Politik
Für Fairness am Bezirksgericht
Das Amt der Laienrichter wurde im 19. Jahrhundert eingeführt, um die Macht der Obrigkeit einzuschränken. Doch das Gerichtswesen hat sich seither gewandelt. Die heutige Situation an den Bezirksgerichten ist ineffizient und teuer. Zeit, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen und den alten Zopf abzuschneiden.
17. Mai 2016 — Eingesandter Artikel
Bis zu den Gesetzesreformen in den Jahren 2000 und 2010 wurden Gerichtsfälle oft von Kollegialgerichten verhandelt – drei bis fünf Personen, Juristen und Laien, die gemeinsam urteilten. Um Kosten zu sparen, kam es in den erwähnten Reformen zu einer massiven Ausweitung der Einzelrichterkompetenzen. Nun werden rund 95 Prozent der Verfahren im Personen- und Familienrecht, aber auch im Zivil- und Strafrecht durch Einzelrichter geführt. So richten nun Personen ohne juristische Ausbildung alleine – über Scheidungen, Betrug, Diebstahl bis hin zu Mord. Dafür müssen sie aufwändig eingearbeitet und eng betreut werden. Das ist nicht nur ineffizient und teuer, es führt auch dazu, dass die Entscheide der Laienrichter durch juristisch ausgebildete Personen im Hintergrund beeinflusst werden. Durch erfahrene Richter oder durch die Gerichtsschreibenden. Juristen, frisch ab der Uni, die am Gericht erste Berufserfahrung sammeln wollen. Ihnen diese Verantwortung zu übertragen, ist unfair.
Rechtsgleichheit – auch an den Gerichten
Jede Richterin sollte in der Lage sein, einen Fall in seinen Einzelheiten zu erfassen, sich darüber eine Meinung zu bilden und das Recht darauf anzuwenden. Es ist nur in der Lage, Recht zu sprechen, wer die Prozesse und Gesetze kennt, sie auslegen und anwenden kann. In unseren Bezirksgerichten liegt die Rechtsprechung jedoch zum Teil bei Personen, die über keinerlei juristische Grundausbildung verfügen und Anwälten gegenüber sitzen, die ihnen fachlich überlegen sind. Dieser Umstand schwächt die Legitimation der richterlichen Entscheide erheblich. Zudem führt es dazu, dass die Rechtsgleichheit nicht gegeben ist, weil Gerichtsurteile nicht unter vergleichbaren Voraussetzungen zustande kommen. Denn es macht einen Unterschied, ob eine Juristin einen Gerichtsprozess führt oder ein Laienrichter. Im Sinne der Chancengleichheit haben aber alle Parteien das Recht, sich von einem professionellen Richter beurteilen zu lassen.
Die Befürworter der Laienrichter argumentieren oft mit dem gesunden Menschenverstand. Dieser ist aber nicht Laien vorbehalten – man verliert ihn nicht bei einem Studium. Und ich hoffe, man lässt ihn auch beim Ausfüllen der Stimmzettel walten.
Eingesandt von Sylvie F. Matter, SP, Kantonsrätin
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