Vorsorge? Drauf gepfiffen!

Die Redaktion hat mich aufgefordert, das aktuelle Fokusthema mit etwas Senf zu würzen. «1 x 1 des Ablebens», was ich davon halte, fragt sie. «Nichts», denke ich, und damit ist dieser Beitrag hier zu Ende. Wäre. Will die Redaktion aber nicht.
Also: Vorsorgen? Eine Patientenverfügung? Nein, da schau ich doch lieber, astral an der Spitalzimmerdecke schwebend, wie sich der Arzt zwischen meinem weisskittelgläubigen Sohn und meiner anthroposophisch verdorbenen Enkelin in Widersprüche verheddert – und vertraue darauf, dass mich die entnervte Pflegekraft der Nachtwache später mit dem Reservemorphium in bunte Träume schickt. Ein Vorsorgeauftrag? What for? Soll sich doch die KESB um mich kümmern, damit sich mein Umfeld in Hasskommentaren auf socialmedia.com über die Behörde beschweren kann. Wozu zahlte ich ein Leben lang Steuern? Dass sich meine Nächsten nun um mich kümmern sollen und für mich Entscheide fällen, wo sie doch in ihrem eigenen Leben kaum dazu befähigt sind? Nichts da: Ein dreifaches Hurra auf den Rechts- und Sozialstaat!
Wieso ein Testament? Es geht nichts über einen fulminanten Erbkrach, der ungeschminkt aufzeigt, wer mir ein Leben lang etwas vorgeheuchelt hat und sich jetzt mit dem Rest der Mischpoche in den Haaren liegt. Es geht nichts über einen Blick auf den psychischen Zustand der vermeintlich Zukurzgekommenen. Wenn schon ein Testament, dann so aufgesetzt, dass es angefechtet werden muss! Spass muss sein. Was für Bestattungswünsche? Mir ist egal, wo und wie ich kompostiert werde. Hauptsache, meine Nächsten – aber nur jene, die nicht über das Erbe gestritten haben – haben einen Ort, um zu trauern. Wo, das dürfen sie frank und frei entscheiden. Ich bin ja kein Unmensch. Trauern kann man auch vor dem Weinregal, weil man merkt, dass es plötzlich nicht mehr nachgefüllt wird. Ein «digitales Testament»? Soweit kommt es noch, dass man sogar meine www-Spuren löscht. Ist sowieso nur Schwachsinn, was in sozialen Netzwerken steht. Und wenn deren Betreiber gerne noch mehr Serverfarmen bauen, damit sie neben Milliarden von Büsifotos auch die digitalen Menschenleichen endlos lagern können, bitte, an mir soll’s nicht liegen. Wie war die Frage gleich? Was ich von einem «1 x 1 des Ablebens» halte? Nichts. Sagte ich doch. Abgesehen davon bin ich sowieso nur eine ablästernde Kunstfigur, die sich jederzeit wieder in Luft auflösen kann.

Es grüsst bockend
Frank Frei

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