Ein Ziel vom «Reschti» ist es auch, irgendwann mit Restgemüse vom QuarTierhofladen zu kochen, auch hier gegen Foodwaste. Dieses Projekt und auch alle anderen, bei denen ich mitmache, sind Ausdruck meines grössten Wunsches für Höngg. Ich lebe gerne hier – aber etwas mehr Leben im Quartier wäre schön.

In diesen monatlichen Beiträgen werden ganz normale Menschen aus Höngg porträtiert: Man braucht nicht der Lokalprominenz anzugehören und muss auch nicht irgendwelche herausragenden Leistungen vollbracht haben, nein, denn das Spezielle steckt oft im scheinbar Unscheinbaren, in Menschen «wie du und ich». So funktioniert’s: Die zuletzt porträtierte Person macht drei Vorschläge, an wen der Stab der Portrait-Stafette weitergereicht werden soll. Die Redaktion fragt die Personen der Reihe nach an und hofft auf deren Bereitschaft.
Den Start machte unsere Korrespondentin Dagmar Schräder. Sie macht seit Jahren die Umfragen auf der letzten Seite des «Hönggers» und gehört somit zur «Lokalprominenz» – aber irgendwo muss die Stafette ja beginnen, und wenn Sie den Text gelesen haben, wissen Sie hoffentlich auch, warum wir so gestartet sind. Sollte die Stafette abreissen, sind wir froh, wenn auch Sie uns mögliche Kandidat*innen melden. Kontaktangaben bitte per Mail an redaktion@hoengger.ch oder Telefon 044 340 17 05.

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