Früh gemeldet ist man besser beraten

Der Verein Handel und Gewerbe Höngg (HGH) lud drei Versicherungsexperten nach Höngg, um seine Mitglieder zum Themenbereich «Taggeld und Rente» zu informieren. Die zentrale Erkenntnis: Krankheiten und Unfälle generell lieber zu früh als zu spät den Versicherungen melden.

Der Verein Handel und Gewerbe Höngg organisierte am Donnerstag, 29. Januar, einen Mitgliederabend zum Themenbereich «Taggeld und Rente». Geladen waren Michael Siegenthaler, Eingliederungsberater der IV-Stelle Zürich, Andreas Kägi, Fallmanager der Axa Winterthur, und Ueli Jost, Leiter Versicherungsleistungen der SUVA-Stelle Zürich, die in Kurzreferaten über ihre Tätigkeit berichteten und so an die komplexen Themen heranführten.

Kein Jahr warten

Michael Siegenthaler korrigierte als Erstes die falsche Annahme, dass man sich bei der IV erst nach einem Jahr Krankheit anmelden könne. Tatsächlich kann und soll man sich bereits nach einem Arbeitsausfall von 30 Tagen, egal ob am Stück oder über ein ganzes Jahr verteilt, melden. Interessant: Der Arbeitgeber darf dies auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers tun, muss ihn jedoch informieren. Eingliederungsberater nehmen dann innert 30 Tagen Kontakt mit dem Arbeitnehmer auf und klären in einem Früherfassungsgespräch ab, ob eine IV-Anmeldung Sinn macht. «Mich interessiert in diesen Gesprächen nicht, was der Klient nicht mehr kann, sondern welche neuen Berufsziele er für sich setzen will», so Siegenthaler. Berater wie er begleiten die Klienten vom Erstkontakt bis zur allenfalls nötigen Übergabe an die Rentenprüfung, welche dann die IV-Ansprüche klärt. Doch die IV hat ein Interesse, dass es gar nicht so weit kommt, und so investiert sie lieber frühzeitig in Umschulungen oder Arbeitsplatzanpassungen als später in eine IV-Rente.

Alle werden eingebunden

In entsprechende Abklärungen werden, egal welche Versicherung sie initiiert, möglichst alle Sozialversicherungspartner eingebunden, von der Unfall- und Krankentaggeldversicherung über die IV bis hin zu Arbeitslosenkassen, Regionalen Arbeitsvermittlungs- oder Sozialämtern. Gemeinsame Lösungen sind wichtig, betonten alle Referenten. Siegenthaler brachte das Ziel mit dem Satz «Ich sage lieber ˂Ade und alles Gute˃ als ˂auf Wiedersehen˃, das ist für alle Beteiligten besser» auf den Punkt.
Andreas Kägi, Fallmanager der Axa Winterthur, sprach danach über das Thema Taggeldversicherung und was sie abdeckt. Obwohl nicht obligatorisch, ist der Lohn der meisten Arbeitnehmer für zwei Jahre über 80 Prozent versichert. Auch die Krankentaggeldversicherungen nehmen frühzeitig mit der IV-Stelle Kontakt auf. Wie die Arbeitgeber sind auch sie meldeberechtigt. Und auch die Taggeldversicherungen gehen in Einzelfällen finanziell allenfalls über die vorgegebenen Leistungen hinaus, um Schulungen zeitlich zu ermöglichen und so dauernde Arbeitsunfähigkeiten, welche alle teurer zu stehen kommt, zu verhindern.
Ausführlich berichtete Ueli Jost, Leiter Versicherungsleistungen der SUVA-Stelle Zürich. Rund 50 Prozent der Arbeitnehmer, die meisten in sogenannten Hochrisikoberufen wie zum Beispiel der Baubranche tätig, sind bei der SUVA gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert.
Auch der SUVA ist Prävention auf allen Ebenen wichtig. So kontrolliert sie zum Beispiel auch vor Ort die Arbeitsplatzsicherheit. Weniger bekannt ist, dass sie zum Beispiel auch an Grümpelturnieren «mitspielt»: «Wir unterstützen die Veranstalter mit Schienbeinschonern, Schiedsrichtern oder Leuten, die ein Einwärmen der Spieler anbieten, um Unfälle zu vermeiden», so Jost.

Der Computer bezahlt die Rechnung

Spannend zu hören war, wie die SUVA ihre eigenen Arbeitsprozesse organisiert hat: 40 000 Fälle werden pro Jahr allein in Zürich gemeldet. 80 Prozent davon sind Fälle, die durch normale ärztliche Behandlung kuriert werden. Sie generieren weniger als zehn Prozent der Kostenleistungen der SUVA-Stelle Zürich und werden von nur drei Mitarbeitern betreut − eingehende Arztrechnungen werden von Computerprogrammen auf ihre Plausibilität hin geprüft und sogar automatisch bezahlt, solange sie nicht auffällig sind.
Andere zwei Prozent, in Zürich gegen 800 Fälle pro Jahr, verursachen jedoch mindestens 70 Prozent der Kosten – und für diese sind 24 Mitarbeiter im Einsatz, welche jeden Fall individuell betreuen.

Für Laien ein dichter Dschungel

Vieles des Gehörten war für die Anwesenden aufschlussreich, liess aber auch viele Fragen zurück. Was ist medizinisch theoretisch und was realwirtschaftlich möglich, oder was sagt das Versicherungsrecht und wie divergieren soziales Denken und Versicherungsdenken? Für Laien − was KMU-Betriebe ohne eigene Personalabteilungen bezüglich Versicherungsthemen meistens sind – ist das ein Dschungel an abstrakten Begriffen und unverständlichen Paragraphen. Dies war auch den Fragen anzuhören, welche im Anschluss an die Referate gestellt werden konnten. Sogar die einfache Unterscheidung zwischen Unfall und Krankheit ist nicht immer so klar, wie man glaubt, was es für den Betrieb nicht einfach macht, auf Anhieb die richtige Anlaufstelle zu wissen. Ueli Jost führte hier ein simples Beispiel an: «Wenn ich mir in der Badi einen Sonnenbrand hole, ist das eine Krankheit. Geschieht es dem Bademeister, dann ist es eine Berufskrankheit.»

Zwang Nein, Leistungskürzungen Ja

Was ist im Krankheitsfall Arbeitnehmer und -geber zuzumuten, wurde mehrfach gefragt. Gezwungen werden kann niemand zu nichts, dies hielten alle Referenten explizit fest. Der Arbeitnehmer nicht zu einer Umschulung oder einem Stellenwechsel – doch verweigerte Massnahmen führen zu Leistungskürzungen, denn der  Versicherte hat eine Schadenminderungspflicht und die Leistungen richten sich danach, was zumutbar gewesen wäre. Der Arbeitgeber seinerseits kann nicht gezwungen werden, Arbeitsplatz oder -zeiten an die Möglichkeiten des Arbeitnehmers anzupassen. Das heisst für den Arbeitgeber, dass er ein Anstellungsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen auch dann auflösen kann, wenn der Mitarbeiter noch krankgeschrieben ist.
Und auch zum Thema Arztzeugnisse und ihre Folgen brannten die Fragen. Zum Beispiel jenes, in dem ein Arbeitnehmer zu 40 Prozent arbeitsfähig erklärt wurde, aber nur an frei wählbaren Tagen, nicht mehr als zwei Stunden am Stück, und der Arbeitsplatz müsse jederzeit verlassen werden können. Kurz gesagt: Vorgaben, die sich in einem normalen KMU nicht umsetzen lassen. «Es gibt ein Gesetz und es gibt eine Logik», kommentierte Michael Siegenthaler: «Nach Gesetz kann ein Langstreckenpilot halbtags arbeitsfähig sein – logisch ist das natürlich nicht, er kann ja nicht mitten im Flug aussteigen.» In der Realität müsste der Mitarbeiter im Unternehmen umplatziert oder das Anstellungsverhältnis aufgelöst werden.
Nach zwei Stunden war das Fazit für viele: Bei Unklarheiten tut man als KMU-Betrieb gut daran, einfach eine der abgeschlossenen Sozialversicherungen anzurufen – erfahrungsgemäss erfährt man dort schnell, ob man richtig ist oder an wen man sich wenden soll.

0 Kommentare


Themen entdecken